4A_740/2012: Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines belgischen Urteils betreffend Sabena (amtl. Publ.)

In Bel­gien ist ein Haftpflicht­prozess hängig, der zum Gegen­stand hat, ob die SAir­Group und die SAir­Lines (bei­de in Nach­lass-Liq­ui­da­tion) gegenüber der in Konkurs ger­ate­nen Luft­fahrt­ge­sellschaft Sabena SA schaden­er­satzpflichtig sind. Der Cour d’ap­pel de Brux­elles fällte einen Vorentscheid, gemäss dem die SAir­Group und die SAir­Lines in Liq­ui­da­tion sol­i­darisch verurteilt wur­den, der Sabena-Konkurs­masse den Betrag von EUR 18’290’800.60 zu bezahlen (nach­fol­gend “bel­gis­ches Urteil”).

Die schweiz­erische IPRG-Konkurs­masse der bel­gis­chen Luft­fahrt­ge­sellschaft Sabena SA (masse en fail­lite ancil­laire de Sabena SA) beantragte beim Einzel­richter des Bezirks­gerichts Zürich, das bel­gis­che Urteil sei gestützt auf das LugÜ anzuerken­nen und für voll­streck­bar zu erk­lären. Der Einzel­richter erk­lärte eine Dis­pos­i­tivz­if­fer des bel­gis­chen Urteils für voll­streck­bar. Das Oberg­ericht Zürich bestätigte den Entscheid und anerkan­nte zusät­zlich noch zwei andere Dis­pos­i­tivz­if­fern. Das Bun­des­gericht hob den oberg­erichtlichen Entscheid indessen auf und wies das Gesuch um Anerken­nung und Voll­streck­bar­erk­lärung ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil 4A_740/2012 vom 8. Mai 2014, E. 11).

Das Bun­des­gericht hat­te die Frage zu beant­worten, ob die vor­liegende Stre­it­igkeit in den sach­lichen Anwen­dungs­bere­ich des LugÜ fällt. Konkurse, Ver­gle­iche und ähn­liche Ver­fahren sind gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ vom Anwen­dungs­bere­ich des Übereinkom­mens ausgenom­men (E. 5). Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, das bel­gis­che Urteil falle auf­grund dieser Bes­tim­mung nicht in den sach­lichen Anwen­dungs­bere­ich des LugÜ (E. 10).

Entschei­dend war der Umstand, dass die Sabena ihre Ansprüche in Bel­gien erst­mals zu einem Zeit­punkt gel­tend machte, als sich die SAir­Group und die SAir­Lines bere­its in einem schweiz­erischen Nach­lassver­fahren befan­den, wobei das Bun­des­gericht auf die Nach­lassstun­dung und nicht erst die Bestä­ti­gung der Liq­ui­da­tionsver­gle­iche abstellte (E. 9.2). Gemäss Bun­des­gericht kon­nte deshalb für die Sabena im Zeit­punkt der Anhängig­machung ihres Begehrens keinen Zweifel daran bestanden haben, dass sie ein bel­gis­ches Urteil auss­chliesslich im Nach­lassver­fahren über die SAir­Group und die SAir­Lines voll­streck­en kann (E. 9.3). Das Klageziel habe für die Sabena nur darin bestanden, statt im Kol­loka­tionsver­fahren am schweiz­erischen Voll­streck­ung­sort in einem Zivil­ver­fahren vor bel­gis­chen Gericht­en zu prozessieren (E. 9.3 und 9.4). Auf­grund dieses funk­tionalen Zusam­men­hangs zwis­chen der bel­gis­chen Zivilk­lage und dem schweiz­erischen Nach­lassver­fahren fiel die Stre­it­sache nicht unter das LugÜ (E. 9.4).

Welche Wirkun­gen ein aus­ländis­ches Zivil­urteil gegenüber ein­er Konkurs­masse in der Schweiz respek­tive den anderen Gläu­bigern im All­ge­meinen ent­fal­tet, das im schweiz­erischen Kol­loka­tion­sprozess vorgelegt wird, liess das Bun­des­gericht nach aus­führlichen Erwä­gun­gen aus­drück­lich offen (vgl. E. 6–8).