Im zur Publikation vorgesehenen Urteil 2C_477/2012 vom 7. Juli 2014 befasst sich das BGer mit der Frage, ob Medikamentenversandverträge zwischen Ärzten des Kantons Zürich (ohne Bewilligung zur Abgabe von Arzneimitteln) und der Online- und Versandapotheke ‘Zur Rose AG’ aus dem Kanton Thurgau zulässig sind. Mit einem Schreiben aus dem Jahr 2006 richtete sich die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich an die Ärzte aus Zürich und Winterthur und teilte ihnen mit, dass das zwischen ihnen und der ‘Zur Rose AG’ praktizierte Konzept des Arzneimittelversands rechtswidrig sei. Die Gesundheitsdirektion führte aus, dass das Vorgehen eine Medikamentenabgabe darstelle, bewilligungspflichtig sei und gegen heilmittelrechtliche Bestimmungen des Bundes verstosse. Auf Gesuch von A. (Inhaber einer ärztlichen Praxis in Zürich) und der ‘Zur Rose AG’ hin erliess die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich eine Feststellungsverfügung mit folgendem Inhalt:
- Es ist rechtswidrig, Sendungen, die Arzneimittel enthalten, in der ärztlichen Praxis zu empfangen und an Patienten weiterzuleiten;
- Es ist rechtswidrig, wenn Ärzte Rezeptinformationen an die ‘Zur Rose AG’ übermitteln, welche die Arzneimittel sodann direkt an die Patienten zustellt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ärzte für ihren Aufwand im Zusammenhang mit dem Erfassen und Übermitteln der Rezeptinformationen von der ‘Zur Rose AG’ eine Entschädigung pro Rezeptzeile entgegennehmen;
- Es ist nicht rechtswidrig, wenn Ärzte, die über eine Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke verfügen, Rezeptinformationen elektronisch erfassen und an die ‘Zur Rose AG’ weiterleiten.
Gegen die Feststellungsverfügung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich erhoben A. und die ‘Zur Rose AG’ Beschwerde beim Regierungsrat. Nachdem die Beschwerde vom Regierungsrat und vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich abgewiesen wurde, gelangten die Beschwerdeführer an das BGer, welches die Beschwerde ebenfalls abweist.
Das BGer prüft zunächst, ob eine Bewilligungspflicht für Ärzte besteht, die mit der ‘Zur Rose AG’ zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang führt das Gericht aus, dass der Versandhandel mit Medikamenten eine besondere Form der Medikamentenabgabe darstelle und im Grundsatz untersagt sei, aber ausnahmsweise bewilligt werden könne, wenn eine Detailhandelsbewilligung vorliege und zusätzliche Erfordernisse der Qualitätskontrolle erfüllt würden. Und weiter:
Bei der für die Medikamentenabgabe erforderlichen Detailhandelsbewilligung handelt es sich um eine Betriebsbewilligung, die namentlich die sachlichen und personellen Anforderungen für den Betrieb der Abgabestelle festlegt […]. Hinsichtlich der Bewilligungspflicht im Detailhandel unterscheidet der Kanton Zürich zwischen öffentlichen Apotheken (§ 23 Abs. 2 lit. a HMV/ZH) und Privatapotheken (§ 23 Abs. 2 lit. b HMW/ZH). Bei Ersteren handelt es sich um sog. Offizinapotheken, d.h. öffentlichen, allen Personen zugängliche Apotheken. Zu den Privatapotheken gehören die Spitalapotheken und die Apotheken jener Ärztinnen und Ärzte, die in Selbstdispensation Medikamente abgeben dürfen. Zu den Privatapotheken haben nur Kunden jener Medizinalpersonen Zugang, welche die Privatapotheken führen […] (E. 3.4.).
Da der Arzt den Patienten in casu von der elektronischen Übermittlung der Rezepte bis hin zur Zustellung der Ware berate und aufkläre, und sich das Handeln der ‘Zur Rose AG’ auf das Zustellen der Arzneimittel beschränke, könne der Arzt nicht als “mit bestimmten Hilfsaufgaben betrauter” Postbote oder als eine zufällig gewählte Hilfsperson zum Medikamentenversand bezeichnet werden. Da die personelle Trennung von Verschreibung und Abgabe der Arzneimittel im vorliegenden Geschäftsmodell durchbrochen werde, sei der Versandhandel ohne Detailhandelsbewilligung des Arztes bundesrechtswidrig (Art. 26 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 HMG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 lit. b und Art. 25 HMG).
Sodann widmet sich das BGer der Frage, ob die vorgesehenen Entschädigungen zulässig sind und das Geschäftsmodell bewilligt werden kann. Gemäss Art. 33 Abs. 1 HMG dürften Personen, welche Arzneimittel verschreiben oder abgeben, und Organisationen, die solche Personen beschäftigen, für die Verschreibung oder die Abgabe geldwerte Vorteile weder gewährt noch angeboten noch versprochen werden:
[…] vor dem Zweck der Bestimmung ist indes davon auszugehen, dass eine Vorteilsgewährung bereits dann einen ausreichenden Zusammenhang mit der Arzneimittelverschreibung bzw. ‑abgabe hat, wenn sie geeignet ist, das Verhalten der mit der Verschreibung oder Abgabe betrauten Fachperson im Sinne einer Absatzförderung zu beeinflussen, mithin potenziell einen finanziellen Anreiz zur Mengenausweitung schafft […]. Hingegen ist nicht erforderlich, dass die angebotenen Vorteile den Absatz tatsächlich steigern. Heranzuziehen ist dabei ein objektiver Massstab: Ausschlaggebend für die Beurteilung einer unzulässigen Mengenausweitung ist nicht die subjektive Einschätzung der Fachperson, ob sie sich angesichts der angebotenen Vorteile in der Verschreibung oder der Abgabe potenziell beeinflusst sieht, sondern vielmehr, ob die Vorteile bei objektiver Betrachtung als geeignet erscheinen, einen therapiefremden Anreiz zu liefern […] (E. 5.2.3.).
Zum einen sei die sich aus dem Geschäftsmodell ergebende enge wirtschaftliche Beziehung zwischen Abgabe- bzw. Verschreibungsverhalten des Arztes und bezogener Vergütung geeignet, den Anreiz für eine therapiefremde Mengenausweitung zu schaffen. Zum anderen würden die ausgerichteten Entschädigungen weder durch ausgewiesene zusätzliche Tätigkeiten des Arztes noch durch sonstige Aufwendungen zum Ausgleich gebracht. Sie stellten deshalb einen geldwerten Vorteil dar, der nicht mit Art. 33 HMG vereinbart werden könne. Konsequenterweise könne deshalb auch das Geschäftsmodell nicht bewilligt werden.