In dem zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil 5A_882/2010 vom 16. März 2011 beschäftigt sich das Bundesgericht mit dem Umfang der in Art. 289 Abs. 2 ZGB vorgesehenen Legalzession von Unterhaltansprüchen von Kindern. Es hatte zu klären, ob nicht nur die Unterhaltsberechtigten die Schuldneranweisung gemäss Art. 291 ZGB verlangen können, sondern auch das bevorschussende und in den Unterhaltsanspruch subrogierende Gemeinwesen, sowie ob das Gemeinwesen die Schuldneranweisung für künftige, noch nicht fällige Unterhaltsbeiträge verlangen kann. Die Vorinstanz hatte die beiden Fragen verneint; die dagegen eingelegte Beschwerde wurde teilweise gutgeheissen und die Sache zur Neubeurteilung zurückgewiesen.
Zunächst hält das Bundesgericht fest, dass eine Schuldneranweisung als materielles Endurteil aufzufassen ist, bei dessen Prüfung es über volle rechtliche Kognition nach Art. 95 BGG verfügt, und nicht nur eine vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG darstellt, womit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte hätte geltend gemacht werden können:
1.2 […] In Frage steht die Vollstreckung von rechtskräftig festgesetzten Kinderunterhaltsbeiträgen. Darüber entscheidet das zuständige Gericht ohne Vorbehalt eines nachfolgenden Hauptverfahrens. Es besteht somit für das Bundesgericht nicht die Gefahr, allenfalls zweimal über dieselbe Frage befinden zu müssen (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4336 Ziff. 4.1.4.2). Die Schuldneranweisung tritt als privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme an die Stelle einer definitiven Rechtsöffnung mit nachfolgender Pfändung; Rechtsöffnung und Pfändung sind keine vorsorglichen Massnahmen (BGE 133 III 399 E. 1.5 S. 400 […]). […]
Im Hinblick auf die Problematik, ob einem Gemeinwesen die Aktivlegitimation zur Schuldneranweisung zuzusprechen ist, verweist das Bundesgericht darauf, dass sowohl der historische Gesetzgeber als auch die überwiegende Ansicht in der Literatur und die bisherige Rechtsprechung diese Frage bejahen (3.3). Es setzt sich aber auch mit der Kritik an der Zulassung der Schuldneranweisung zugunsten des Staates auseinander (3.4). Letztlich kommt es zu dem Schluss, dass im Rahmen von Art. 291 ZGB keine Gründe ersichtlich sind, dem subrogierenden Gemeinwesen die Schuldneranweisung in allgemeiner Weise zu versagen (3.5):
3.4 […] Es besteht kein Anlass, das Recht zur Schuldneranweisung als höchstpersönliches Nebenrecht der Unterhaltsforderung zu qualifizieren, welche nicht auf das Gemeinwesen übergeht. Es bestehen nämlich sachliche Gründe, dem Staat das Recht zur Schuldneranweisung zuzugestehen, auch wenn dies mit einer gewissen Zweckverlagerung dieses Instituts verbunden sein mag. Einerseits gehört die Alimentenbevorschussung für den Kindesunterhalt nach heutiger, weitverbreiteter Auffassung zu einem sachgerechten öffentlichen Sozialwesen (vgl. Art. 293 Abs. 2 ZGB; […]), auch wenn die Kantone frei sind, ob sie die Bevorschussung überhaupt vorsehen wollen und wie sie ein entsprechendes System ausgestalten (BGE 106 II 283 E. 3 S. 285 f.). Andererseits handelt es sich eben nur um eine Bevorschussung, d.h. die Ausgaben sollen nicht dauerhaft zulasten der öffentlichen Hand bzw. der Steuerzahler gehen, sondern vom Pflichtigen zurückgefordert werden […]. Dieser soll von seiner Nachlässigkeit nicht profitieren. Zum Zwecke dieses Regresses geht der Unterhaltsanspruch des Kindes auf das Gemeinwesen über (Art. 289 Abs. 2 ZGB). Es ist dabei der Einrichtung der Alimentenbevorschussung und damit dem Anliegen des Reformgesetzgebers, in der Versorgung des Kindes möglichst keine Lücken entstehen zu lassen […], förderlich, wenn dem Gemeinwesen dieselben Inkassomöglichkeiten zustehen wie dem Kind […]. Insofern erscheint es angebracht, dem Gemeinwesen die der Schuldneranweisung zugeschriebenen Vorteile (etwa Zeit- und Kostenersparnis gegenüber einem Betreibungsverfahren; […]) ebenfalls zukommen zu lassen. […]
Schliesslich war zu klären, ob ein Gemeinwesen die Schuldneranweisung für künftige, noch nicht fällige Unterhaltsbeiträge einfordern kann. Dabei ist laut Bundesgericht zu beachten, dass die Anweisung während des Zeitraums, für den sie angeordnet wird, auch zukünftige Leistungen umfasst und daher nicht — wie die Schuldbetreibung — für jede fällige Leistung wieder neu eingeleitet werden muss. Andernfalls würde das Institut der Schuldneranweisung hinsichtlich der Sicherung des laufenden Unterhalts seines Sinngehalts beraubt. Die in die Zukunft gerichtete Anweisung bezieht sich demnach auf den jeweils fällig werdenden Betrag:
3.8 […] Der Rechtsübergang umfasst mehr als die einzelne, periodisch fällig werdende Unterhaltsforderung. Vielmehr sollen dem subrogierenden Gemeinwesen grundsätzlich dieselben Rechte zustehen wie dem unterhaltsberechtigten Kind. Ausgeschlossen vom Übergang sind einzig höchstpersönliche Rechte, also Rechte, die an die Person des Berechtigten gebunden sind (BGE 106 III 18 E. 2 S. 20). Dass das Recht zur Schuldneranweisung nicht höchstpersönlicher Natur ist, wurde bereits gesagt (oben E. 3.4). […] Mit Haffter, a.a.O., S. 213 f., mag man als Gegenstand der Subrogation gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB folglich das Stammrecht auf Unterhalt und nicht die einzelne Beitragsforderung bezeichnen, wobei zu präzisieren ist, dass sich der Übergang einzig auf den in Form einer Geldzahlung zu erfüllenden Unterhaltsanspruch bezieht. Geht der Anspruch somit insgesamt über, soweit er vom Gemeinwesen tatsächlich anstelle des Pflichtigen erfüllt wird, so ist nur konsequent, wenn dem Gemeinwesen auch das Recht zusteht, die Schuldneranweisung mit Wirkung für die Zukunft zu verlangen, in derselben Weise wie dieses Recht auch dem unterhaltsberechtigten Kind zustand (Haffter, a.a.O., S. 214). Zum selben Ergebnis führt die dogmatische Konstruktion, dass die Legalzession nicht nur den einzelnen fällig gewordenen und bevorschussten Betrag umfasst, sondern den Anspruch auf alle während der Dauer der bewilligten Bevorschussung fällig werdenden Beträge (Hegnauer, ZVW 1991 S. 68). So wie künftige Forderungen rechtsgeschäftlich abgetreten werden können (BGE 113 II 163), können sie auch Gegenstand einer Legalzession sein. Wenn aber die künftigen Unterhaltsbeiträge Gegenstand der Subrogation sind, ist nur folgerichtig, dass dem Gemeinwesen auch die Schuldneranweisung für diese Beiträge offen steht. Anders entscheiden hiesse überdies, die Subrogation gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB im Zusammenhang mit der Schuldneranweisung nach Art. 291 ZGB zumindest eines grossen Teils ihres praktischen Zwecks zu berauben. […]