2C_782/2021: Sanktionsverfügung, Unterlassungsanordnung (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht bestätigte in diesem Urteil, dass die Weko Mass­nah­men nach Art. 30 Abs. 1 KG grund­sät­zlich auch bei eingestell­ten und direkt sank­tion­ier­baren Tatbestän­den anord­nen kann, zumin­d­est wenn eine Wieder­hol­ungs­ge­fahr beste­ht. Darüber hin­aus erachtete es die in casu ange­ord­neten Mass­nah­men für ver­hält­nis­mäs­sig, ins­beson­dere angesichts der früheren Ver­stösse der Beschw­erde­führerin gegen das Kartellgesetz.

Gegen­stand war die Unter­suchung betr­e­f­fend Sub­mis­sion­s­ab­sprachen im Kan­tons Graubün­den. Die Weko unter­sagte dabei der Beschw­erde­führerin, welche als erste eine Selb­stanzeige erstat­tet hat­te und daher von ein­er Sank­tions­be­freeiung i.S.v. Art. 49a Abs. 2 KG prof­i­tieren kon­nte, in Zukun­ft ver­schiedene Hand­lun­gen, inklu­sive den Aus­tausch von bes­timmten Infor­ma­tio­nen (E. B). Die Beschw­erde­führerin ver­langte daraufhin die Aufhe­bung dieser Unterlassungsanordnungen.

Zunächst rügte die Beschw­erde­führerin eine Ver­let­zung des Legal­ität­sprinzip, mit der Begrün­dung, Art. 30 Abs. 1 KG erlaube die Anord­nung von Mass­nah­men nur dann, wenn keine direkte
Sank­tion möglich sei oder das kartell­rechtswidrige Ver­hal­ten noch andauere. Dem­nach sei die Anord­nung von Mass­nah­men bei direkt sank­tion­ier­baren Tatbestän­den gemäss Art. 49a Abs. 1 KG lediglich zuläs­sig, um zum Ver­fü­gungszeit­punkt andauernde Ver­stösse zu beseit­i­gen (E. 4.1). Mit dieser Rüge drang die Beschw­erde­führerin indessen nicht durch: Das Bun­des­gericht erwog, dass sich wed­er aus dem Wort­laut von noch aus den Mate­ri­alien zu Art. 30 Abs. 1 KG keine inhaltliche Ein­schränkung der möglichen Mass­nah­men oder eine Beschränkung auf gewisse Kon­stel­la­tio­nen oder Tatbestände ergäbe (E. 4.3.2). Auch aus der sys­tem­a­tis­chen Stel­lung von Art. 30 Abs. 1 KG seien keine Anhalt­spunk­te ersichtlich, wonach eine Mass­nahme unzuläs­sig wäre, wenn sie neben ein­er direk­ten Sank­tion aus­ge­sprochen wür­den, zumin­d­est solange sie zukun­fts­gerichtet ange­ord­net wür­den. Die Anwen­dung von Art. 30 Abs. 1 KG beschränke sich ins­beson­dere nicht auf die Fälle, in denen eine Wet­tbe­werb­s­beschränkung im Zeit­punkt der Ver­fü­gung noch beste­he und beseit­igt wer­den müsse (E. 4.3.3.). Schliesslich, so das Bun­des­gericht, könne es mit Blick auf das öffentliche Inter­esse am Schutz des wirk­samen Wet­tbe­werbs angezeigt sein, eine (direk­te) Sank­tion nach Art. 49a Abs. 1 KG mit ein­er Mass­nahme gestützt auf Art. 30 Abs. 1 KG zu verbinden. Dies gelte ins­beson­dere, wenn — wie vor­liegend — eine Wieder­hol­ungs­ge­fahr beste­he. Eine aus­drück­liche Unter­las­sungsanord­nung i.S.v. Art. 30 Abs. 1 KG ver­möge die Präven­tivwirkung des Kartellge­set­zes zu erhöhen, was dem Sinn und Zweck des Kartellge­set­zes entspreche (E. 4.3.4).

Auch mit ihrer Rüge, wonach die ange­ord­neten Mass­nah­men unver­hält­nis­mäs­sig seien, drang die Beschw­erde­führerin nicht durch. So rügte die Beschw­erde­führerin hin­sichtlich der Wieder­hol­ungs­ge­fahr erfol­g­los, dass die monierten Ver­stösse mehr als zehn Jahre zurück­liegen wür­den. Das Bun­des­gericht erwog, dass in Anbe­tra­cht der Vielzahl von kartell­rechtlichen Ver­fahren, in welche die Beschw­erde­führerin involviert gewe­sen sei, ohne Weit­eres ein gewiss­es Risiko angenom­men wer­den dürfe, dass sie sich in Zukun­ft wieder kartell­rechtswidrig ver­halte (E. 5.3).

Eben­so seien die Mass­nah­men nicht sach­lich unver­hält­nis­mäs­sig. Der Vor­wurf der Beschw­erde­führerin, die Weko pönal­isiere auch kartell­rechtlich zuläs­siges uni­lat­erales Ver­hal­ten tre­ffe nicht zu. Dass ein ein­seit­iges, uni­lat­erales Ver­hal­ten nicht zwin­gend kartell­rechtswidrig sein müsse, sei nicht mass­gebend. Die ange­ord­nete Mass­nahme erläutere zwar nicht aus­drück­lich, dass die zu unter­lassenden Hand­lun­gen im Zusam­men­hang mit ein­er Wet­tbe­werb­sabrede i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG ste­hen müssten. Dies sei aber nicht zu bean­standen, da sich bere­its aus Art. 2 Abs. 1 KG ergebe, dass das Gesetz für die Beschw­erde­führerin unter anderem (nur) gele, wenn sie eine Wet­tbe­werb­sabrede tre­ffe. Die Anord­nung könne damit nur in diesem Kon­text gele­sen und ver­standen wer­den, wom­it auch kein Ver­bot zuläs­si­gen (uni­lat­eralen) Ver­hal­tens vor­liege (E. 5.4.1). Das­selbe gelte mit Bezug auf die von der Beschw­erde­führerin gerügten Anord­nun­gen im Zusam­men­hang mit dem Infor­ma­tion­saus­tausch. Auch dieser sei im Zusam­men­hang mit Art. 2 Abs. 1 KG und Art. 4 Abs. 1 KG zu lesen. Nicht der Infor­ma­tion­saus­tausch an sich sei ver­boten, son­dern nur, wenn damit eine Wet­tbe­werb­s­beschränkung bezweckt oder bewirkt werde (vgl. Art. 4 Abs. 1 KG). Die Weko ver­bi­ete, so das Bun­des­gericht weit­er, den Infor­ma­tion­saus­tausch überdies nicht gesamthaft, son­dern schränke das Ver­bot mass­ge­blich ein. Weit­er werde die Mass­nahme sach­lich eingeschränkt und es seien Aus­nah­men definiert (E. 5.4.2 und 5.4.3). Eben­so sei die Rüge, wonach das Ver­bot eines Aus­tausches über die Zu- und Aufteilung von Gebi­eten keinen Bezug zu den vor­liegend fest­gestell­ten Kartell­rechtsver­stössen habe, unbe­grün­det. Die Anord­nung wieder­hole nur,
was bere­its kraft Geset­zes gelte. Der Beschw­erde­führerin werde damit eine Ver­hal­tenspflicht aufer­legt, welche sich auf Art. 5 KG stützen lasse, weshalb die Mass­nahme — auch im
Lichte der bere­its fest­gestell­ten Kartell­rechtsver­stösse — nicht zu bean­standen sei (E. 5.4.4).

Auch in räum­lich­er und per­sön­lich­er Hin­sicht seien die Mass­nah­men nicht unver­hält­nis­mäs­sig. Da die Beschw­erde­führerin gesamtschweiz­erisch tätig sei, beste­he die Wieder­hol­ungs­ge­fahr für die gesamte Schweiz, zumal die Beschw­erde­führerin auch in Kartell­rechtsver­fahren ausser­halb des Kan­tons Graubün­den involviert gewe­sen wäre (E. 5.5.1). Das­selbe gelte mit Bezug auf die erfassten Bauherrschaften. Die Bauherrschaften, mit denen die Beschw­erde­führerin zusam­me­nar­beite, seien nicht bloss im Kan­ton Graubün­den, son­dern in der ganzen Schweiz zu find­en. Das Risiko, dass die Beschw­erde­führerin erneut gegen das Kartellge­setz ver­stösse, beschränke sich nicht auf die von der Beschw­erde­führerin im Even­tu­alantrag aufgezählten Bauherrschaften (E. 5.5.2).

Weit­er sei eine zeitliche Beschränkung der Mass­nah­men nicht unab­d­ing­bar. Erneut wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass die Unter­las­sungsanord­nung bloss kartell­rechtliche Pflicht­en konkretisieren würde, die sich aus dem Kartellge­setz ergäben wür­den, wo sie eben­falls unbe­fris­tet gäl­ten. Der Vor­wurf der Beschw­erde­führerin, wonach eine fest­gestellte Ver­fehlung der fehlbaren Per­son nicht zeitlich unbe­gren­zt vorge­hal­ten wer­den könne, ziele damit ins Leere und eine Befris­tung der Mass­nah­men sei deshalb nicht erforder­lich (E. 5.6).

Schliesslich verneinte das Bun­des­gericht eine Ver­let­zung des Bes­timmtheit­ge­bots. Dabei wies es ins­beson­dere darauf hin, dass vor­liegend keine Sank­tion im Sinne von Art. 49a KG zur Diskus­sion ste­he. Den ange­ord­neten Mass­nah­men fehle damit der strafrecht­sähn­liche Charak­ter, weshalb der in Art. 7 EMRK ver­ankerte Grund­satz “nul­la poe­na sine lege” von vorn­here­in keine Anwen­dung finde. sodann sei aus dem Kon­text des Ver­fahrens ohne Weit­eres bes­timm­bar, was mit den Begrif­f­en gemäss den Anord­nun­gen zu ver­ste­hen sei. Überdies sei erneut darauf hinzuweisen, dass die Unter­las­sungsanord­nung im Zusam­men­hang mit Art. 2 Abs. 1 KG und Art. 4 Abs. 1 KG sowie der Begrün­dung der Unter­las­sungsanord­nung zu lesen sei (E. 6.3).