5A_899/2016: Arrest als Sicherungsmassnahme gemäss Art. 47 Abs. 2 LugÜ für eine anerkannte und vollstreckbar erklärte “konservative Beschlagnahme” nach griechischem Recht (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den, zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil hat­te das Bun­des­gericht zu entschei­den, ob ein Arrest als Sicherungs­mass­nahme gemäss Art. 47 Abs. 2 LugÜ für eine anerkan­nte und voll­streck­bar erk­lärte “kon­ser­v­a­tive Beschlagnahme” nach griechis­chem Recht zuläs­sig sei.

Das Landgericht Athen hat­te im Ver­fahren des einst­weili­gen Rechtss­chutzes nach griechis­ch­er ZPO Mass­nah­men ange­ord­net, um zivil­rechtliche Ansprüche ein­er Bank gegen E. zu sich­ern. Das Athen­er Gericht hat­te eine “Beschlagnahme/Verarrestierung” (“Con­ser­va­to­ry attach­ment”, “kon­ser­v­a­tive Beschlagnahme”) wie fol­gt ange­ord­net: “Zur Sicherung des Anspruchs der Antrag­stel­lerin […] gegen den Antrags­geg­n­er wird der Arrest von jedem beweglichen und unbe­weglichen Ver­mö­gen, das sich [in] dessen Hän­den oder [in] den Hän­den Drit­ter befind­et, wie fol­gt ange­ord­net: a) des [E. …] bis zu ein­er Geld­summe von […]”.

Das Bezirks­gericht Zürich erk­lärte den Rechtss­chutzentscheid des Landgerichts Athen gestützt auf das LugÜ für das Gebi­et der Schweiz für voll­streck­bar, was unange­focht­en blieb.

Die Gläu­bigerin stellte daraufhin ein Arrest­begehren “als Voll­streck­ungs- bzw. Sicherungs­mass­nahme” unter Hin­weis auf Art. 47 Abs. 2 LugÜ. Der Arrestrichter erliess gegenüber E. einen Arrest­be­fehl, wobei als Forderung­surkunde bzw. ‑grund der voll­streck­bar erk­lärte “(Arrest-) Entscheid” des Landgerichts Athen genan­nt wurde. Der Arrest­be­fehl wurde vol­l­zo­gen und ein auf die A. AG lau­t­en­des Kon­to bei der Bank I. AG ver­ar­restiert. Die A. AG erhob Arrestein­sprache, welche abgewiesen wurde, eben­so wie die hierge­gen erhobene Beschwerde.

Wesentlich sind u.a. fol­gende Erwä­gun­gen des Bundesgerichts:

  • Aus­ländis­che vor­sor­gliche Mass­nah­men (wie z.B. der ital­ienis­che “Seque­stro con­ser­v­a­ti­vo” oder die englis­che “Freez­ing Injunc­tion”) kön­nen nach LugÜ grund­sät­zlich anerkan­nt und voll­streck­bar erk­lärt wer­den. Vor­liegend ste­he fest, dass das Bezirks­gericht den Entscheid des Landgerichts Athen gestützt auf das LugÜ für voll­streck­bar erk­lärt habe und dass das Exe­quatur nicht ange­focht­en wor­den sei (E. 3.1).
  • Die Voll­streck­bar­erk­lärung nach LugÜ gebe der Beschw­erdegeg­ner­in die Befug­nis, Mass­nah­men zu ver­lan­gen, die auf eine Sicherung des voll­streck­bar erk­lärten Entschei­des gerichtet sind (Art. 47 Abs. 2 LugÜ). Solche Mass­nah­men seien von kein­er weit­eren Bewil­li­gung oder Voraus­set­zung abhängig, son­dern stün­den dem Antragssteller automa­tisch gestützt auf das Staatsver­tragsrecht zu. Vor­liegend habe die Beschw­erdegeg­ner­in als Sicherungs­mass­nahme im Sinne von Art. 47 Abs. 2 LugÜ die Ver­ar­restierung von bes­timmten Ver­mö­genswerten erwirkt (E. 3.2).
  • Mit der Arrestein­sprache (Art. 278 SchKG) könne nicht das Exe­quatur des griechis­chen Rechtss­chutzentschei­des — und damit die Befug­nis, Sicherungs­mass­nah­men zu ver­lan­gen — kri­tisiert wer­den; mit der Ein­sprache gegen den Arrest als Sicherungs­mass­nahme gemäss Art. 47 Abs. 2 LugÜ kön­nten einzig arrest­spez­i­fis­che Ein­wände gel­tend gemacht wer­den wie z.B., dass die Ver­mö­genswerte nicht dem Schuld­ner gehörten, dass die Arrest­forderung pfand­gesichert sei usw. (E. 3.3).
  • Die Vorin­stanz habe zu Recht geschlossen, dass die griechis­che “kon­ser­v­a­tive Beschlagnahme” einen direk­ten Ver­mö­gens­beschlag bewirke, also ver­mö­gens­be­zo­gen bzw. in rem wirke und mit dem schweiz­erischen Arrest ver­gle­ich­bar sei. Die Vorin­stanz habe im “Con­ser­va­to­ry attach­ment” des griechis­chen Rechtss­chutzentschei­des ins­beson­dere kein an E. per­sön­lich gerichtetes Ver­fü­gungsver­bot über Ver­mö­genswerte bzw. kein ad per­son­am bezo­genes Unter­las­sung­surteil erblick­en müssen, welch­es nach den Regeln der ZPO zu voll­streck­en bzw. zu sich­ern gewe­sen wäre (E. 3.4.4.).
  • Der griechis­che Rechtss­chutzentscheid enthalte mit der “kon­ser­v­a­tiv­en Beschlagnahme” eine die Geldleis­tungsvoll­streck­ung sich­ernde Anord­nung, welche nach schweiz­erischem Recht in den sach­lichen Bere­ich des SchKG gehöre. Die im LugÜ-Staat ergan­gene Beschlagnahme/Verarrestierung könne in der Schweiz mit dem Arrest als Sicherungs­mass­nahme umge­set­zt wer­den. Die Arrestle­gung sei als Mass­nahme im Sinne von Art. 47 Abs. 2 LugÜ für ein aus­ländis­ches (anerkan­ntes und voll­streck­bar erk­lärtes) Arresturteil möglich, sofern die aus­ländis­che Anord­nung eben­falls ver­mö­gens­be­zo­gen (in rem) wirke (E. 3.4.5.).

Nach­dem weit­ere Ein­wände der Beschw­erde­führerin ver­wor­fen wur­den (E. 3.5), kam das Bun­des­gericht zum Schluss (E. 3.6), dass es nicht willkür­lich sei, wenn die Vorin­stanz den vom Bezirks­gericht ange­ord­neten Arrest als Sicherungs­mass­nahme gemäss Art. 47 Abs. 2 LugÜ für die anerkan­nte und voll­streck­bar erk­lärte griechis­che “kon­ser­v­a­tive Beschlagnahme” als zuläs­sig erachtet habe.