5A_384/2024: Überschussanteil des Kindes unverheirateter Eltern bei alternierender Obhut (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 5A_384/2024 vom 10. Sep­tem­ber 2025 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Berech­nung des Über­schus­san­teils von Kindern unver­heirateter Eltern bei alternieren­der Obhut. Es kommt zum Schluss, dass sich der Über­schus­san­teil dies­falls gle­ich berech­net wie bei Kindern von ver­heirateten Eltern.

Zusam­men­fas­sung

Die Parteien des vor­liegen­den Ver­fahrens sind die unver­heirateten Eltern zweier Kinder, welche sie hälftig alternierend betreuen. Vor Bun­des­gericht war unter anderem umstrit­ten, wie sich der Über­schus­san­teil der Kinder berechnet.

Das Bun­des­gericht hält vor­ab fest, dass die Kinder Anspruch darauf haben, am Gesamtüber­schuss bei­der Eltern­teile zu par­tizip­ieren, da zufolge der alternieren­den Obhut bei­de Eltern­teile für den Barun­ter­halt ihrer Kinder ver­ant­wortlich seien (E. 5.4.1).

Beim Frage nach dem Verteilschlüs­sel für den Über­schuss seien zwei Vari­anten denkbar:

Entwed­er berechne man den Über­schus­san­teil glob­al, wie bei ver­heirateten Eltern und Teile den Gesamtüber­schuss nach grossen und kleinen Köpfen auf. Der Anteil des Kindes entspreche einem “kleinen Kopf”-Anteil am Fam­i­lienüber­schuss, wom­it bei zwei Kindern diese jew­eils Anspruch auf 1/6 des Gesamtüber­schuss­es hät­ten. Der virtuelle Anteil des anderen Eltern­teils — der keinen Unter­halt­sanspruch habe — verbleibe beim unter­halt­spflichti­gen Elternteil.

Alter­na­tiv sei es denkbar, der den Kindern zuste­hende Über­schus­san­teil getren­nt für jeden Eltern­teil zu berech­nen. In diesem Fall würde der Über­schuss jedes Eltern­teils sep­a­rat berück­sichtigt und ein Teil davon nach dem Prinzip “ein gross­er Kopf und so viele kleine Köpfe, wie es Kinder gibt” den Kindern zugewiesen. Bei zwei Kindern würde dies bedeuten, dass diese jew­eils einen Anspruch auf 1/4 des Über­schuss­es der Mut­ter und 1/4 des Über­schuss­es des Vaters hätten.

Das Bun­des­gericht gibt in der Folge der ersten Lösungsvari­ante den Vorzug. Es seien keine trifti­gen Gründe erkennbar, die eine unter­schiedliche Behand­lung des Kindes je nach Fam­i­lien­stand sein­er Eltern recht­fer­ti­gen wür­den. Es beste­he auch keine Gefahr ein­er indi­rek­ten Sub­ven­tion­ierung des anderen Eltern­teils, da der virtuelle Über­schus­san­teil, der für den anderen Eltern­teil berech­net wird, beim unter­halt­spflichti­gen Eltern­teil verbleibe. Zudem ver­rin­gere die Berück­sich­ti­gung von zwei grossen Köpfen indi­rekt den Anteil der Kinder (E. 5.4.2).

Kom­men­tar

Das bun­des­gerichtliche Urteil behan­delt eine in der Lehre bis­lang umstrit­tene Frage und markiert damit einen weit­eren Schritt auf dem Weg zur vom Bun­des­gericht angestrebten schweizweit­en Vere­in­heitlichung der Unterhaltsberechnung.

Ohne Weit­eres zuzus­tim­men ist dem Urteil, soweit es fes­thält, dass Kinder unver­heirateter Eltern bei alternieren­der Obhut Anspruch darauf haben, am Über­schuss bei­der Eltern­teile zu par­tizip­ieren. Dies im Unter­schied zu Kindern unver­heirateter Eltern, die unter der Alleinob­hut eines Eltern­teils ste­hen. Dies­falls par­tizip­ieren die Kinder einzig am Über­schuss des nich­tob­huts­berechti­gen Elternteils.

Betr­e­f­fend den Verteilschlüs­sel wäre es angesichts der in BGE 149 III 441 begrün­de­ten und in diesem Blog begrüssten Recht­sprechung kon­se­quent gewe­sen, den Über­schus­san­teil der Kinder für jeden Eltern­teil sep­a­rat zu berech­nen. Im genan­nten Leiturteil hielt das Bun­des­gericht für Kinder unver­heirateter Eltern, die unter der Alleinob­hut ste­hen, fest, dass für den unter­halt­sansprechen­den Eltern­teil kein virtueller Über­schus­san­teil auszuschei­den sei. Nach vor­liegen­der Ansicht scheint das auch bei alternieren­der Obhut nicht oppor­tun. Es ist generell darauf zu verzicht­en, virtuelle Über­schus­san­teile auszuschei­den. So wäre es auch im Rah­men ein­er Schei­dung für die Berech­nung des Über­schus­san­teils der Kinder angezeigt, ana­log BGE 149 III 441 vorzuge­hen, wenn der unter­halts­berechtigte Ehe­gat­te keinen Anspruch auf nachehe­lichen Unter­halt hat.

Dass Kinder unver­heirateter Eltern einen höheren Über­schus­san­teil erhal­ten als Kinder ver­heirateter Eltern, lässt sich sach­lich begrün­den, da der unter­halt­spflichtige Eltern­teil von Kindern unver­heirateten Eltern den Über­schuss einzig mit den Kindern und nicht noch mit dem anderen Eltern­teil zu teilen hat. Er ver­fügt damit über eine höhere Leis­tungs­fähigkeit, was die unter­schiedliche Berech­nung des Über­schus­san­teils recht­fer­tigt.