4A_299/2013: Absolute Verjährungsfrist bei dauernder Asbestexposition (amtl. Publ.)

A. arbeit­ete vom 4. Dezem­ber 1961 bis zum 31. Jan­u­ar 1998 als Schloss­er und All­rounder bei der E. AG und war dort Asbest­staub bis 1988 aus­ge­set­zt. Im Jahr 2003 wurde bei A. ein malignes Pleu­rame­sothe­liom (Brust­fel­lkrebs) diag­nos­tiziert, das am 10. Juli 2004 zum Tod führte. Gemäss Akten der SUVA war der Tod auss­chliesslich durch das berufs­be­d­ingte maligne Pleu­rame­sothe­liom bedingt.

Am 29. März 2010 reicht­en die Witwe des Ver­stor­be­nen und seine Kinder beim Gericht­skreis XI Inter­lak­en Ober­hasli (nun­mehr Region­al­gericht Ober­land) Teilk­lage gegen die E. AG ein. Das Region­al­gericht wies die Klage ab, eben­so das Oberg­ericht des Kan­tons Bern. Das Bun­des­gericht sistierte das Ver­fahren im April 2014 bis zum Entscheid der eid­genös­sis­chen Räte zur Änderung des Ver­jährungsrechts. Mit Prä­sidi­alver­fü­gung vom 8. Novem­ber 2018 wurde das Ver­fahren wieder aufgenom­men, da der Geset­zge­ber zwis­chen­zeitlich defin­i­tiv über die Neureglung des Ver­jährungsrechts entsch­ieden hat­te und damit der Grund für die Sistierung dahinge­fall­en war. Das neue Recht wird am 1. Jan­u­ar 2020 in Kraft treten (BBl 2018 3537 ff.). Bezüglich des vor­liegen­den Falls wurde die Beschw­erde teil­weise gutheis­sen und zur Fort­führung des Ver­fahrens an die Vorin­stanz zurück­gewiesen (Urteil 4A_299/2013 vom 6. Novem­ber 2019).

Das Bun­des­gericht erwog im Wesentlichen, dass die absolute Frist von Art. 60 Abs. 1 für ausserver­tragliche Ansprüche mit dem Tag der schädi­gen­den Hand­lung beginne. Für die ver­traglichen Ansprüche laufe die zehn­jährige all­ge­meine Ver­jährungs­frist von der Fäl­ligkeit der Forderung an (Art. 127 OR i.V.m. Art. 130 Abs. 1 OR). Die Pflicht des Schuld­ners, Schaden­er­satz und Genug­tu­ung zu leis­ten, und das Recht des Gläu­bigers, sie zu ver­lan­gen, wür­den nach der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts nicht erst entste­hen, wenn dieser die Fol­gen der Pflichtver­let­zung erken­nen könne. Bei Kör­per­ver­let­zung wür­den die Ansprüche im Zeit­punkt erwach­sen, in dem in pflichtwidriger Weise auf den Leib des Geschädigten eingewirkt wird.

In der Regel stelle eine schädi­gende Hand­lung ein kurzes, ein­ma­liges und mit ihrem Ein­tritt abgeschlossenes Ereig­nis dar. Das schädi­gende Ver­hal­ten könne sich aber auch über einen grösseren Zeitraum erstreck­en. Bei wieder­holtem oder andauern­den schädi­gen­den Ver­hal­ten sei der Tag, an dem dieses Ver­hal­ten aufhöre, für den Beginn des Fris­ten­laufs mass­gebend. Das neue Ver­jährungsrecht hält diese Regel nun expliz­it bere­it (Art. 60 Abs. 1bis nOR bzw. Art. 128a nOR; E. 6.1.2).

Das Bun­des­gericht liess das Argu­ment nicht gel­ten, wonach bezüglich der Asbest­ex­po­si­tion eine erste Phase (1985–1998) und eine zweite Phase (1985–1998) zu unter­schei­den sei und für die zweite Phase ein kausaler Kon­takt für die Krankheit nicht erwiesen sei. Bei der ersten Phase sein­er Tätigkeit habe A. beson­ders inten­siv­en Kon­takt mit Asbest gehabt, in den späteren Jahren sei er ein­er gerin­geren Asbest­ex­po­si­tion aus­ge­set­zt gewe­sen. Das höch­ste Gericht kommt zum Schluss, dass A. während der ganzen Dauer des Arbeitsver­hält­niss­es Asbest aus­ge­set­zt war, wenn auch in ein­er zweit­en Phase in gerin­ger­er Inten­sität (E. 6.1.3). Während der ganzen Zeitspanne bestand gemäss Bun­des­gericht die Möglichkeit ein­er Schädi­gung. Die schädi­gende Hand­lung habe daher grund­sät­zlich während des gesamten Arbeitsver­hält­niss­es angedauert. Erst mit dessen Beendi­gung bzw. dem Abschluss der Asbest­ex­po­si­tion bilde die schädi­gende Hand­lung ein abgeschlossenes Ereig­nis (E. 6.1.4).

Weit­er weist das Bun­des­gericht darauf hin, dass im vor­liegen­den Fall die Möglichkeit vor­be­hal­ten bleibe, dass die Beschw­erdegeg­ner­in die nach dem dama­li­gen Ken­nt­nis­stand erforder­lichen Schutz­mass­nah­men ergrif­f­en hat­te, sodass keine pflichtwidrige Ein­wirkung vor­liege. Der Beginn der absoluten Ver­jährungs­frist könne daher nicht unab­hängig von der Pflichtver­let­zung beurteilt wer­den. Da die Vorin­stanz nicht beurteilt hat­te, ob — und bis zu welchem Zeit­punkt — eine Pflichtver­let­zung vor­lag, war die Sache an das Oberg­ericht des Kan­tons Bern zurück­zuweisen (E. 6.1.5).