BGE 151 III 239: Betreibung einer unverteilten Erbschaft — Bezeichnung der Schuldnerin und Zustellung des Zahlungsbefehls

Das BGer gibt in diesem Entscheid einen hil­fre­ichen Überblick über einige Grund­sätze der Betrei­bung ein­er unverteil­ten Erbschaft:

Der Betrei­bung­sort ist grund­sät­zlich der let­zte Wohn­sitz des Erblassers. Lautet die Betrei­bung allerd­ings auf Ver­w­er­tung eines Grundp­fands, welch­es auf einem Nach­lass­grund­stück lastet, ist die Betrei­bung zwin­gend am Bele­gen­heit­sort einzuleit­en (Art. 49, Art. 51 Abs. 2 SchKG; E. 2.3).

Die Schuld­ner­in ist im Betrei­bungs­begehren ein­deutig als «Erb­schaft», «Erb­masse», «Nach­lass» oder «Hin­ter­lassen­schaft» zu beze­ich­nen, wobei die vor­liegend gewählte Beze­ich­nung der Schuld­ner­in als «Erbenge­mein­schaft des …» eben­falls genügt (E. 2.4.3, 2.4.4).

Soweit keine Erb­schaftsvertre­tung beze­ich­net ist, wählt die Gläu­bigerin (nicht das Betrei­bungsamt) in den Schranken des Rechtsmiss­brauchsver­bots, welchem Miter­ben der Zahlungs­be­fehl zugestellt wer­den soll (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Der betr­e­f­fende Miterbe gilt für das weit­ere Ver­fahren als Vertreter der Erb­schaft. Vor­liegend beze­ich­nete das Betrei­bungsamt den Vertreter der Erb­schaft, was man­gels Beschw­erde und angesichts des unbekan­nten Wohn­sitzes des Beschw­erde­führers nicht zu bean­standen war (E. 2.4.6, 2.4.7).

Sachver­halt

Die Gläu­bigerin leit­ete ein Betrei­bungs­begehren gegen die «unverteilte Erb­schaft des E.A. sel.» ein, wobei diese Beze­ich­nung hand­schriftlich in «Erbenge­mein­schaft des E.A. sel.» abgeän­dert wor­den war. Da die Gläu­bigerin keinen Zustel­lungsempfänger beze­ich­nete und lediglich die bei­den Söhne des Erblassers als «Erben» nan­nte, stellte das Betrei­bungsamt den Zahlungs­be­fehl gegen die «Erbenge­mein­schaft des E.A.» in der Folge dem Sohn B.A. zu und beze­ich­nete ihn als Vertreter der Erb­schaft. Mit dem Ver­merk «Zahlungs­be­fehl an Drit­teigen­tümer» stellte es den Zahlungs­be­fehl zudem dem zweit­en Sohn A.A. zu; wegen dessen unbekan­nten Wohn­sitzes erfol­gte die Zustel­lung durch öffentliche Bekan­nt­machung. Das Grund­stück wurde anschliessend öffentlich ver­steigert. Sowohl die Auf­sichts­be­hörde wie auch das BGer wiesen die von A.A. erhobene Beschw­erde gegen den Steigerungszuschlag ab.

Erwä­gun­gen

Zunächst erin­nert das BGer an einige Grund­sätze betr­e­f­fend die Betrei­bung ein­er unverteil­ten Erbschaft:

Die unverteilte Erb­schaft ist trotz fehlen­der Rechtsper­sön­lichkeit basierend auf Art. 49 SchKG parteifähig und kann betrieben wer­den. Die pas­sive Betrei­bungs­fähigkeit des Erb­schaftsver­mö­gens entspreche einem prak­tis­chen Bedürf­nis und biete der Gläu­bigerin gewisse Vorteile, ins­beson­dere wenn noch unklar sei, wer die Erben sind oder wenn die Erben im Aus­land wohnen (E. 2.1).

Der Betrei­bung­sort der unverteil­ten Erb­schaft ist grund­sät­zlich am let­zten Wohn­sitz des Erblassers (Art. 49 i.V.m. Art. 46 SchKG). Lautet die Betrei­bung allerd­ings auf Pfand­ver­w­er­tung betr­e­f­fend ein Nach­lass­grund­stück, ist diese zwin­gend am Bele­gen­heit­sort einzuleit­en (Art. 51 Abs. 2 SchKG).

Die Zustel­lung der Betrei­bung­surkun­den erfol­gt bei fehlen­der Erb­schaftsvertre­tung an einen Erben (Art. 65 Abs. 3 SchKG). Der Zahlungs­be­fehl ist selb­st dann gültig, wenn der Zustel­lungsempfänger seine Miter­ben nicht über die Betrei­bung benachrichtigt (!). Grund­sät­zlich obliegt die Wahl des Zustel­lungsempfängers bei fehlen­der Erb­schaftsvertre­tung der Gläu­bigerin (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Allerd­ings han­delt die Gläu­bigerin rechtsmiss­bräuch­lich, wenn sie weiss, dass ein bes­timmter Miterbe mit Sicher­heit Rechtsvorschlag erheben wird, und sie deswe­gen den Zahlungs­be­fehl an einen anderen Miter­ben zustellen lässt, von dem sie weiss, dass er keinen Rechtsvorschlag erheben wird (E. 2.2).

Zur Beze­ich­nung der Schuld­ner­in: Die Gläu­bigerin von Erb­schaftss­chulden kann auf­grund der sol­i­darischen Haf­tung der Erben wählen, ob sie einen einzi­gen, mehrere oder alle Miter­ben per­sön­lich ins Recht fassen, oder gegen die unverteilte Erb­schaft vorge­hen will (E. 2.4.2). Im Betrei­bungs­begehren ist die Schuld­ner­in genau zu beze­ich­nen: Sollen bes­timmte Erben per­sön­lich betrieben wer­den, sind sie einzeln mit ihrem Namen als Schuld­ner aufzuführen, sodass jedem von ihnen ein Zahlungs­be­fehl aus­gestellt wer­den kann. Soll die unverteilte Erb­schaft betrieben wer­den, sind gemäss BGer am besten fol­gende Schuld­ner­beze­ich­nun­gen zu wählen: «Erb­schaft», «Erb­masse», «Nach­lass», «Hin­ter­lassen­schaft». Ungenü­gend hinge­gen sei die Beze­ich­nung «gegen die Erben des X». Dies­falls hat das Betrei­bungsamt das Betrei­bungs­begehren zurück­zuweisen und eine genaue Erk­lärung darüber zu ver­lan­gen, wer konkret betrieben wer­den soll (Kreiss­chreiben Nr. 16 des BGer vom 3. April 1925; E. 2.4.3).

Der Begriff «Erbenge­mein­schaft des E.A.» beze­ich­net rechts­genüglich die unverteilte Erb­schaft als Schuldnerin 

Vor­liegend lautete die Beze­ich­nung der Schuld­ner­in auf «Erbenge­mein­schaft des E.A. sel.», wobei unklar war, von wem diese hand­schriftliche Kor­rek­tur stammte und wann diese vorgenom­men wurde. Mit diesem Begriff sei gemäss BGer objek­tiv betra­chtet die unverteilte Erb­schaft gemeint. Dies­bezüglich ver­weist das BGer allerd­ings auch auf kri­tis­che Stim­men in der Lehre (E. 2.4.4). Ausser­dem prüfte das BGer in einem näch­sten Schritt, ob der Zahlungs­be­fehl auf­grund ein­er unklaren Beze­ich­nung der Schuld­ner­in nichtig war, was allerd­ings eine tat­säch­liche Irreführung des Beschw­erde­führers voraus­set­zt. Das BGer verneinte eine tat­säch­liche Irreführung — und ver­wies dabei auf die Argu­men­ta­tion des Beschw­erde­führers, welch­er offen­bar von ein­er Betrei­bung der Erb­schaft aus­ging (E. 2.4.5). Vor diesem Hin­ter­grund ist deshalb aus Grün­den der Vor­sicht wohl den vom BGer aufgestell­ten Empfehlun­gen betr­e­f­fend die Beze­ich­nung der Schuld­ner­in zu folgen.

Das Betrei­bungsamt hat den Zahlungs­be­fehl zu Recht dem anderen Miter­ben zugestellt und ihn für die weit­eren Betrei­bung­shand­lun­gen als Vertreter der Erb­schaft betrachtet 

Vor­liegend beg­ing das Betrei­bungsamt gemäss Fest­stel­lun­gen des BGers zwar einige Fehler, welche jedoch ohne Kon­se­quen­zen geblieben sind: So sei es vom Betrei­bungsamt ver­fehlt gewe­sen, A.A. als «Drit­teigen­tümer» des Pfan­des zu beze­ich­nen. Ausser­dem wäre es nicht notwendig gewe­sen, A.A. den Zahlungs­be­fehl eben­falls zuzustellen. Den­noch sei nicht zweifel­haft gewe­sen, dass sich die Betrei­bung gegen die Erb­schaft gerichtet habe (E. 2.4.5).

Schliesslich brachte A.A. vor, dass ihm das Ver­w­er­tungs­begehren (Art. 120 SchKG) und die Spezialanzeige (Art. 156/139 SchKG) nicht recht­skon­form zugestellt wor­den sei. Auch dieses Argu­ment ver­warf das BGer: Zwar obliege die Wahl des Zustel­lungsempfängers der Gläu­bigerin und nicht dem Betrei­bungsamt (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Da die Gläu­bigerin vor­liegend keinen Zustel­lungsempfänger beze­ich­net hat­te und der Wohn­sitz von A.A. unbekan­nt war, sei es nicht zu bean­standen, dass das Betrei­bungsamt B.A. als Vertreter der Erb­schaft betra­chtet habe. Sämtliche Mit­teilun­gen und weit­eren Ver­fü­gun­gen seien somit rechts­gültig durch Zustel­lung an B.A. erfol­gt (E. 2.4.7).