1C_245/2019: Kantonales Gesetz über die Abgeltung von Planungsmehrwerten / Freigrenze von CHF 50’000.00 zu hoch angesetzt (amtl. Publ.)

Im Ver­fahren 1C_245/2019 standen sich — wie bere­its im Ver­fahren 2C_886/2015 (vgl. Beitrag auf swissblawg.ch vom 17. Dezem­ber 2016) — der Kan­ton Basel-Land­schaft und die Gemeinde München­stein gegenüber. Am 27. Sep­tem­ber 2018 erliess der Lan­drat des Kan­tons Basel-Land­schaft das Gesetz über die Abgel­tung von Pla­nungsmehrw­erten (GAP; SGS 404). Das GAP enthält unter anderem die fol­gen­den Bestimmungen:

§ 2 Abs. 1

Auf die neue Zuweisung von Boden zu ein­er Bau­zone wird eine Abgabe von 20 % des Boden­mehrw­erts erhoben.

§ 2 Abs. 2

Die Gemein­den sind nicht berechtigt, weit­erge­hende Mehrw­ertab­gaben zu erheben.

§ 2 Abs. 3

Die Gemein­den kön­nen bei Quartier­pla­nun­gen und Aus­nah­meüber­bau­un­gen nach ein­heitlichem Plan mit der betrof­fe­nen Grun­deigen­tümer­schaft in einem ver­wal­tungsrechtlichen Ver­trag einen Infra­struk­turbeitrag in Form von Geld‑, Sach- oder Dien­stleis­tun­gen vere­in­baren, der mit dem Bau­vorhaben in Zusam­men­hang steht.

 

§ 4 Abs. 2

Beträgt der Mehrw­ert weniger als CHF 50’000.-, wird keine Abgabe erhoben. Sind von der Pla­nungs­mass­nahme mehrere Grund­stücke der­sel­ben Grun­deigen­tümer­schaft betrof­fen, so kann diese die Frei­gren­ze nur ein­mal beanspruchen.

Mit Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit­en gelangte die Ein­wohn­erge­meinde München­stein an das BGer und beantragte die Aufhe­bung von § 2 Abs. 2 GAP und von § 4 Abs. 2 GAP sowie weit­er­er Bes­tim­mungen des GAP. In Bezug auf die §§ 2 Abs. 2 und 4 Abs. 2 GAP heisst das BGer die Beschw­erde gut.

Das BGer ver­tritt die Auf­fas­sung, dass § 2 Abs. 2 GAP mit dem Rechts­gle­ich­heits­ge­bot nicht vere­in­bart wer­den könne. Es begrün­det dies damit, dass die Gemein­den nur bei Quartier­pla­nun­gen und Aus­nah­meüber­bau­un­gen nach ein­heitlichem Plan die Möglichkeit hät­ten, Mehrw­erte mit­tels ver­wal­tungsrechtlichem Ver­trag abzuschöpfen. In allen anderen Fällen, in denen durch Um- und Auf­zo­nun­gen erhe­bliche Pla­nungsvorteile entste­hen, ver­bi­ete § 2 Abs. 2 GAP den Gemein­den den Abschluss ver­wal­tungsrechtlich­er Verträge. Ein sach­lich­er Grund für diese Ungle­ich­be­hand­lung sei nicht ersichtlich.

Was § 4 Abs. 2 GAP bet­rifft, hält das BGer ein­lei­t­end fest, dass der Sinn und Zweck ein­er Frei­gren­ze nicht darin liege, den von einem Pla­nungsmehrw­ert prof­i­tieren­den Grun­deigen­tümern einen “Rabatt” zu gewähren. Vielmehr solle die öffentliche Hand davon ent­bun­den wer­den, Ver­fahren zur Erhe­bung von Ein­nah­men einzuleit­en, die den dafür notwendi­gen Aufwand nicht oder kaum deck­ten. Im BGE 143 II 568 beze­ich­nete das BGer in Berück­sich­ti­gung der vom Stän­der­at ursprünglich favorisierten Fas­sung von Art. 5 Abs. 1quinquies lit. b RPG und der Mei­n­un­gen aus der Lit­er­atur einen Betrag von CHF 30’000.00 als Richtwert.

Ist nach dem Aus­ge­führten für die Zuläs­sigkeit der Frei­gren­ze von einem Richtwert von CHF 30’000.– auszuge­hen und lässt sich die Frei­gren­ze mit dem Rechts­gle­ich­heits­ge­bot umso eher vere­in­baren, je tiefer der gewählte Wert ist, bedür­fen erhe­blich über den Richtwert hin­aus­ge­hende Werte ein­er beson­deren Recht­fer­ti­gung. Trotz der betr­e­f­fend­en Kri­tik der Beschw­erde­führer legt der Kan­ton Basel-Land­schaft jedoch nicht dar, von welchem Erhe­bungsaufwand er aus­ge­ht bzw. weshalb ein ungün­stiges Ver­hält­nis zwis­chen dem voraus­sichtlichen Abgabeer­trag und dem Erhe­bungsaufwand eine Frei­gren­ze von CHF 50’000.– recht­fer­ti­gen soll. (E. 5.6.)

Das BGer hebt die §§ 2 Abs. 2 und 4 Abs. 2 GAP auf und weist die Beschw­erde im Übri­gen ab.