4A_28/2013: Die Nichtigkeit der Klagebewilligung kann in der Klageantwort geltend gemacht werden (amtl. Publ.)

Ein Arbeit­nehmer wurde frist­los ent­lassen. Er reichte deshalb beim “Tri­bunal d’ar­rondisse­ment de la Côte” im Kan­ton Waadt das Schlich­tungs­ge­such ein. Die Schlich­tungsver­hand­lung fand am 20. Dezem­ber 2011 vor dem Gericht­spräsi­den­ten statt. Erschienen war lediglich der Arbeit­nehmer. Die Arbeit­ge­berin war nicht erschienen. Der Gericht­spräsi­dent erteilte deshalb noch am gle­ichen Tag die Klage­be­wil­li­gung, wobei das Rechts­begehren auf eine Klage­forderung im Betrag von CHF 190’141 gerichtet war.

In der Folge reichte der Arbeit­nehmer frist­gerecht die Klage ein. Im Rechts­begehren ver­langte er CHF 127’652.50 sowie die Ausstel­lung eines Arbeit­szeug­niss­es. In der Klageant­wort machte darauf die Arbeit­ge­berin gel­tend, auf die Klage könne nicht einge­treten wer­den, da die Klage­be­wil­li­gung von ein­er unzuständi­gen Schlich­tungs­be­hörde erteilt wor­den sei. Gemäss dem kan­tonalen Recht des Kan­tons Waadt ist der Gericht­spräsi­dent nur bis zu einem Stre­itwert von CHF 100’000 zur Durch­führung des Schlich­tungsver­fahrens funk­tionell zuständig.

Die kan­tonalen Instanzen lehn­ten diesen Ein­wand ab. Die erste Instanz argu­men­tierte, die Arbeit­ge­berin habe sich auf das Schlich­tungsver­fahren vor der unzuständi­gen Schlich­tungs­be­hörde ein­ge­lassen, indem sie nicht an der Schlich­tungsver­hand­lung erschienen sei. Die zweite Instanz erwog, die Arbeit­ge­berin habe kein Rechtsmit­tel gegen die Klage­be­wil­li­gung ergrif­f­en, weshalb sie im ordentlichen Klagev­er­fahren mit dem Ein­wand, die Klage­be­wil­li­gung sei von der unzuständi­gen Schlich­tungs­be­hörde erteilt wor­den, aus­geschlossen sei.

Das Bun­des­gericht hob den vorin­stan­zlichen Entscheid auf. Zunächst stellte das Gericht fest, dass ein Zwis­ch­enentscheid im Sinne von Art. 92 Abs. 1 BGG ange­focht­en wurde. Die Beschw­erde ans Bun­des­gericht war deshalb sofort zuläs­sig (BGer. 4A_28/2013 vom 3. Juni 2013, E. 1.1). Danach erin­nerte das Bun­des­gericht an den Grund­satz, wonach Recht­sak­te von ein­er unzuständi­gen Behörde nichtig sind (E. 2.1). Da der Gericht­spräsi­dent gestützt auf das kan­tonale Recht nicht zur Erteilung der Klage­be­wil­li­gung zuständig gewe­sen sei, könne die Klage­be­wil­li­gung keine Wirkun­gen ent­fal­ten. Die ein­gere­ichte Klage war deshalb man­gels Vor­liegens ein­er Prozessvo­raus­set­zung unzuläs­sig (E. 2.1 und 2.2).

Bezüglich der Erwä­gung, die Arbeit­ge­berin hätte ein Rechtsmit­tel gegen die Klage­be­wil­li­gung ergreifen müssen, hielt das Bun­des­gericht fest, dass die Klage­be­wil­li­gung keine anfecht­bare Entschei­dung im Sinne von Art. 308 und 319 lit. a ZPO sei. Die Schlich­tungs­be­hörde sei überdies keine Gerichts­be­hörde. Fol­glich sei der Arbeit­ge­berin der Rechtsmit­tel­weg nicht offen ges­tanden. Rechtsmiss­brauch könne ihr nicht vorge­wor­fen wer­den, da sie ihren Ein­wand im ordentlichen Klagev­er­fahren sogle­ich mit der Klageant­wort erhoben habe (E. 2.3).