Zwei Aktiengesellschaften und deren Organe standen sich in einer Vielzahl gerichtlicher Verfahren gegenüber. Unter anderem betrieb die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin für den Betrag von CHF 999’000. Als Forderungsgrund stand im Zahlungsbefehl “Schadenersatz, Genugtuung. Dient zur Unterbrechung der Verjährungsfrist.” Die Beschwerdegegnerin erhob Rechtsvorschlag und reichte eine negative Feststellungsklage ein, die vom Richteramt Solothurn-Lebern und dem Obergericht des Kantons Solothurn gutgeheissen wurde.
Die Beschwerdeführerin erhob auch eine Forderungsklage gegen die Beschwerdegegnerin beim Handelsgericht des Kantons Bern. Das Handelsgericht trat auf die Klage nicht ein, weil eine bereits abgeurteilte Sache vorliege (res iudicata) und deshalb eine Prozessvoraussetzung fehle. Das Bundesgericht hiess die dagegen gerichtete Beschwerde aber gut und wies die Sache an die Vorinstanz zur weiteren Beurteilung zurück (Urteil 4A_571/2015 vom 29. Februar 2016).
Das Bundesgericht fasste zunächst seine Rechtsprechung betreffend die Bedeutung der materiellen Rechtskraft zusammen (E. 2). In negativer Hinsicht verbietet die materielle Rechtskraft jedem späteren Gericht, auf eine Klage einzutreten, deren Streitgegenstand mit dem rechtskräftig beurteilten identisch ist, sofern der Kläger nicht ein schutzwürdiges Interesse an Wiederholung des früheren Entscheids geltend machen kann (abgeurteilte Sache, res iudicata).
Die Identität von Streitgegenständen beurteilt sich dabei nach den prozessualen Ansprüchen in den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, d.h. dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen. Die Anspruchsidentität ist inhaltlich, nicht grammatikalisch zu verstehen (zum Ganzen E. 2.1).
Mit Bezug auf den konkreten Fall führte das Bundesgericht aus, dass kein Anspruch auf Beizug der Verfahrensakten des Vorentscheids besteht. Die Identität des Streitgegenstandes müsse anhand der dafür verbindlichen Begründung des früheren Urteils beurteilt werden. Gemäss Bundesgericht gehe es nicht an, das Vorurteil zur Bestimmung des Streitgegenstandes einer materiellen Prüfung zu unterziehen (zum Ganzen E. 2.3).
Das Handelsgericht des Kantons Bern hatte sich im vorliegenden Fall nicht an die gemäss Bundesgericht verbindlichen Erwägungen des Obergerichts des Kantons Solothurn gehalten. Das Obergericht Solothurn war zum Schluss gekommen, die negative Feststellungsklage betreffe ausschliesslich Forderungen aus Schadenersatz und Genugtuung. Das Handelsgericht Bern gelangte demgegenüber zur Auffassung, bei richtigem Verständnis der Klagebegehren seien auch die beim Handelsgericht hängigen Forderungsklagen von der Rechtskraftwirkung des negativen Feststellungsurteils erfasst. Damit hatte das Handelsgericht den Entscheid des Erstgerichts unzulässig überprüft und den Grundsatz der res iudicata verkannt (zum Ganzen E. 4.2).