2C_1176/2013: Bei behördlichen Abschussanordnungen gestützt auf das Jagdgesetz handelt es sich um Verfügungen, unabhängig davon, ob sie sich an Private oder an eine Verwaltungseinheit richten (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 17. April 2015 liess sich das BGer zur Frage vernehmen, ob Abschus­sanord­nun­gen gestützt auf Art. 12 JSG (Jagdge­setz, SR 922.0) als Ver­fü­gun­gen zu qual­i­fizieren sind, gegen welche das Ver­bands­beschw­erderecht ergrif­f­en wer­den kann. Auf Gesuch des Schweiz­er Vogelschutzes SVS/Bird Life (SVS) ver­fügte das Jagdin­spek­torat des Kan­tons Bern (JI), dass die Anord­nung ad hoc getrof­fen­er Einzel­mass­nah­men gemäss Art. 12 Abs. 2 JSG gegen geschützte, schaden­s­tif­tende Voge­larten nicht zu eröff­nen ist, solange eine Gren­ze von 10% der lokalen Pop­u­la­tion nicht über­schrit­ten wird. Diese Ver­fü­gung focht der SVS in let­zter Instanz beim BGer an, welch­es die Beschw­erde gutheisst.

Zunächst äussert sich das BGer zum in Art. 12 Abs. 1 lit. b NHG (Bun­des­ge­setz über den Natur-und Heimatschutz, SR 451) normierten Ver­bands­beschw­erderecht, das sich gegen Ver­fü­gun­gen richtet:

Als Ver­fü­gun­gen gel­ten autori­ta­tive, ein­seit­ige, indi­vidu­ell-konkrete Anord­nun­gen der Behörde, die in Anwen­dung von Ver­wal­tungsrecht ergan­gen, auf Rechtswirkun­gen aus­gerichtet sowie verbindlich und erzwing­bar sind […]. Um als Ver­fü­gung und dem­nach als Anfech­tung­sob­jekt des Ver­bands­beschw­erderechts zu gel­ten, muss der ange­focht­ene Akt ins­beson­dere die Regelung von Recht­en und Pflicht­en zum Gegen­stand haben […]. Vorhaben, welche das Ver­bands­beschw­erderecht aus­lösen, sind hin­re­ichend präzis zu pub­lizieren oder schriftlich zu eröff­nen, anson­sten die Ver­wirk­lichung von Bun­desrecht vere­it­elt wird […] (E. 3.1.).

Das BGer präzisiert sodann, dass die rechtliche Qual­i­fika­tion ein­er behördlichen Anord­nung, die den Abschuss von Tieren ein­er geschützten Art erlaubt, nicht davon abhän­gen könne, ob sie sich an Pri­vate oder an eine nach­ge­ord­nete Ver­wal­tung­sein­heit richte. Sofern die Ver­wal­tung über die (Nicht-) Anwend­barkeit ein­er Recht­sregel für sich selb­st befinde, erlasse sie nicht bloss eine interne Anweisung, son­dern eine anfecht­bare Ver­fü­gung. Zudem hänge die Qual­i­fika­tion als Ver­fü­gung nicht von quan­ti­ta­tiv­en Kri­te­rien ab, denn das liesse sich sach­lich nicht begrün­den und wäre nicht prak­tik­a­bel. Behördliche Abschus­sanord­nun­gen gestützt auf Art. 12 JSG seien daher als Ver­fü­gun­gen zu ver­ste­hen, welche mit Ver­bands­beschw­erde ange­focht­en wer­den könnten. 

Schliesslich unter­mauert das BGer seine Ansicht mit der Aarhus-Kon­ven­tion (Übereinkom­men über den Zugang zu Infor­ma­tio­nen, die Öffentlichkeits­beteili­gung an Entschei­dungsver­fahren und den Zugang zu Gericht­en in Umweltan­gele­gen­heit­en, SR 0.814.07). Gemäss der Aarhus-Kon­ven­tion hät­ten die Ver­tragsstaat­en sicherzustellen, dass von Pri­vat­per­so­n­en und Behör­den vorgenommene Hand­lun­gen und began­gene Unter­las­sun­gen gerichtlich ange­focht­en wer­den kön­nten. Obwohl die Schweiz die Aarhus-Kon­ven­tion zum Zeit­punkt des vorin­stan­zlichen Entschei­ds noch nicht rat­i­fiziert habe, sei das Abkom­men als verpflich­t­en­der Leitgedanke oder Inter­pre­ta­tion­s­maxime für das inner­staatliche Recht zu berück­sichti­gen. Dies umso mehr, als das Wiener Übereinkom­men vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK, SR 0.111) für das Sta­di­um zwis­chen Unterze­ich­nung und Rat­i­fika­tion eine Unter­las­sungspflicht für Hand­lun­gen begrün­det, welche eine Ver­wirk­lichung des mit dem Ver­trag anzus­treben­den Ziels oder Zwecks vere­it­eln würden.