4A_203/2014: Korruptionsvorwürfe gegen ausländische Richter dürfen nicht erst im schweizerischen Exequaturverfahren erhoben werden (amtl. Publ.)

Die OAO B. ist eine Ver­sicherungs­ge­sellschaft mit Sitz in Moskau. Sie schloss mit der A. Ltd., deren Sitz sich in Zürich befind­et, einen Rück­ver­sicherungsver­trag betr­e­f­fend die Ver­sicherung ver­schieden­er Wasserkraftwerke und ander­er Gebäude ab. Nach­dem sich ein Unfall in einem ver­sicherten Wasserkraftwerk ereignet hat­te, klagte die OAO B. gegen die A. Ltd. beim Arbi­tragegericht der Stadt Moskau (ein staatlich­es Han­dels­gericht) auf Leis­tung der Ver­sicherungsleis­tun­gen. Die A. Ltd. ver­lor den rus­sis­chen Prozess über alle Instanzen. In der Folge gelangte die OAO B. ans Bezirks­gericht Zürich und beantragte die Voll­streck­bar­erk­lärung des rus­sis­chen Entschei­ds gegen die A. Ltd.

Die A. Ltd. machte vor den schweiz­erischen Gericht­en verge­blich gel­tend, die rus­sis­chen Richter seien bestochen gewe­sen, wom­it die Entschei­dung unter Ver­let­zung wesentlich­er Grund­sätze des schweiz­erischen Ver­fahren­srechts gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG zus­tande gekom­men sei und ihre Anerken­nung gegen den formellen Ordre pub­lic ver­stossen würde (Urteil 4A_203/2014 vom 9. April 2015, E. 3.2).  

Das Bun­des­gericht hielt fest, unter den konkreten Umstän­den wider­spreche es dem Gebot von Treu und Glauben sowie dem Rechtsmiss­brauchsver­bot, wenn die A. Ltd. die Bestechungsvor­würfe gegen die rus­sis­chen Gerichte erst­mals im schweiz­erischen Exe­quaturver­fahren erhebe (E. 5.1).

Gemäss ständi­ger Recht­sprechung müssten formelle Rügen so früh wie möglich gel­tend gemacht wer­den, wobei das Gebot von Treu und Glauben und das Rechtsmiss­brauchsver­bot auch in gren­züber­schre­i­t­en­den Ver­hält­nis­sen gel­ten wür­den (E. 5.2).

Die Kor­rup­tionsvor­würfe gin­gen gemäss Bun­des­gericht nicht über vage Indizien hin­aus und die A. Ltd. sel­ber habe mit der OAO B. eine Gerichts­stand­sklausel zugun­sten der rus­sis­chen Gerichte vere­in­bart. Die A. Ltd. habe überdies im rus­sis­chen Ver­fahren bewusst darauf verzichtet, ihren Bestechungsver­dacht zu äussern und prozes­suale Mit­tel zu ergreifen. Für das Bun­des­gericht war nicht nachvol­lziehbar, weshalb die A. Ltd. den rus­sis­chen Rechtsmit­tel­weg über mehrere Instanzen hin­weg beschritt, wenn dies nach ihrer eige­nen Sach­darstel­lung auf­grund der mut­masslich bestoch­enen Richter von vorn­here­in aus­sicht­s­los erschien (vgl. zum Ganzen E. 5.3.2 und 5.3.3). Der rus­sis­che Entscheid war damit in der Schweiz vollstreckbar.