5A_920/2023: Beschränkung des Überschussanteils des Kindes unverheirateter Eltern (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 5A_920/2023 vom 28. Novem­ber 2024 äussert sich das Bun­des­gericht dazu, unter welchen Voraus­set­zun­gen der Über­schuss min­der­jähriger Kinder unver­heirateter Eltern beschränkt wer­den kann.

Zunächst erin­nert das Bun­des­gericht all­ge­mein daran, dass der Über­schuss bei Kindern nicht ver­heirateter Eltern einzig auf den unter­haltpflichti­gen Eltern­teil (gross­er Kopf) und die Kinder (kleine Köpfe) zu verteilen sei. Der betreuende Eltern­teil, der mit dem anderen nicht ver­heiratet sei, habe keinen Anspruch auf Teil­habe an dessen Lebensstel­lung. Deshalb sei bei nicht miteinan­der ver­heirateten Eltern sicherzustellen, dass der betreuende Eltern­teil nicht aus dem Über­schus­san­teil des Kindes quer­sub­ven­tion­iert werde (E. 2.4.2).

Das Kind könne im Rah­men der Über­schussverteilung nicht Anspruch auf eine Lebens­führung erheben, welche diejenige der Eltern bzw. den anges­tammten Stan­dard vor ein­er Tren­nung der Eltern über­schre­ite. Soweit sich die Leis­tungs­fähigkeit des Unter­haltss­chuld­ners nicht verbessert habe, sei es zuläs­sig, den Über­schus­san­teil des Kindes auf ein Niveau zu begren­zen, das ihm die Beibehal­tung des Lebens­stan­dards vor der Tren­nung ges­tat­te (E. 2.4.3). Das Gericht habe den Lebens­stan­dard vor der Tren­nung zu ermit­teln, falls der Kinderun­ter­halts­beitrag darauf begren­zt wer­den solle (E. 2.4.4).

Die Lebens­führung des Kindes vor der Tren­nung der Eltern könne durch zahlre­iche Gründe nicht der­jeni­gen entsprochen haben, die auf­grund der finanziellen Ver­hält­nisse der Eltern möglich gewe­sen wäre. So sei namentlich eine Spar­quote vom Über­schuss abzuziehen. Fern­er sei nicht auszuschliessen, dass die Eltern während des Zusam­men­lebens der Fam­i­lie bewusst nicht unge­fähr den rech­ner­ischen, son­dern einen bedeu­tend kleineren Über­schus­san­teil für das Kind aufgewen­det hät­ten; sei es aus gemein­samem erzieherischem Entscheid her­aus, sei es auf­grund erhöhter eigen­er Bedürfnisse der Eltern. Bei weit über­durch­schnit­tlich guten finanziellen Ver­hält­nis­sen dürfe der rech­ner­ische Über­schus­san­teil des Kindes sodann unab­hängig vom konkret gelebten Stan­dard der Eltern aus erzieherischen und/oder aus konkreten Bedarf­s­grün­den begren­zt wer­den (E. 2.4.5).

Das Bun­des­gericht hielt in Bezug auf den ange­focht­e­nen Entscheid fest, dass die Vorin­stanz die finanziellen Ver­hält­nisse der Fam­i­lie vor der Tren­nung der Eltern nicht fest­gestellt habe. Eine Ver­dopplung des Grund­be­trages durch die Erstin­stanz stelle keinen Anhalt­spunkt für die bish­erige Ver­wen­dung des Über­schuss­es dar. Die vorin­stan­zliche Fest­stel­lung, für die Zeit vor der Tren­nung der Eltern könne von Leben­shal­tungskosten von rund Fr. 1’230.– pro Kind aus­ge­gan­gen wer­den, erweise sich als willkür­lich. Die Vorin­stanz habe zu Unrecht allein auf­grund des Rechtsmit­telverzichts der beschw­erde­führen­den Kinder angenom­men, dass die erstin­stan­zlichen Bedarf­szahlen anerken­nt wor­den seien. Damit fehle eine tat­säch­liche Grund­lage, welche eine Abwe­ichung vom Verteilungs­grund­satz nach grossen und kleinen Köpfen recht­fer­ti­gen würde (E. 2.6.3–2.6.5). Im Ergeb­nis hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde teil­weise gut und begren­zte den Über­schus­san­teil der beschw­erde­führen­den Kinder bis zu ihrer Volljährigkeit auf den von ihnen beantragten Betrag von Fr. 1’200.– (E. 2.7).

Kom­men­tar

Wie das Bun­des­gericht bere­its im Urteil 5A_597/2022 vom 7. März 2023 E. 6 in eingeschränk­ter Kog­ni­tion angetönt hat­te und schliesslich in BGE 149 III 441 E. 2.7 in voller Kog­ni­tion entsch­ied, ist der Über­schuss bei Kindern nicht ver­heirateter Eltern einzig auf den unter­haltpflichti­gen Eltern­teil (gross­er Kopf) und die Kinder (kleine Köpfe) zu verteilen (vgl. Ludin, Über­schus­san­teil des Kindes unver­heirateter Eltern — revis­it­ed vom 17.9.2023).

Bei guten bis sehr guten finanziellen Ver­hält­nis­sen der unver­heirateten Eltern fällt der Über­schuss der Kinder regelmäs­sig höher aus als der Über­schuss der Kinder ver­heirateter Eltern. Dies liegt daran, dass sich der Über­schuss einzig anhand des Über­schuss­es des unter­halt­spflichti­gen Eltern­teils berech­net und dieser Über­schuss nicht durch Unter­halt­sansprüche des anderen Eltern­teils geschmälert wird. Insofern stellt sich ins­beson­dere bei Kindern unver­heirateter Eltern die Frage nach der Beschränkung ihres Überschussanteils.

Dies­bezüglich gilt nun auch für das Kind unver­heirateter Eltern, dass es nach der Tren­nung der Eltern in finanzieller Hin­sicht kein besseres Leben führen darf als vor der Tren­nung. Nur, wenn sich die finanziellen Ver­hält­nisse des Unter­haltss­chuld­ners nach der Tren­nung verbessern, soll das Kind grund­sät­zlich daran par­tizip­ieren, wenn sich die finanziellen Ver­hält­nisse anson­sten nicht verän­dert haben.

Soll der Über­schus­san­teil des min­der­jähri­gen Kindes auf die Lebens­führung der Fam­i­lie vor der Tren­nung der Eltern lim­i­tiert wer­den, hat das Gericht den Stan­dard der Fam­i­lie vor der Tren­nung festzustellen und dabei allfäl­lige Beschränkun­gen des Über­schuss­es, ins­beson­dere eine Spar­quote, zu berück­sichti­gen. Gle­ichzeit­ig kann der Über­schuss aus erzieherischen und/oder aus konkreten Bedarf­s­grün­den begren­zt sein. Bei weit über­durch­schnit­tlich guten finanziellen Ver­hält­nis­sen kann der Über­schus­san­teil unab­hängig vom konkret gelebten Stan­dard lim­i­tiert werden.

Das Bun­des­gericht bestätigt somit, dass der Über­schus­san­teil für Kinder ver­heirateter und unver­heirateter Eltern grund­sät­zlich unter­schiedlich berech­net wird, für die Begren­zung des Über­schus­san­teils aber weit­ge­hend die gle­ichen Grund­sätze gel­ten. Insofern ist der Entscheid des Bun­des­gerichts als weit­ere Vere­in­heitlichung der Methodik im gesamten Unter­halts­bere­ich zu lesen.