Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 11. März 2021 beurteilte das BGer die Rechtmässigkeit der Dringlichkeitsklausel des Zürcher Urnenabstimmungsgesetzes. Am 23. November 2020 erliess der Kantonsrat des Kantons Zürich das Gesetz über Urnenabstimmungen in Versammlungsgemeinden während der Corona-Pandemie (Urnenabstimmungsgesetz; LS 818.12). Das Urnenabstimmungsgesetz ermächtigt unter anderem die Gemeindevorstände von Versammlungsgemeinden, zur Festsetzung des Steuerfusses sowie zur Genehmigung der Jahresrechnung in Abweichung vom Gemeindegesetz (GG; LS 131.1) eine Urnenabstimmung anzuordnen. Der Kantonsrat erklärte das Gesetz als dringlich im Sinne von Art. 37 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Zürich (KV; LS 101). Die Beschwerdeführer (Junge SVP Kanton Zürich; Jungfreisinige Kanton Zürich; Camille Lothe) rügen vor BGer, dass die Dringlicherklärung des Urnenabstimmungsgesetzes gegen Art. 37 KV (und Art. 34 BV) verstosse, weil es sich beim dringlich erklärten Gesetz nicht um eine gewichtige Angelegenheit handle und die Dringlichkeit weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht gegeben sei. Das BGer weist die Beschwerde ab.
Zunächst zeichnet das BGer den Verlauf der COVID-19-Pandemie in der Schweiz ausführlich nach (Erw. 2.4.). Was das erhebliche Interesse an der sofortigen Inkraftsetzung des Urnenabstimmungsgesetzes betrifft, hält das BGer folgendes fest:
Die Lage, auch die rechtliche, war [im Herbst 2020] ausgesprochen volatil. Es musste realistischerweise von einer Woche auf die andere damit gerechnet werden, dass generell oder in einzelnen, von der Pandemie besonders betroffenen Gemeinden, die Gemeindeversammlungen nicht mehr ordnungsgemäss durchgeführt werden könnten. Die Beschlussfassung im Urnenverfahren war demgegenüber von der Pandemie weit weniger gefährdet. Als der Kantonsrat am 23. November 2020 den Beschluss über die Annahme des Urnenabstimmungsgesetzes fasste, standen Versammlungsgemeinden vor dem Problem, dass ihre Gemeindebudgets und Steuerfüsse für das Jahr 2021 noch nicht festgesetzt waren. Es wurde zunehmend unwahrscheinlicher, dass sie dies, wie von Art. 101 Abs. 3 des Gemeindegesetzes des Kantons Zürich […] vorgeschrieben, bis Ende 2020 tun könnten. […] Das Urnenabstimmungsgesetz hätte vor diesem Hintergrund seinen Zweck verfehlt, wenn es nicht sofort in Kraft gesetzt worden wäre. Um die Beschluss- und Funktionsfähigkeit der Gemeinden sicherzustellen, ermöglicht das Urnenabstimmungsgesetz, die hierzu unerlässlichen finanzpolitischen Beschlüsse gegebenenfalls im Urnenverfahren zu fassen. An der sofortigen Eröffnung dieses alternativen Wegs der Beschlussfassung besteht […] demnach ein erhebliches Interesse. (Erw. 2.5.3.)
Zur Frage, ob zwingende, ausserordentliche Gründe für die Dringlicherklärung vorliegen, sagt das BGer, dass das dringlich erklärte Gesetz angesichts der durch die Pandemiesituation erheblich gefährdeten Beschluss- und Funktionsfähigkeit der Versammlungsgemeinden sowie der ebenfalls erheblich gefährdeten Gesundheit der Stimmberechtigten bei der Durchführung von Gemeindeversammlungen eine wichtige Sache betreffe. Im Interesse, die Funktionsfähigkeit der Gemeinden aufrechtzuerhalten, die kommunalen politischen Rechte optimal zu gewährleisten und die Pandemie zu bekämpfen, ertrage das Inkrafttreten des Urnenabstimmungsgesetzes keinen Aufschub.