6B_679/2009: Verwaltungsstrafrecht; Ruhen der Verjährung

Das Bun­des­gericht hat sich in einem Urteil vom 5. Novem­ber 2009 (6B_679/2009) mit der Son­der­regelung über das Ruhen der Ver­fol­gungsver­jährung in 11 Abs. 3 VStrR auseinan­derge­set­zt. Danach ruht die Ver­jährung bei Verge­hen und Übertre­tun­gen während der Dauer eines Einsprache‑, Beschw­erde- oder gerichtlichen Ver­fahrens über die Leis­tungs- oder Rück­leis­tungspflicht oder über eine andere nach dem einzel­nen Ver­wal­tungs­ge­setz zu beurteilende Vor­frage oder solange der Täter im Aus­land eine Frei­heitsstrafe verbüsst.

Ein Ein­sprachev­er­fahren über die Leis­tungspflicht etc. bewirkt allerd­ings nicht ohne weit­eres, son­dern nur dann ein Ruhen der Ver­jährung, so das Bun­des­gericht, wenn im Ein­sprachev­er­fahren auch eine Frage zu beurteilen ist, die strafrechtlich rel­e­vant und somit im Sinne von Art. 11 Abs. 3 VStrR als Vor­frage anzuse­hen ist (vgl. auch Urteil 6S.464/2004 vom 9. Mai 2005 E. 4).

3.2 […] Wird gegen die dies­bezügliche Ver­fü­gung der zuständi­gen Ver­wal­tungs­be­hörde ein Rechtsmit­tel erhoben, so ruht ab diesem Zeit­punkt die Ver­fol­gungsver­jährung während des Ein­sprachev­er­fahrens sowie während eines allen­falls daran anschliessenden Beschw­erde- und gerichtlichen Ver­fahrens bis zur Aus­fäl­lung eines recht­skräfti­gen Entschei­ds über die Leis­tungspflicht. Das Ruhen der Ver­jährung gemäss Art. 11 Abs. 3 VStrR gilt (altrechtlich) nicht nur für die rel­a­tive, son­dern auch für die absolute Ver­jährungs­frist (BGE 119 IV 330 E. 2c S. 335 mit Hinweisen).

Die Son­der­regelung gemäss Art. 11 Abs. 3 VStrR solle ver­hin­dern, dass Wider­hand­lun­gen ver­jähren, bevor über die für die strafrechtliche Beurteilung wesentliche Vor­frage der Leis­tungspflicht im Grund­satz und im Umfang recht­skräftig entsch­ieden wor­den ist. Die daraus resul­tierende Ver­längerung der Ver­jährungs­frist, die im konkreten Einzelfall unter Umstän­den mehrere Jahre betra­gen kann, sei vom Geset­zge­ber gewollt.

3.2 […] Schon vor der Schaf­fung des Bun­des­ge­set­zes über das Ver­wal­tungsstrafrecht entsch­ied das Bun­des­gericht, dass die strafrechtliche Ver­fol­gungsver­jährung während eines Beschw­erde­v­er­fahrens betr­e­f­fend die Leis­tungspflicht vernün­ftiger­weise ruhen muss (BGE 88 IV 87 E. 2 S. 91; siehe fern­er BGE 119 IV 330 E. 2d S. 336). Art. 11 Abs. 3 VStrR hat im Übri­gen, wie Art. 333 Abs. 6 lit. c StGB aus­drück­lich klarstellt, auch nach dem heute gel­tenden Ver­jährungsrecht weit­er­hin Bestand, obschon dieses im Unter­schied zum früheren, vor­liegend anwend­baren Recht anson­sten die Insti­tute des Ruhens und der Unter­brechung der Ver­jährung nicht mehr vor­sieht. […] In Bezug auf das Ruhen der Ver­jährung […] ist […] die Regelung in Art. 11 Abs. 3 VStrR abschliessend, da Art. 72 Ziff. 1 aSt­GB als einzi­gen Grund für das Ruhen der Ver­jährung die Ver­büs­sung ein­er Frei­heitsstrafe im Aus­land nan­nte, was Art. 11 Abs. 3 in fine VStrR entspricht.

Partei im betr­e­f­fend­en Ver­fahren war nicht der Beschw­erdegeg­n­er, son­dern ein Unternehmen, dessen Geschäfts­führer er war. Den­noch ruhte die Ver­jährung, entsch­ied das Bun­des­gericht, hin­sichtlich der dem Beschw­erdegeg­n­er zur Last gelegten Straftat­en gemäss Art. 11 Abs. 3 VStrR.

3.4 […] Nach der Recht­sprechung ruht die strafrechtliche Ver­fol­gungsver­jährung gegenüber allen Beteiligten, auch wenn nur ein­er von mehreren Beteiligten die Ver­fü­gung betr­e­f­fend die Leis­tungspflicht anficht (BGE 134 IV 328 E. 3 S. 332). Entsprechen­des gilt a for­tiori, wenn, wie im vor­liegen­den Fall, die eingeklagten Wider­hand­lun­gen vom Beschuldigten beim Besor­gen der Angele­gen­heit­en ein­er juris­tis­chen Per­son verübt wur­den (Art. 6 VStrR), welche die Ver­fü­gung betr­e­f­fend die Leis­tungspflicht als allein dazu Legit­imierte anficht.