4A_364/2017: klageweise Durchsetzbarkeit von Informationsrechten eines Verwaltungsrats

Ver­wal­tungsräte kön­nen ihr Recht auf Auskun­ft und Ein­sicht nach Art. 715a OR gerichtlich, in einem sum­marischen Ver­fahren, durch­set­zen. Dies hat das Bun­des­gericht in einem Leit­entscheid entsch­ieden. Die kan­tonalen Gerichte hat­ten eine solche gerichtliche Durch­set­zbarkeit verneint.

Das Bun­des­gericht kam gestützt auf fol­gende Ausle­gung zu diesem Ergebnis:

  • Aus der Entste­hungs­geschichte von Art. 715a OR könne wed­er für noch gegen die gerichtliche Durch­set­zung der Infor­ma­tion­srechte gegen einen ablehnen­den Entscheid des Ver­wal­tungsrats etwas abgeleit­et wer­den (E. 5.2.1).
  • Der Zweck von Art. 715a OR spreche für die Klagemöglichkeit: Diese Bes­tim­mung bezwecke sicherzustellen, dass der Ver­wal­tungsrat seine Auf­gaben als Führungs- und Auf­sichts­gremi­um wirk­sam und effizient wahrnehmen könne. Sie stelle denn auch das Gegen­stück zur indi­vidu­ellen Ver­ant­wortlichkeit der Ver­wal­tungsratsmit­glieder dar (E. 5.2.2).
  • Auch der Wort­laut von Art. 715a OR, genauer der fehlende Auss­chluss der Klag­barkeit, spreche für die Möglichkeit der gerichtlichen Durch­set­zung: Grund­sät­zlich sei davon auszuge­hen, dass ein geset­zlich gewährter Anspruch auch gerichtlich durchge­set­zt wer­den könne, auch wenn dies nicht aus­drück­lich gesagt werde. Dass im Zusam­men­hang mit den Infor­ma­tion­sansprüchen der Aktionäre in Art. 697 Abs. 4 OR aus­drück­lich die gerichtliche Durch­set­zbarkeit vorge­se­hen sei, ändere nichts an dieser Auf­fas­sung. Let­ztere Bes­tim­mung sei darauf zurück­zuführen, dass der Geset­zge­ber die Recht­sprechung des Bun­des­gerichts habe bestäti­gen und eine frühere ablehnen wollen (E. 5.2.3.1).
  • Schliesslich könne nichts daraus abgeleit­et wer­den, dass Ver­wal­tungsrats­beschlüsse nicht anfecht­bar sind. Damit solle die gerichtliche Durch­set­zung von geset­zlich eingeräumten Recht­en nicht aus­geschlossen wer­den. Ger­ade weil ander­weit­ige Rechte beste­hen wür­den und durchge­set­zt wer­den kön­nten, könne auf eine Anfecht­barkeit von Ver­wal­tungsrats­beschlüssen verzichtet wer­den (E. 5.2.3.2).

Das Bun­des­gericht hielt sodann fest, dass die gerichtliche Durch­set­zung der Auskun­fts- und Ein­sicht­srechte gemäss Art. 715a OR im sum­marischen Ver­fahren erfolge. Es stützte sich dabei auf die nicht abschliessende Aufzäh­lung der Klagemöglichkeit­en in Art. 250 Abs. 2 lit. c ZPO, für welche das sum­marische Ver­fahren für anwend­bar erk­lärt wird. Die Gründe für die Gel­tung des Sum­mar­ver­fahrens beim Auskun­fts- und Ein­sicht­srecht der Aktionäre (Art. 697 Abs. 4 OR) und Gläu­biger (Art. 958e Abs. 2 OR) im Sinne von Art. 250 lit. c Ziff. 7 ZPO wür­den sin­ngemäss auch für die Auskun­fts- und Ein­sicht­srechte der Ver­wal­tungsratsmit­glieder nach Art. 715a OR gel­ten, auch wenn die Rechte Let­zer­er umfassender seien als diejeni­gen der Aktionäre oder Gläu­biger. Der Anspruch des Ver­wal­tungsratsmit­glieds gemäss Art. 715a OR sei deshalb in einem — allerd­ings “atyp­is­chen” sum­marischen Ver­fahren nach Art. 252 ff. ZPO zu beurteilen (E. 6).

Offen gelassen hat das Bun­des­gericht die — bis­lang eben­falls noch nicht entsch­iedene — Frage, ob die Nichtigkeit von Ver­wal­tungsrats­beschlüssen auch in tat­säch­lich­er Hin­sicht von Amtes wegen zu prüfen sei, sodass die Bes­tim­mung zur Noven­schranke (Art. 317 Abs. 1 ZPO) unbeachtlich wäre. Das Bun­des­gericht wies zwar darauf hin, dass die Nichtigkeit jed­erzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von Amtes wegen zu beacht­en sei und auch im Rechtsmit­telver­fahren fest­gestellt wer­den könne. Dies set­ze indessen voraus, dass der Beschluss über­haupt Gegen­stand des Ver­fahrens sei oder sich dessen Nichtigkeit auf die Beschw­erde­sache auswirken könne. An bei­dem fehle es in diesem Ver­fahren, so das Bun­des­gericht. Der beschw­erde­führende Ver­wal­tungsrat stellte erst­mals im Beru­fungsver­fahren den Antrag, es sei die Nichtigkeit des Ver­wal­tungsrats­beschlusses festzustellen, mit welchem er von der Teil­nahme an weit­eren Sitzun­gen des Ver­wal­tungsrats aus­geschlossen wurde. Das Bun­des­gericht wies indessen darauf hin, dass der Beschw­erde­führer mit seinem Rechts­begehren nicht Auskun­ft, son­dern Ein­sicht in ver­schiedene Büch­er und Akten ver­lange. Dieser Anspruch sei in Art. 715a Abs. 4 OR geregelt und hänge nicht von der Teil­nahme an Sitzun­gen des Ver­wal­tungsrats ab. Die allfäl­lige Nichtigkeit des Auss­chlusses sei deshalb ohne Bedeu­tung für das stre­it­ge­gen­ständliche Ein­sichts­begehren und sei deshalb auch im Rah­men der Rück­weisung bei der Beurteilung des Begehrens nicht zu prüfen (E. 7).