4A_605/2024: Öffentlichkeitsprinzip bei Beschwerden gegen Schiedsentscheide (amtl. Publ.)

Im Entscheid 4A_605/2024 vom 22. April 2025 (zur Pub­lika­tion vorge­se­hen) set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Anwen­dung des Öffentlichkeit­sprinzips im Rah­men von Beschw­er­den gegen Schied­sentschei­de auseinan­der. Es stellte fest, dass das Öffentlichkeit­sprinzip auch in Schiedssachen gelte. Jedoch dürfe der beson­deren Inter­essen­lage in Schiedsver­fahren durch eine weniger strenge Hand­habung der Aus­nah­meregelung Rech­nung getra­gen werden.

Bemerkenswert an diesem Entscheid ist, dass wed­er der Sachver­halt noch die Erwä­gun­gen, mit Aus­nahme der­jeni­gen zum Öffentlichkeit­sprinzip, wiedergegeben wer­den. Die Beschw­erde­führerin, eine Bank, hat­te Beschw­erde wegen offen­sichtlich­er Rechtsver­let­zung (Art. 393 lit. e ZPO) erhoben. Der Beschw­erdegeg­n­er hat­te beim Bun­des­gericht beantragt, die Öffentlichkeit vom Ver­fahren auszuschliessen.

Im Urteil befasste sich das Bun­des­gericht zunächst mit den all­ge­meinen Grund­sätzen des Öffentlichkeit­sprinzips, bevor es deren Anwen­dung auf Schiedsver­fahren prüfte. Gemäss dem Bun­des­gericht komme dem Öffentlichkeits­grund­satz der Jus­tiz Ver­fas­sungsrang zu (Art. 30 Abs. 3 BV). Dieser Grund­satz sei für das Bun­des­gericht in Art. 59 BGG konkretisiert, wonach Aus­nah­men vom Öffentlichkeit­sprinzip nur aus bes­timmten Grün­den zuläs­sig seien. Die Begrün­dun­gen wichtiger Grund­satzurteile wür­den in der amtlichen Samm­lung (BGE) pub­liziert. Zudem wür­den alle End- und Teilentschei­de in anonymisiert­er Form im Inter­net veröf­fentlicht (Art. 27 Abs. 2 BGG; Art. 59 BGerR).

Dabei könne es notwendig sein, zum Schutz der Parteien über Namen, Adressen und geografis­che Angaben hin­aus auch einzelne Pas­sagen wegzu­lassen, wenn diese Rückschlüsse auf ver­trauliche Tat­sachen oder die Iden­tität der Beteiligten zulassen wür­den. Die Anonymisierung dürfe jedoch nicht so weit gehen, dass der Entscheid unver­ständlich werde, selb­st wenn mit dem Fall ver­traute Per­so­n­en Rückschlüsse auf die Beteiligten ziehen könnten.

Wün­sche eine Partei den Auss­chluss der Öffentlichkeit oder einen Verzicht auf die Veröf­fentlichung des Urteils, müsse sie einen entsprechen­den Antrag stellen und ihr schutzwürdi­ges Inter­esse hin­re­ichend begrün­den. Sie müsse zudem dar­legen, inwiefern dieses Inter­esse das öffentliche Inter­esse an Trans­parenz überwiege.

Dass in Schiedsver­fahren häu­fig ein starkes Diskre­tions­bedürf­nis beste­he, ändere nichts daran, dass im Ver­fahren vor Bun­des­gericht der Grund­satz der Öffentlichkeit gelte. Ein all­ge­meines Inter­esse an Ver­traulichkeit (selb­st bei übere­in­stim­men­dem Antrag bei­der Parteien) reiche nicht aus, um die Öffentlichkeit auszuschliessen. Vielmehr müssten beson­dere Gründe vor­liegen, wie etwa ein erhöht­es Geheimhal­tungsin­ter­esse oder eine erhe­bliche Gefahr ein­er Persönlichkeitsverletzung.

Indes sei in Schiedsver­fahren eine weniger strenge Anwen­dung der Aus­nah­meregelung vom Öffentlichkeit­sprinzip zuläs­sig (Urteil BGer 4P.74/2006 vom 19. Juni 2006 E. 8.3). Bei der Inter­essen­ab­wä­gung sei dem hohen Diskre­tions­bedürf­nis der Parteien Rech­nung zu tra­gen. Es sei zu ver­mei­den, dass rechtssuchende Parteien in Fällen, in denen sie keinen Auss­chluss der Anfecht­barkeit des Schied­sentschei­ds (Art. 192 IPRG) vere­in­bart haben oder vere­in­baren kön­nen (wie in der nationalen Schieds­gerichts­barkeit), von ein­er Schieds­beschw­erde ans Bun­des­gericht abse­hen, aus Sorge, dass sen­si­ble Infor­ma­tio­nen öffentlich würden.

Im konkreten Fall gelangte das Bun­des­gericht zum Schluss, dass dem Antrag des Beschw­erdegeg­n­ers auf Auss­chluss der Öffentlichkeit stattzugeben sei. Aus dem Dis­pos­i­tiv geht zudem her­vor, dass die Beschw­erde gut­ge­heis­sen, der Schied­sentscheid aufge­hoben und die Sache zur Neubeurteilung an das Schieds­gericht zurück­gewiesen wurde.