Keine separate Betreibung für Rechtsöffnungskosten bei einer dahingefallenen Betreibung (amtl. Publ., FR)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_433/2022 vom 24. November 2022 befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob die im Rahmen der definitiven Rechtsöffnung zugesprochenen Gerichtskosten und Parteientschädigung Gegenstand einer separaten Betreibung bilden können, wenn die Jahresfrist für das Fortsetzungsbegehren unbenutzt verstrichen ist. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Gerichtskosten und die Parteientschädigung nur in der in Frage stehenden Betreibung geltend gemacht werden können.


Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Die Gläu­bigerin set­zte ihre Forderung aus einem Eheschutzentscheid gegen den Schuld­ner in Betrei­bung. Dage­gen erhob der Schuld­ner Rechtsvorschlag, wobei der Zahlungs­be­fehl ihm am 18. Dezem­ber 2017 zugestellt wurde. Die Gläu­bigerin beantragte in der Folge die defin­i­tive Recht­söff­nung, die mit Entscheid vom 3. Mai 2019 erteilt wurde. Dem Schuld­ner wur­den die Gericht­skosten aufer­legt und er wurde verpflichtet, der Gläu­bigerin eine Parteientschädi­gung zu bezahlen. Daraufhin ver­sucht­en die Parteien, sich auf das Schei­dungsver­fahren zu eini­gen und die Betrei­bung fiel man­gels Fort­set­zungs­begehrens innert Jahres­frist dahin. Die Gläu­bigerin set­zte in der Folge die ihr zuge­sproch­enen Gericht­skosten und Parteientschädi­gung in einem neuen, sep­a­rat­en Betrei­bungsver­farhen in Betrei­bung; dage­gen erhob der Schuld­ner Rechtsvorschlag. Mit Entscheid vom 27. Mai 2021 wurde die defin­i­tive Recht­söff­nung u.a. für diese Forderun­gen erteilt, wobei der Entscheid in diesem Punkt vom Kan­ton­s­gericht mit Entscheid vom 25. April 2022 geschützt wurde. Das Bun­des­gericht hiess die dage­gen erhobene Beschw­erde in Zivil­sachen mit Entscheid vom 24. Novem­ber 2022 gut und wies die Sache zur Neuentschei­dung an die Vorin­stanz zurück.

Die Betrei­bungskosten in der laufend­en Betrei­bung im Allgemeinen

Das Bun­des­gericht set­zte sich zunächst mit der Frage der Betrei­bungskosten in der laufend­en Betrei­bung auseinan­der. Gemäss Art. 68 Abs. 1 SchKG trägt der Schuld­ner die Betrei­bungskosten. Diesel­ben sind vom Gläu­biger vorzuschiessen. Wenn der Vorschuss nicht geleis­tet ist, kann das Betrei­bungsamt unter Anzeige an den Gläu­biger die Betrei­bung­shand­lung einst­weilen unter­lassen. Der Gläu­biger ist berechtigt, von den Zahlun­gen des Schuld­ners die Betrei­bungskosten vor­ab zu erheben (Art. 68 Abs. 2 SchKG). Aus anderen Bes­tim­mungen ergibt sich, dass die Betrei­bungskosten Gegen­stand der laufend­en Betrei­bung bilden und aus dem Erlös dieser Betrei­bung – manch­mal sog­ar vor­ab –befriedigt wer­den müssen (Art. 69 Abs. 2 Ziff. 2, Art. 85, Art. 97 und Art. 144 SchKG) (E. 4.1).

Die Gericht­skosten und die Parteientschädi­gung im Recht­söff­nungsver­fahren als Betreibungskosten

Das Bun­des­gericht hielt zunächst fest, dass die Gerichts­ge­bühren (Art. 48 und Art. 61 Abs. 1 GebV SchKG) und die Parteientschädi­gung (die seit dem Inkraft­treten der ZPO kan­ton­al geregelt ist) im Recht­söff­nungsver­fahren Betrei­bungskosten darstellen. Dage­gen stellen Gerichts­ge­bühren im ordentlichen und vere­in­facht­en Ver­fahren keine Betrei­bungskosten dar (E. 4.1.1).

Art. 68 Abs. 2 SchKG nur für Betrei­bungskosten der laufend­en Betreibung

In der Folge erin­nerte das Bun­des­gericht daran, dass Art. 68 Abs. 2 SchKG, der den Gläu­biger berechtigt, von den Zahlun­gen des Schuld­ners die Betrei­bungskosten vor­ab zu erheben, nur im laufend­en Betrei­bungsver­fahren Anwen­dung find­et. Damit kön­nen diese Kosten nicht zurück­er­stat­tet wer­den, wenn keine Ver­w­er­tung stat­tfind­et. In diesem Zusam­men­hang kön­nen die Kosten des Zahlungs­be­fehls nicht Gegen­stand eines Recht­söff­nungsentschei­ds bilden und der Gläu­biger ver­fügt über keinen Recht­söff­nungsti­tel für diese Kosten (E. 4.1.2).

Im All­ge­meinen gel­ten sämtliche Betrei­bungskosten als vom Schuld­ner verur­sacht, es sei denn, diese Kosten vom Schuld­ner hät­ten ver­mieden wer­den kön­nen; der Gläu­biger ist den­noch nicht verpflichtet, mehrere Forderun­gen in einem einzi­gen Betrei­bungs­begehren in Betrei­bung zu set­zen. Damit trägt der Gläu­biger die Betrei­bungskosten, wenn der Rechtsvorschlag nicht beseit­igt wird oder wenn er die Betrei­bung zurückzieht, oder diese dahin­fall­en lässt. Beim Zwangsvoll­streck­ungsrecht geht es näm­lich um die Durch­set­zung ein­er Forderung in einem bes­timmten Ver­fahren. Zur Zwangsvoll­streck­ung nach SchKG gehört demge­genüber wed­er die Durch­set­zung auf andere Weise noch die gerichtliche Fest­stel­lung eines Rechtsver­hält­niss­es. Wenn der Gläu­biger dieses Ziel nicht ver­fol­gt, hat er keinen Anspruch auf Rück­er­stat­tung der Betrei­bungskosten (E. 4.1.2).

Recht­söff­nungskosten als Gegen­stand ein­er sep­a­rat­en Betreibung?

Wird das Recht­söff­nungs­ge­such abgewiesen, kann der Schuld­ner die Parteientschädi­gung, die ihm zuge­sprochen wurde, gegenüber dem Gläu­biger gel­tend machen und in Betrei­bung set­zen. In diesem Fall stellt der abweisende Recht­söff­nungsentscheid einen defin­i­tiv­en Recht­söff­nungsti­tel dar (E. 4.1.3).

Bei den in einem gutheis­senden Recht­söff­nungsentscheid zuge­sproch­enen Gericht­skosten und Parteientschädi­gung (Recht­söff­nungskosten) beste­ht dage­gen Uneinigkeit in der Lehre, ob diese Gegen­stand ein­er sep­a­rat­en Betrei­bung gegen den Schuld­ner bilden kön­nen. Die h.L. verneint dies, unter Ver­weis auf zwei Bun­des­gericht­surteile, während einzelne Autoren (wie Penon/Wohlgemuth) und das Oberg­ericht des Kan­tons Zürich diese Frage beja­hen (E. 4.2). In diesem Zusam­men­hang stellte das Bun­des­gericht klar, dass die von der h.L. zitierten Bun­des­gericht­surteile für die Beant­wor­tung dieser Frage nicht rel­e­vant sind (E. 4.3.1).

Das Bun­des­gericht ver­wies auf zwei alte Bun­des­gericht­sentschei­de (BGE 31 III 265 und BGE 47 III 120), die eine sep­a­rate Betrei­bung für die zugun­sten des Gläu­bigers zuge­sproch­enen (Recht­söff­nungskosten) zuliessen, und erwog, dass kein Grund beste­ht, von dieser Recht­sprechung abzukehren (E. 4.3.2):

«En revanche, dans deux arrêts pub­liés, certes déjà anciens mais qu’au­cun motif ne jus­ti­fie de ren­vers­er, le Tri­bunal fédéral a admis la pour­suite séparée des frais et dépens octroyés au créanci­er dans une déci­sion de main­levée. A not­er que, par la suite, il l’a même fait pour les frais de pour­suite au sens étroit, exp­ri­mant néan­moins que cette pos­si­bil­ité n’a pas d’in­ci­dence pra­tique si le débi­teur fait oppo­si­tion, étant don­né que le créanci­er n’est en pos­ses­sion d’au­cun titre de mainlevée.»

Dahin­fall­en der Betrei­bung auf­grund der abge­laufe­nen Jahres­frist (Art. 88 Abs. 2 SchKG) als Einrede gegen die sep­a­rate Betrei­bung für die Rechtsöffnungskosten

Vor diesem Hin­ter­grund kam das Bun­des­gericht zum Schluss, dass der Recht­söff­nungsentscheid, in welchem dem Gläu­biger Recht­söff­nungskosten zuge­sprochen wer­den, einen defin­i­tiv­en Recht­söff­nungsti­tel darstellen kann und dass diese Kosten Gegen­stand ein­er sep­a­rat­en Betrei­bung bilden kön­nen. Wenn der Gläu­biger die Betrei­bung jedoch bspw. dahin­fall­en lässt und diese nicht innert Jahres­frist fort­set­zt, stellen die Betrei­bungskosten (und damit die zuge­sproch­enen Gericht­skosten und Parteientschädi­gung) nut­zlose Kosten dar, die dem Schuld­ner nicht über­wälzt wer­den dür­fen, da der Recht­söff­nungsentscheid lediglich betrei­bungsrechtliche Wirkun­gen ent­fal­tet. Aus diesem Grund ste­ht dem betriebe­nen Schuld­ner in diesem Fall die Einrede des Erlöschens der Forderung zu (Art. 81 und Art. 82 Abs. 2 SchKG) (E. 4.3.3).

Angesichts dieser Einrede ist eine sep­a­rate Betrei­bung für Recht­söff­nungskosten für den Gläu­biger nur dann sin­nvoll (prak­tis­ches Inter­esse), wenn der Schuld­ner eine Aberken­nungsklage (Art. 83 Abs. 2 SchKG) anhängig gemacht hat und der Gläu­biger die Recht­söff­nungskosten par­al­lel zum hängi­gen Aberken­nung­sprozess sep­a­rat betreiben will. In diesem Zusam­men­hang liess das Bun­des­gericht die Frage aus­drück­lich offen, ob der Gläu­biger die Rück­er­stat­tung der Recht­söff­nungskosten weit­er­hin ver­lan­gen kann, wenn er im Aberken­nung­sprozess unter­liegt. Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, dass die Rück­er­stat­tung der Recht­söff­nungskosten in allen anderen Fällen durch die Fort­set­zung der beste­hen­den Betrei­bung, für welche dem Gläu­biger die Recht­söff­nung erteilt wurde, ver­langt wer­den kann, weshalb der Gläu­biger keinen Grund hat, eine sep­a­rate Betrei­bung zu diesem Zweck einzuleit­en (E. 4.3.4).