4A_169/2016: Verrechnungserklärung im Prozess (amtl. Publ.)

In ein­er arbeit­srechtlichen Auseinan­der­set­zung erhob der Arbeit­ge­ber in der Klageant­wort eine Ver­rech­nung­seinrede für den Fall, dass die Klage des Arbeit­nehmers betr­e­f­fend Entschädi­gung wegen ungerecht­fer­tigter frist­los­er Kündi­gung gut­ge­heis­sen wird. Als die Ver­rech­nung­seinrede erhoben wurde, hat­te der Arbeit­ge­ber dieselbe Forderung bere­its adhä­sion­sweise im Strafver­fahren gegen den Arbeit­nehmer gel­tend gemacht (Urteil 4A_169/2016 vom 12. Sep­tem­ber 2016, E. 8.1).

Das Bun­des­gericht hat­te zu entschei­den, ob die Vorin­stanz im arbeit­srechtlichen Ver­fahren auf die Ver­rech­nung­seinrede hätte ein­treten müssen. Der Beschw­erde­führer hat­te gel­tend gemacht, die Recht­shängigkeit der Forderung in einem ersten Ver­fahren ver­hin­dere keine Ver­rech­nung­seinrede in einem späteren Ver­fahren (E. 8.2).

Das Bun­des­gericht erin­nerte daran, dass die in einem Prozess erhobene Ver­rech­nung­seinrede nicht von der Recht­shängigkeit im Sinne von Art. 62 ZPO erfasst wird. Die in einem ersten Prozess einre­deweise zur Ver­rech­nung gestellte Forderung könne daher in einem anderen Prozess erneut einre­deweise zur Ver­rech­nung gebracht wer­den. Durch die Recht­shängigkeit des Anspruchs in einem Ver­fahren werde die Gel­tend­machung des­sel­ben Anspruchs durch Ver­rech­nung­seinrede in einem anderen Prozess nicht aus­geschlossen (E. 8.4).

Aus prozessökonomis­chen Grün­den und zur Ver­mei­dung wider­sprüch­lich­er Urteile sei das spätere Ver­fahren mit dem Erstver­fahren zu koor­dinieren. Das später angerufene Gericht habe etwa eine Prozessüber­weisung, eine Ver­fahrensvere­ini­gung oder eine Sistierung des Ver­fahrens zu prüfen (E. 8.4). Bei der Prü­fung der Koor­di­na­tion­s­möglichkeit­en könne das Gericht auch berück­sichti­gen, ob die Ver­rech­nung­seinrede bloss zur (rechtsmiss­bräuch­lichen) Ver­schlep­pungstak­tik erhoben wor­den sei (E. 8.5).