6B_1025/2015: Verhältnismässigkeit einer Nachfahrkontrolle (amtl. Publ.)

Ein Fahrzeugführer wurde erst mit seinem Per­so­n­en­wa­gen von der Polizei geblitzt und ist dann mit sein­er Beschw­erde vor dem Bun­des­gericht abgeblitzt (6B_1025/2015 vom 4. Novem­ber 2015; für die AS vorge­se­hen). Er hat­te gerügt, dass ein ziviles Polizeifahrzeug während der ihm gel­tenden Nach­fahrfahrkon­trolle wed­er mit Blaulicht noch mit Sirene unter­wegs gewe­sen sei, als es einen Liefer­wa­gen rechts über­holte. Dieses Ver­hal­ten stelle eine grobe Verkehrsregelver­let­zung dar und ste­he in keinem angemesse­nen Ver­hält­nis zum angestrebten Zweck der Iden­ti­fika­tion des fehlbaren Lenkers. Die Videoaufze­ich­nung sei fol­glich in straf­bar­er Weise erhoben wor­den und könne gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO nicht als Beweis­mit­tel ver­w­ertet werden. 

Das Bun­des­gericht kam in diesem Fall in Übere­in­stim­mung mit einem jün­geren Urteil (6B_694/2011 vom 23. Jan­u­ar 2012) zu dem Schluss, dass das fragliche Fahrmanöver der Polizeibeamten im Rah­men der geset­zlich vorge­se­henen Nach­fahrkon­trolle erlaubt war, weil es ver­hält­nis­mäs­sig war im Sinne von §§ 8 Abs. 3 und 10 PolG/ZH sowie Art. 14 StGB. Die Beamten erhoben die als Beweis dienende Videoaufze­ich­nung somit nicht im Sinne von Art. 141 Abs. 2 StPO in straf­bar­er Weise.

Das vom Beschw­erde­führer gerügte Über­hol­manöver der Polizeibeamten erfol­gte nicht vor, son­dern erst während der Nach­fahrkon­trolle, bei welch­er die Polizeibeamten die Fahrweise des Beschw­erde­führers per Video aufze­ich­neten. Die geset­zliche Grund­lage für die Nach­fahrkon­trolle find­et sich in ver­schiede­nen Bes­tim­mungen der Strassen­verkehrskon­trol­lverord­nung (SKV) und der zuge­höri­gen ASTRA-Verord­nung (VSKV-ASTRA) ein­er­seits sowie im Polizeige­setz des Kan­tons Zürich (PolG/ZH) andererseits.

Die Regelung des § 8 Abs. 3 PolG/ZH entspricht im Wesentlichen Art. 14 StGB. Danach ver­hält sich recht­mäs­sig, wer han­delt, wie es das Gesetz gebi­etet oder erlaubt, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedro­ht ist.

Nach der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts kön­nen sich Polizeibeamte, die bei der Erfül­lung ihrer Auf­gaben Rechtsver­let­zun­gen bege­hen, allerd­ings nicht auf Art. 14 StGB berufen, wenn ihr Han­deln unver­hält­nis­mäs­sig ist. Das Han­deln der Polizeibeamten muss mit andern Worten zur Erre­ichung des angestrebten Ziels geeignet und erforder­lich sein, und das beein­trächtigte Rechtsgut sowie das Aus­mass der Rechtsgutver­let­zung müssen in einem angemesse­nen Ver­hält­nis zum angestrebten Zweck ste­hen (Urteile 6B_1006/2013 vom 25. Sep­tem­ber 2014 E. 4.3; 6B_288/2009 vom 13. August 2009 E. 3.5; 6B_20/2009 vom 14. April 2009 E. 4.4.2). Im vor­liegen­den Fall sieht das Bun­des­gericht diese Voraus­set­zun­gen als erfüllt an, wie es in Auseinan­der­set­zung mit den konkreten Umstän­den des zu beurteilen­den Polizeimanövers erläutert (E. 2.4).