Das neue heilmittelrechtliche Integritätsgebot, das mit der Einführung anfangs 2020 ursprünglich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten sollte, wird nun doch auch Medizinprodukte erfassen. Das Gebot über die Integrität im Heilmittelvertrieb erfährt damit noch vor Inkrafttreten im kommenden Jahr eine grundlegende Erweiterung.
Mitte April hat der Bundesrat die neue Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH) und die geänderte Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) verabschiedet (Swissblawg berichtete). Bereits mit der Revision des Heilmittelgesetzes (revHMG) im März 2016 hatte das Parlament die rechtlichen Rahmenbedingungen für geldwerte Vorteile im Gesundheitswesen neu geregelt. Die zwei neuen Artikel zur Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (Art. 55 und 56 revHMG) lösen die alte Vorschrift über das Versprechen und Annehmen geldwerter Vorteile (Art. 33 altHMG) ab.
Der sachliche Anwendungsbereich der neuen Vorschriften ist nach der seit drei Jahren geplanten Gesetzsänderung nicht deckungsgleich: Während das Transparenzgebot gemäss Art. 56 revHMG den Vertrieb aller Heilmittel betrifft, war das Integritätsgebot gemäss Art. 55 revHMG eigentlich nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorgesehen. Nach der Gesetzesrevision war dem Bundesrat als Verordnungsgeber jedoch vorbehalten, den Geltungsbereich des Integritätsgebots auf Medizinprodukte auszuweiten (vgl. Art. 55 Abs. 3 revHMG). Der Bundesrat hat von dieser Kompetenz in der VITH indes keinen Gebrauch gemacht.
Das Parlament hat nun in der laufenden Frühjahrssession diese Ausdehnung auf Gesetzesstufe (revHMG) vorgenommen – doch dem Bundesrat zugleich die Möglichkeit eingeräumt, gewisse Medizinprodukteklassen vom Integritätsgebot wiederum auszunehmen. Der Bundesrat wird in der Folge die Regelung auf Verordnungsstufe (VITH) konkretisieren. Laut kürzlich ergänzter Pressemitteilung ist davon auszugehen, dass nur “Medizinprodukte mit erhöhtem Risiko” von Art. 55 revHMG erfasst sein sollen und die VITH eine Ausnahme für alle anderen Medizinprodukte enthalten wird. Welche Klassen konkret ausgenommen werden, ist noch nicht absehbar. Die angepasste VITH soll voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres in die Vernehmlassung gehen.