5A_963/2014: Beziehung eines ausländischen Organs zur Gesellschaft als Haftungsvoraussetzung beurteilt sich nach Gesellschaftsstatut (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat­te in ein­er per­so­n­en­rechtlichen Stre­it­igkeit zu beurteilen, ob der Präsi­dent des Ver­wal­tungsrats ein­er aus­ländis­chen Gesellschaft für poten­tiell per­sön­lichkeitsver­let­zende Aus­sagen der Gesellschaft ver­ant­wortlich war. Das BGer hielt dies­bezüglich zur “Mitwirkung” i.S.v. ZGB 28 fol­gen­des fest:

Eine Haf­tung für  fremdes Ver­hal­ten lässt sich aus Art. 28 Abs. 1 ZGB nicht her­leit­en. So ist beispiel­sweise auch der Arbeit­ge­ber, dessen Angestell­ter eine Per­sön­lichkeitsver­let­zung bege­ht, nur dann zur Klage nach Art. 28 Abs. 1 ZGB pas­sivle­git­imiert, wenn er sich selb­st dem Vor­wurf eines wider­rechtlichen Ver­hal­tens aus­set­zt, indem er die Ver­let­zung durch seine Hil­f­sper­son begün­stigt, erlaubt oder toleriert.
[…].
Soll die uner­laubte Hand­lung […] in einem Dulden oder Unter­lassen beste­hen, so fällt ein solch pas­sives Ver­hal­ten nach all­ge­meinen schul­drechtlichen Grund­sätzen als Ursache ein­er Per­sön­lichkeitsver­let­zung nur dann in Betra­cht, wenn eine entsprechende Pflicht zum Han­deln bestand.

Zu beant­worten war dem­nach die Frage, ob den Ver­wal­tungsrat­spräsi­den­ten eine Pflicht traf, die fraglichen Aus­sagen zu ver­hin­dern. Dafür waren zunächst die dafür anwend­baren Kol­li­sion­snor­men bes­tim­men: Es wäre denkbar, diese Zuord­nung nach dem Delik­tsstatut nach IPRG 133 vorzunehmen. Das BGer lehnt dies jedoch ab und unter­stellt die Zuord­nung der Aus­sage zum VRP dem Gesellschaftsstatut. Es begrün­det dies mit mehreren Argu­menten wie folgt:

Mit der Anknüp­fung am gewöhn­lichen Aufen­thalt von Schädi­ger und Geschädigtem ver­fol­gt Art. 133 Abs. 1 IPRG das Ziel, das anwend­bare Recht entsprechend der gemein­samen sozialen Umwelt von Schädi­ger und Geschädigtem zu bes­tim­men. Zum anderen fusst die Anknüp­fung an die “lex com­mu­nis” auf der Idee, dass die Parteien, wenn sie sich nur vorüberge­hend im Aus­land aufhal­ten, das dor­tige Recht in aller Regel nicht ken­nen und ihr Ver­hal­ten auch nicht darauf einstellen […].
[…].
Angesichts des Zwecks von Art. 133 Abs. 1 IPRG erscheint es mithin wenig sachgerecht, diesem Delik­tsstatut auch die Teil­frage zu unter­stellen, ob der Beschw­erde­führer angesichts sein­er Stel­lung als Organ der Gesellschaft C. die stre­it­ge­gen­ständlichen Ver­laut­barun­gen hätte ver­hin­dern oder stop­pen müssen. Für die geson­derte Anknüp­fung der besagten Teil­frage sprechen sodann sys­tem­a­tis­che Über­legun­gen: Stellt das Gesetz in Art. 150 ff. IPRG für das Gesellschaft­srecht schon spezielle Kol­li­sion­sregeln auf, so ist nicht einzuse­hen, weshalb der Richter diese Vorschriften auf der Suche nach der adäquat­en Anknüp­fung ein­fach auss­er Acht lassen soll, obwohl sie zur Bes­tim­mung des auf die Teil­frage anwend­baren Rechts nicht von vorn­here­in ungeeignet erscheinen […].
[…].
Schliesslich erscheint es auch unter den Gesicht­spunk­ten der Rechtssicher­heit und der Prak­tik­a­bil­ität nicht sin­nvoll, die erwäh­nte Teil­frage dem Delik­tsstatut gemäss Art. 133 Abs. 1 IPRG zu unter­stellen. Denn der prä­sum­tive Schädi­ger kön­nte sich über seine Auf­gaben und Funk­tio­nen als Organ ein­er Gesellschaft gar nicht Rechen­schaft geben, wenn diese von Fall zu Fall dem Recht des einen oder anderen Staates unter­ste­hen, je nach­dem, wo der prä­sum­tiv Geschädigte als Prozess­geg­n­er seinen gewöhn­lichen Aufen­thalt hat.

Das Bun­des­gericht weist die Sache sodann ans OGer ZH zurück, das die Haf­tung bejaht hat­te “mit einem abstrak­ten Hin­weis auf die Posi­tion des VRP als Organ der Gesellschaft C. Es hätte dem VRP ein konkretes Unter­lassen vor­w­er­fen müssen:

Denn damit zieht es den Beschw­erde­führer im Ergeb­nis für fremdes Ver­hal­ten zur Rechen­schaft, ohne sich Klarheit darüber zu ver­schaf­fen, worin denn eigentlich die in Art. 28 Abs. 1 ZGB voraus­ge­set­zte Mitwirkung des Beschw­erde­führers  selb­st beste­ht. Anders gesagt, kann die vom konkreten Fall los­gelöste Erken­nt­nis, dass der Beschw­erde­führer als Auf­sicht­srat mit der generellen Leitung und Kon­trolle der Gesellschaft C. befasst war, für sich allein genom­men noch kein Ver­hal­ten sein, das als Ursache ein­er Per­sön­lichkeitsver­let­zung in Frage kommt. Die Posi­tion des Beschw­erde­führers als Auf­sicht­srat ist ein bloss­er Zus­tand, der für sich allein nicht zur Folge hat, dass das Ver­hal­ten der Gesellschaft dem Organ zugerech­net wird.”