2C_413/2015: Unterscheidung zwischen Gebrauchsgegenstand und Präsentationsarzneimittel bei Zahnpasta

Das BGer schützt im vor­liegen­den Ver­fahren ein Urteil des VGer AG, mit dem der schweiz­erischen Impor­teurin ein­er Zah­n­pas­ta aus Deutsch­land ver­boten wor­den war, Zah­n­pas­ta mit der Anpreisung “Medi­zinis­che Zah­n­crème. Strafft Zah­n­fleisch spür­bar. Schützt vor Par­o­don­tose” in der Schweiz zu vertreiben. Die Ver­pack­ung der Zahnpasta
wies auf die ver­schiede­nen Sta­di­en der Par­o­don­tose hin. Daneben fand sich die Darstel­lung eines Zahnes, dessen Wurzeln zunehmend von
Zah­n­fleisch umschlossen werden.

Entschei­der­he­blich war die Abgren­zung zwis­chen Gebrauchs­ge­gen­stän­den und Arzneimit­teln. Arzneimit­tel sind nach HMG 4 I lit. a nicht nur Pro­duk­te, die zur medi­zinis­chen Ein­wirkung auf den Organ­is­mus bes­timmt sind, son­dern aus Grün­den des Kon­sumenten­schutzes und der Lauterkeit des Han­dels auch solche, die nur entsprechend ange­priesen wer­den — let­zteres sind Präsen­ta­tion­sarzneimit­tel. Zah­n­pas­ta ist daher im Grund­satz ein Gebrauchs­ge­gen­stand iSv LMG 5 lit. b (“Kör­perpflegemit­tel und Kos­meti­ka sowie Gegen­stände, die nach ihrer
Bes­tim­mung mit den Schleimhäuten des Mundes in Berührung kom­men”), aber nur solange sie nicht als Arzneimit­tel ange­priesen wird.

Zur Unter­schei­dung der Gebrauchs­ge­gen­stände von Arzneimit­teln sind Hin­weise auf eine krankheit­sheilende, ‑lin­dernde oder ‑ver­hü­tende Wirkung von Gebrauchs­ge­gen­stän­den im Grund­satz ver­boten (LGV 31 III). Der Zweck von Zahn- und Mundpflegemit­teln beste­ht ger­ade in der Pro­phy­laxe im zah­n­medi­zinis­chen Bere­ich. LGV 31 IV erlaubt deshalb Hin­weise auf kariesver­hü­tende oder andere zah­n­medi­zinisch vor­beu­gende Eigen­schaften, solange sie wis­senschaftlich belegt wer­den können.

Vor diesem Hin­ter­grund war zu prüfen, ob die Aus­sage “Medi­zinis­che Zah­n­crème. Strafft Zah­n­fleisch spür­bar. Schützt vor Par­o­don­tose” zu ein­er Qual­i­fika­tion als Arzneimit­tel führt.Das BGer bejaht diese Frage, wie schon das VGer AG, gestützt auch auf die Ausstat­tung der Ver­pack­ung:

Während auf Zah­n­crèmes zuläs­siger­weise — im Sinne ein­er nicht zu ein­er Qual­i­fika­tion als Heilmit­tel führen­den Anpreisung — ein Hin­weis auf eine vor­beu­gende Wirkung gegen Karies oder etwa gegen Par­o­don­ti­tis und Gin­givi­tis ange­bracht wer­den kann […], erweckt die Auf­machung der […] Zah­n­crème den Ein­druck, mit ihren “medi­zinis­chen” Wirk­stof­fen ein­er Par­o­don­tose ent­ge­gen­treten oder diese sog­ar rück­gängig machen zu kön­nen. Eine solche Anpreisung beschränkt sich nicht mehr auf eine “zah­n­medi­zinisch vor­beu­gende” Wirkung, son­dern sug­geriert in ihrer Gesamtheit neben der mund­hy­gien­is­chen auch eine krankheit­slin­dernde oder ‑heilende Zweck­set­zung, weshalb die Vorin­stanz die strit­tige Auf­schrift zutr­e­f­fend­er­weise als ver­botene Wer­bung qual­i­fiziert hat. 

Nicht zu entschei­den war vor­liegend, ob ein Ver­trieb gestützt auf das THG zuläs­sig war, u.a. weil die Impor­teurin nicht nachgewiesen hat­te, dass die Zah­n­pas­ta (die in Deutsch­land offen­bar im Verkehr ist) den gemein­schaft­srechtlichen bzw. mit­glied­staatlichen Vorschriften
entspricht.