5A_714/2019: Eintritt der Rechtskraft eines Berufungsentscheids, wenn Beschwerde beim Bundesgericht erhoben wird (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den, zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid hat­te das Bun­des­gericht die Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung zu prüfen, ob die Recht­skraft eines beim Bun­des­gericht ange­focht­e­nen Entschei­ds der Beru­fungsin­stanz grund­sät­zlich mit dem Entscheid der Beru­fungsin­stanz oder erst mit dem Entscheid des Bun­des­gerichts ein­tritt.

Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Ehe­mann A. war mit Eheschutzentscheid vom 8. Feb­ru­ar 2013 verpflichtet wor­den, sein­er Ehe­frau B. einen monatlichen Unter­halts­beitrag von CHF 20’000 zu bezahlen. Im Schei­dung­surteil von 2017 wurde das Unter­halts­begehren von B. abgewiesen und fest­gestellt, dass sich die Parteien gegen­seit­ig keine nachehe­lichen Unter­halts­beiträge schulden. B. erhob dage­gen Beru­fung, welche jedoch mit Entscheid des Appel­la­tion­s­gerichts vom 3. Juli 2018, eröffnet am 18. Juli 2018, abgewiesen wurde. Gegen den Beru­fungsentscheid reichte B. mit Eingabe vom 14. Sep­tem­ber 2018 Beschw­erde in Zivil­sachen beim Bun­des­gericht ein.

Da die Zahlung des Unter­halts­beitrages für den Monat August 2018 aus­ge­blieben war, betrieb B. den A. überdies auf Zahlung des Unter­halts­beitrags für August 2018. Als Forderung­surkunde wurde der Eheschutzentscheid vom 8. Feb­ru­ar 2013 genan­nt. A. erhob Rechtsvorschlag.

Umstrit­ten war in der Folge, ob der Eheschutzentscheid vom 8. Feb­ru­ar 2013 noch als defin­i­tiv­er Recht­söff­nungsti­tel taugte, obwohl unter­dessen ein Schei­dung­surteil / Beru­fungsentscheid (ohne Unter­halt) ergan­gen war, woge­gen allerd­ings eine Beschw­erde in Zivil­sachen erhoben wor­den war.

Das Bun­des­gericht erwog zunächst (E. 1.), dass der für die Beschw­erde in Zivil­sachen erforder­liche Stre­itwert von CHF 30’000 nicht erre­icht sei, dass aber eine Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung vor­liege (siehe oben). Die Beschw­erde in Zivil­sachen war daher zulässig.

Anschliessend (E. 2.) prüfte das Bun­des­gericht die Frage, ob gestützt auf den Eheschutzentscheid vom 8. Feb­ru­ar 2013 defin­i­tive Recht­söff­nung für den Unter­halts­beitrag für August 2018 erteilt wer­den durfte oder nicht. Die obere kan­tonale Instanz hat­te dies bejaht, weil B. Beschw­erde in Zivil­sachen erhoben hat­te und der Entscheid vom 3. Juli 2018 daher nicht in Recht­skraft erwach­sen sei, weswe­gen der im Eheschutzentscheid ange­ord­nete Ehe­gat­te­nun­ter­halt während der Dauer des bun­des­gerichtlichen Ver­fahrens weit­er gelte. A. und die erste Instanz waren dage­gen der Ansicht, dass der Entscheid vom 3. Juli 2018 spätestens mit sein­er Eröff­nung in Recht­skraft erwach­sen sei; gle­ichzeit­ig sei damit der im Eheschutzentscheid ange­ord­nete Ehe­gat­te­nun­ter­halt mit Wirkung ex nunc dahinge­fall­en (E. 2.).

Das Bun­des­gericht erwog zunächst, dass von Amtes wegen zu prüfen sei, ob ein voll­streck­bar­er Entscheid vor­liegt, wobei das Urteil vor der Aus­fäl­lung des Recht­söff­nungsentschei­ds voll­streck­bar sein muss (E. 2.1). Fern­er wür­den Eheschutz­mass­nah­men oder vor­sor­gliche Mass­nah­men, die im Rah­men eines Schei­dungsver­fahrens ange­ord­net wur­den, als res­o­lu­tiv bed­ingt gel­ten. Grund­sät­zlich falle der mit Eheschutz- oder vor­sor­glichem Mass­nah­meentscheid fest­ge­set­zte Ehe­gat­te­nun­ter­halt dahin und werde durch eine allfäl­lige Schei­dungsrente erset­zt, sobald das Schei­dung­surteil bezüglich der Unter­halt­sregelung formell recht­skräftig wird (E. 2.2).

Anschliessend (E. 2.3.) ver­warf das Bun­des­gericht die Ansicht der Vorin­stanz, dass die Beschw­erde in Zivil­sachen trotz des grund­sät­zlich fehlen­den Sus­pen­siv­ef­fek­ts auch betr­e­f­fend Leis­tungs- und Fest­stel­lungskla­gen als ordentlich­es — d.h. den Ein­tritt der Recht­skraft hem­mendes — Rechtsmit­tel zu qual­i­fizieren sei. Das Bun­des­gericht ver­wies stattdessen auf seine bish­erige Recht­sprechung (E. 2.3.4.), wonach die Beschw­erde in Zivil­sachen die formelle Recht­skraft eines ange­focht­e­nen Beschw­erde- oder Beru­fungsentschei­ds nor­maler­weise nicht hemmt (wobei das Bun­des­gericht neben der Voll­streck­barkeit auch die Recht­skraft eines kan­tonalen Leis­tung­surteils von Amtes wegen oder auf Antrag ein­er Partei hin auf­schieben könne; solange dies aber nicht geschehen sei, bleibe das kan­tonale Urteil jedoch recht­skräftig und voll­streck­bar). An dieser Prax­is sei festzuhal­ten (E. 2.3.5.); zudem seien sich die Beschw­erde in Zivil­sachen gegen Leis­tungs- und Fest­stel­lung­surteile ein­er­seits und Beschw­erde gemäss Art. 319 ff. ZPO ander­er­seits sehr ähn­lich, und wäre es überdies von der Rechtsmit­tel­sys­tem­atik her nicht logisch, wenn in gewis­sen Angele­gen­heit­en zweitin­stan­zlich nur ein ausseror­dentlich­es, im Ver­fahren vor Bun­des­gericht aber plöt­zlich ein ordentlich­es Rechtsmit­tel gegeben wäre. Daher sei festzuhal­ten (E. 2.4.), dass die Unter­haltsverpflich­tung gemäss Eheschutzentscheid vom 8. Feb­ru­ar 2013 mit dem bere­its der Erstin­stanz vorgelegten Entscheid des Appel­la­tion­s­gerichts vom 3. Juli 2018 (eröffnet am 18. Juli 2018) dahinge­fall­en sei. Für den gestützt auf den Eheschutzentscheid in Betrei­bung geset­zten Unter­halt für August 2018 habe daher im mass­ge­blichen Zeit­punkt kein voll­streck­bar­er Titel im Sinne von Art. 80 SchKG vorgele­gen. Dem­nach wurde die Beschw­erde gut­ge­heis­sen, der ange­focht­ene Entscheid aufge­hoben und das Recht­söff­nungs­ge­such abgewiesen.