2C_1008/2012: Täuschungsverbot i.S.v. EMKG 6; Anwendung lauterkeits- und markenrechtlicher Grundsätze

Die Beze­ich­nung ““Bilder­rah­men, sil­ber, Alu­mini­um, reflexfreies Glas” für Bilder­rah­men aus Alu­mini­um ist nicht irreführend. So beze­ich­nete Bilder­rah­men dür­fen, ent­ge­gen ein­er Ver­fü­gung der Eid­genös­sis­chen Zol­lver­wal­tung nach EMKG 20, in die Schweiz einge­führt wer­den. Namentlich ver­stösst diese Beze­ich­nung nicht gegen das Täuschungsver­bot von EMKG 6.

Das BGer hält dabei zunächst fest, dass lauterkeits- und marken­rechtliche Gesicht­spunk­te bei der Beurteilung eines möglichen Ver­stoss­es gegen EMKG 6 auf­grund der ver­gle­ich­baren Zielset­zung der Geset­ze und ihrer kumu­la­tiv­en Anwend­barkeit zu berück­sichti­gen sind. Dabei sei wie fol­gt vorzugehen:

2.5 Die Gefahr der Täuschung und Irreführung (Ver­wech­slung), welch­er der Geset­zge­ber mit dem Ver­bot unzuläs­siger Beze­ich­nun­gen begeg­net, kann in zwei Gesicht­spunk­te zer­legt wer­den. Die objek­tive Kom­po­nente (unzutr­e­f­fende Waren­beze­ich­nung) ist anhand der tat­säch­lichen Warenbeschrei­bung unter Würdi­gung der gesamten Umstände zu beurteilen. In einem zweit­en Schritt bleibt zu unter­suchen, ob die als unzutr­e­f­fend erkan­nte Waren­beze­ich­nung geeignet ist, den mass­geben­den Per­so­n­enkreis zu gefährden (sub­jek­tive Kom­po­nente). Hin­re­ichend ist von Geset­zes wegen die abstrak­te Gefahr der Täuschung oder Irreführung, die in der “Eig­nung zur Täuschung” beste­ht […] Bei Gütern des all­ge­meinen Bedarfs stellt sich ins­beson­dere die Frage, auf welche Weise der mass­gebende Per­so­n­enkreis bei der von ihr vernün­ftiger­weise zu erwartenden Aufmerk­samkeit die Beschrei­bung wahrnimmt […]

3.3 Im Ein­klang mit dem ähn­lich gelagerten Wet­tbe­werbs- und Marken­schutzrecht ruft die Ein­schätzung der irreführen­den Beze­ich­nung nach ein­er Würdi­gung der gesamten Umstände […]

Der konkrete Fall betraf sil­ber­far­bene Bilder­rah­men ohne Sil­berge­halt mit einem Verkauf­spreis von CHF 17.90. Das BGer kam daher und in Anwen­dung der genan­nten Grund­sätze zu fol­gen­dem Ergebnis:

Wer allerd­ings einen sil­ber­nen oder zumin­d­est ver­sil­berten Bilder­rah­men wün­scht, wird mit Bedacht vorge­hen und gezielt danach suchen. Bei einem Verkauf­spreis von unter 20 Franken (für eines der grösseren For­mate) sind die Bilder­rah­mens des Typs “[…]” über­aus erschwinglich und kön­nen nicht dem Hoch­preis­seg­ment zugerech­net wer­den. Der Hin­weis “sil­ber”, “argen­té” bzw. “argen­to” ist recht diskret auf dem Ein­lage­blatt ange­bracht. Auf dem Preiss­child und dem Rah­men fehlt eine solche Beze­ich­nung. Inwiefern das Pub­likum der Beze­ich­nung unter diesen tat­säch­lichen Umstän­den über­haupt wahrn­immt und Aufmerk­samkeit schenkt, ist denn auch offen, hier aber nicht zu beant­worten, nach­dem die abstrak­te Eig­nung zur Täuschung als aus­re­ichend zu betra­cht­en wäre. An dieser Eigen­schaft fehlt es hier allerd­ings: Im Gesamtzusam­men­hang — üblich­er Ver­wen­dungszweck, Art der Ver­pack­ung, Preis­gestal­tung, Erschei­n­ungs­bild — kann kein ern­sthafter Anlass zur Annahme beste­hen, die Waren­beze­ich­nung sei geeignet, in Verbindung mit dem sil­ber­far­be­nen Ton der Ware eine Täuschung oder Irreführung über die Beschaf­fen­heit her­beizuführen.

Das BGer weist fern­er auf zwei ältere unpub­lizierte Urteile hin, die Ähn­lichkeit mit dem vor­liegen­den Fall haben:

  • Urteil A.94/1980: “plat­in­vere­delte” Rasierklin­gen, bei welchen nur die Schnei­d­kante pla­tiniert ist, nicht aber der Rest der Klinge: nicht irreführend, da es bei Rasierklin­gen nur um Verbesserung der Funk­tion gehen kann, nicht um Wertanlage; 
  • Urteil A.458/1985: Brief­marken mit der Beze­ich­nung “23 Karat Gold”: Irreführend, mit Blick auf Phi­lat­e­lis­ten und den Han­del, weil Händler und Samm­ler im Bere­ich der Brief­marken dur­chaus auch finanzielle Inter­essen verfolgen.