5A_385/2022: Behandlung der Kapitalleistung aus der gebundenen Vorsorge 3a im Konkurs (amtl. Publ., FR)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_385/2022 vom 1. September 2022 setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob die gebundene Vorsorge 3a in die Konkursmasse einer natürlichen Person fällt, wenn das versicherte Ereignis (Pensionierung) eingetreten ist, eine Kapitalleistung ausgerichtet wurde und die Kapitalleistung in einer vorangehenden Pfändung bereits als beschränkt pfändbar qualifiziert wurde. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass nur die Leistungen gemäss Art. 5 FZG im Konkurs als unbeschränkt pfändbar gelten. Dagegen sind Kapitalleistungen aus der gebundenen Vorsorge 3a, die den Lebensunterhalt sichern, beschränkt pfändbar und im Konkurs entsprechend zu behandeln. Wie das Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit fallen die Kapitalleistungen aus der gebundenen Vorsorge 3a nach Konkurseröffnung nicht unter Art. 197 Abs. 2 SchKG und gehören demnach nicht zur Konkursmasse.

Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Auf­grund sein­er Pen­sion­ierung bezog der Schuld­ner (eine natür­liche Per­son) eine Kap­i­talleis­tung aus der gebun­de­nen Vor­sorge 3a im Umfang von CHF37’068.37.

Kurz darauf wurde die Kap­i­talleis­tung im Rah­men ein­er Betrei­bung auf Pfän­dung vom Betrei­bungsamt des Saanebezirks zum grössten Teil (CHF 35’656.70) gepfän­det. Gegen diese Ver­fü­gung erhob der Schuld­ner eine SchKG-Beschw­erde, die abgewiesen wurde und eben­falls beim Bun­des­gericht lan­dete. Im BGer Urteil 5A_844/2020 hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde des Schuld­ners teil­weise gut und erwog, dass die gepfän­de­ten Kap­i­talleis­tun­gen aus der gebun­de­nen Vor­sorge 3a i.S.v. Art. 93 SchKG nur beschränkt pfänd­bar sind. Fol­glich darf nur die Rente des Schuld­ners, die aus dem ver­füg­baren Kap­i­tal aus­bezahlt wor­den wäre, nach Abzug des Exis­tenzmin­i­mums des Schuld­ners während eines Jahres gepfän­det werden.

In der Folge set­zte das Betrei­bungsamt den pfänd­baren Anteil auf CHF 1’765 fest.

Daraufhin wurde der Konkurs über den Schuld­ner eröffnet. Das Betrei­bungsamt behielt den Betrag von CHF 1’765 zur Befriedi­gung der aus den früheren Betrei­bun­gen betreiben­den Gläu­biger und über­wies den Rest­be­trag von CHF 33’891.50 an das kan­tonale Konkur­samt von Freiburg. Das Konkur­samt nahm das Guthaben in das Konkursin­ven­tar auf.

Dage­gen erhob der Schuld­ner SchKG-Beschw­erde bei der kan­tonalen Auf­sichts­be­hörde, die abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid erhob der Schuld­ner am 23. Mai 2022 Beschw­erde in Zivil­sachen beim Bun­des­gericht. Mit Urteil vom 1. Sep­tem­ber 2022 hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde gut, hob den Entscheid der Vorin­stanz auf und strich das Guthaben aus dem Konkursinventar.

Recht­skraft von SchKG-Entscheiden

Das Bun­des­gericht bestätigte zunächst seine Recht­sprechung, gemäss welch­er SchKG-Entschei­den nur eine Recht­skraftwirkung zukommt, wenn es sich um das­selbe Voll­streck­ungsver­fahren han­delt und der Sachver­halt gle­ich ist (E. 6.1.1). Da hier zwei unter­schiedliche Voll­streck­ungsver­fahren vor­liegen (Betrei­bungsver­fahren auf Pfän­dung und Konkurs), fällte das Konkur­samt zurecht einen neuen Entscheid über das in Frage ste­hende Guthaben aus der gebun­de­nen Vor­sorge 3a (E. 6.1.3).

Umfang der Konkursmasse

In das Inven­tar müssen sämtliche Ver­mö­genswerte des Schuld­ners aufgenom­men wer­den, die diesem im Zeit­punkt der Konkurs­eröff­nung gehören, und zwar unab­hängig von der Frage, ob diese über­haupt ver­w­ert­bar, pfänd­bar oder unpfänd­bar sind (E. 6.2.1).

In die Konkurs­masse fall­en nur die gemäss Art. 91–93 SchKG pfänd­baren Ver­mö­genswerte. Das unpfänd­bare Ver­mö­gen führt nicht zu einem Liq­ui­da­tion­ser­lös und kann nicht zur Befriedi­gung der Konkurs­gläu­biger ver­wen­det wer­den. Gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung ist Art. 93 SchKG auch im Konkursver­fahren zu beacht­en, weshalb die nach Art. 93 SchKG unpfänd­baren Ver­mö­genswerte nicht in die Konkurs­masse fall­en. Fol­glich wird – neb­st den unpfänd­baren Ver­mö­genswerten nach Art. 92 SchKG, die zwar inven­tarisiert, jedoch dem Schuld­ner als Kom­pe­ten­zstücke über­lassen wer­den – das für den Schuld­ner und seine Fam­i­lie erforder­liche Einkom­men dem Schuld­ner über­lassen (E. 6.2.2).

Beschränk­te Pfänd­barkeit der gebun­de­nen Vor­sorge 3a im Konkurs, wenn das ver­sicherte Ereig­nis bere­its einge­treten ist

In der Folge set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Frage der Pfänd­barkeit der gebun­de­nen Vor­sorge 3a auseinan­der, wenn das ver­sicherte Ereig­nis bere­its vor Konkurs­eröff­nung einge­treten ist.

Nach ständi­ger Recht­sprechung des Bun­des­gerichts fällt dem Gemein­schuld­ner der Arbeit­slohn und son­stiges Erwerb­seinkom­men nicht im Sinne von Art. 197 Abs. 2 SchKG an und ist daher dem Konkurs­beschlag ent­zo­gen. Das Bun­des­gericht ist der Ansicht, dass unter “anfall­en” alles zu ver­ste­hen ist, was nicht aus ein­er Erwerb­stätigkeit des Schuld­ners stammt, so dass sämtliche Ver­mö­genswerte, die auf andere Weise als durch diese Tätigkeit in das Ver­mö­gen gelan­gen kön­nen (z.B. Erb­schaft, Schenkung, Lot­terie), in die Konkurs­masse fall­en. Grund­sät­zlich kann der Gemein­schuld­ner also trotz Konkurs noch frei über seinen Lohn ver­fü­gen und Gläu­biger, deren Forderun­gen vor der Konkurs­eröff­nung ent­standen sind, haben keinen Anspruch auf diesen Ver­mö­genswert. Das Bun­des­gericht hat klargestellt, dass der in Art. 197 Abs. 2 SchKG ver­wen­dete Begriff von Ver­mö­genswerten, die dem Schuld­ner anfall­en, restrik­tiv zu ver­ste­hen ist und dass die Entschädi­gung, die ein Arbeit­nehmer für die vorzeit­ige Auflö­sung des Arbeitsver­trages erhält, nicht darun­ter­fällt. In diesem Zusam­men­hang lehnte das Bun­des­gericht eine Änderung dieser Recht­sprechung trotz Kri­tik in der Lehre aus­drück­lich ab und beschränk­te seine Prü­fung auf die Frage, ob diese Recht­sprechung auch für Leis­tun­gen der beru­flichen Vor­sorge gilt, die infolge des Ein­tritts eines Ver­sicherungs­falls aus­bezahlt wer­den (E. 6.2.3.1).

Das Bun­des­gericht erwog, dass die Recht­sprechung in den Entschei­den BGE 109 III 80, BGE 117 III 20 und BGE 118 III 43 so zu ver­ste­hen ist, dass Auszahlun­gen von als gemäss gel­ten­dem Art. 5 FZG zu qual­i­fizieren­den Aus­trittsleis­tun­gen der Pen­sion­skasse in die Konkurs­masse fall­en, da das Kap­i­tal, das auf­grund der Auflö­sung des Ver­hält­niss­es mit der Pen­sion­skasse aus­bezahlt wurde, in diesem Fall frei ist und mit den Erspar­nissen vor Konkurs­eröff­nung ver­gle­ich­bar ist; es weist keinen Zusam­men­hang mit den Arbeit­sleis­tun­gen während des Konkursver­fahrens auf.

Das Bun­des­gericht befand, dass es die Natur der Auszahlung in den oben genan­nten Urteilen nicht qual­i­fiziert hätte, wenn das Bun­des­gericht der Ansicht gewe­sen wäre, dass in Anwen­dung von Art. 197 Abs. 2 SchKG in jedem Fall nur das Erwerb­seinkom­men, im Gegen­satz zu allen anderen von Art. 93 SchKG erfassten Ver­mö­genswerten, nicht in die Konkurs­masse fällt; es hätte lediglich fest­gestellt, dass es sich nicht um Erwerb­seinkom­men han­delt. Das Bun­des­gericht kam daher zum Schluss, dass die bun­des­gerichtliche Recht­sprechung im Zusam­men­hang mit dem Erwerb­seinkom­men, das nach Konkurs­eröff­nung erzielt wurde, auch für Leis­tun­gen der beru­flichen Vor­sorge gilt, die nach Ein­tritt des ver­sicherten Ereigniss­es aus­bezahlt wer­den (E. 6.2.3.2).

Dem­nach bezweck­en Leis­tun­gen der beru­flichen Vor­sorge, die an den Konkur­siten aus­bezahlt wer­den, der das Pen­sion­ierungsalter erre­icht hat, die angemessene Aufrechter­hal­tung des Lebens­stan­dards. Wie das Einkom­men aus der Erwerb­stätigkeit sind diese Leis­tun­gen beschränkt pfänd­bar und wer­den im Konkurs entsprechend als solche behan­delt. Angesichts der engen Ausle­gung von Art. 197 Abs. 2 SchKG, der im Übri­gen nicht darauf abzielt, den Konkurss­chuld­ner zur Fort­set­zung sein­er Erwerb­stätigkeit zu ermuti­gen, son­dern ihm zu ermöglichen, sich eine neue finanzielle Sit­u­a­tion zu schaf­fen, sind diese Leis­tun­gen wie Erwerb­seinkom­men zu behan­deln und fol­glich dem Konkurs­beschlag ent­zo­gen (E. 6.2.3.3).

Vor­liegend geht aus der ange­focht­e­nen Ver­fü­gung her­vor, dass das Konkur­samt davon aus­ging, dass die zum Zeit­punkt der Konkurs­eröff­nung pfänd­bare Rente an die Gläu­biger der früheren Betrei­bun­gen zu verteilen sei. Wie das Erwerb­seinkom­men, das nach der Konkurs­eröff­nung und bis zum Abschluss des Konkurs­es erzielt wurde, ist das Restkap­i­tal aus der gebun­de­nen Vor­sorge 3a nicht pfänd­bar. Es darf daher nicht im Inven­tar aufge­führt wer­den und muss dem Konkurss­chuld­ner über­lassen wer­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vorin­stanz verän­dert sich die Art der Leis­tung aus der gebun­de­nen Vor­sorge 3a mit dem Wech­sel der Betrei­bungsart nicht von einem Kap­i­tal aus der beru­flichen Vor­sorge in eine Barauszahlung ein­er Aus­trittsleis­tung. Diese Leis­tun­gen blieben nach dem Ein­tritt des ver­sicherten Ereigniss­es beschränkt pfänd­bar i.S.v. Art. 93 SchKG. Die Vorin­stanz hat BGE 109 III 80, der sich nicht mit der vor­liegend strit­ti­gen Frage befasst, son­dern eine von ein­er Pen­sion­skasse aus­bezahlte Aus­trittsleis­tung nach Art. 5 VZG bet­rifft, falsch angewen­det. Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, dass die Vorin­stanz Art. 197 und Art. 221 SchKG ver­let­zt hat (E. 6.3), weshalb es die Beschw­erde guthiess, den Entscheid der Vorin­stanz aufhob und entsch­ied, dass das Restguthaben aus dem Inven­tar gestrichen und dem Konkurss­chuld­ner über­lassen wird (E. 7).