5A_301/2021: Eingriff in das Existenzminimum bei Schuldneranweisung

Im Urteil 5A_301/2021 vom 21.6.2021 beurteilte das Bun­des­gericht, ob sich ein Ein­griff in das Exis­tenzmin­i­mum des Unter­haltss­chuld­ners im Rah­men ein­er Schuld­ner­an­weisung mit dem Recht auf Hil­fe in Not­la­gen (Art. 12 BV) und dem Willkürver­bot (Art. 9 BV) vere­in­baren lässt.

Die Vorin­stanz hielt fest, in das Exis­tenzmin­i­mum des Unter­haltss­chuld­ners könne einge­grif­f­en wer­den, wenn der Unter­halts­gläu­biger darauf angewiesen sei, um sein eigenes Exis­tenzmin­i­mum zu deck­en. Der Ein­griff sei so zu bemessen, dass Unter­haltss­chuld­ner und ‑gläu­biger sich im gle­ichen Ver­hält­nis ein­schränken müssten (sog. Mankoteilung).

Der Unter­haltss­chuld­ner erkan­nte darin einen unzuläs­si­gen Ein­griff in das Recht auf Hil­fe in Not­la­gen nach Art. 12 BV. Gemäss Bun­des­gericht zu Unrecht. Art. 12 BV regle nicht die fam­i­lien­rechtliche Unter­halt­spflicht, son­dern das Ver­hält­nis zwis­chen hil­fs­bedürftigem Bürg­er und Staat. Zudem wirke sich die Mankoteilung in Bezug auf Art. 12 BV neu­tral aus, da sie zwar unter Umstän­den eine Hil­fs­bedürftigkeit der unter­haltsverpflichteten Per­son schaffe, dafür aber die Hil­fs­bedürftigkeit der unter­halts­berechtigten Per­son im Gle­ich­schritt ver­rin­gere. Fol­glich berufe sich der Unter­haltss­chuld­ner vergebens auf Art. 12 BV (E. 4.2).

Dem Argu­ment des Unter­haltss­chuld­ners, der Ein­griff in sein Exis­tenzmin­i­mum sei willkür­lich, hielt das Bun­des­gericht ent­ge­gen, er zeige die Willkür nicht mit hin­re­ichen­der Präzi­sion auf und sie springe auch nicht ger­ade in die Augen. Gemäss den auch bei der Schuld­ner­an­weisung zu beach­t­en­den voll­streck­ungsrechtlichen Grund­sätzen könne zeitlich begren­zt in das Exis­tenzmin­i­mum des Schuld­ners einge­grif­f­en wer­den, wenn ihn Fam­i­lien­mit­glieder betreiben und dies zur Deck­ung ihres Exis­tenzmin­i­mums nötig sei. Der Beschw­erde­führer ver­weise in anderem Kon­text zwar nicht zu Unrecht darauf, dass die Vorin­stanz, der zeitlichen Beschränkung eines solchen Ein­griffs keine Beach­tung geschenkt habe. Dies allein lasse den ange­focht­e­nen Entscheid aber nicht offen­sichtlich als willkür­lich erscheinen (E. 4.3).

Das Urteil hat Leitcharak­ter, da das Bun­des­gericht soweit ersichtlich erst­mals eine Schuld­ner­an­weisung schützt, die in das Exis­tenzmin­i­mum der unter­haltsverpflichteten Per­son ein­greift; bis­lang hat das Bun­des­gericht einen solchen Ein­griff lediglich obiter dic­tum in BGE 110 II 9 E. 4b für zuläs­sig erk­lärt. Zudem präzisiert das Bun­des­gericht die Voraus­set­zun­gen für einen solchen Ein­griff. Anlehnend an seine Recht­sprechung zur Einkom­men­spfän­dung ver­langt das Bun­des­gericht, dass:

  1. die Schuld­ner­an­weisung auf Antrag des unter­halts­berechtigten Fam­i­lien­mit­glieds erge­ht (und nicht etwas des unter­halts­bevorschussenden Gemeinwesens);
  2. das Fam­i­lien­mit­glied auf die Unter­halts­beiträge angewiesen ist, um das eigene Exis­tenzmin­i­mum zu deck­en und
  3. der Ein­griff in das Exis­tenzmin­i­mum zeitlich begren­zt wird.

Unklar bleibt die Voraus­set­zung der zeitlichen Beschränkung, also für wie lange eine Schuld­ner­an­weisung in das Exis­tenzmin­i­mum der unter­haltsverpflichteten Per­son ein­greifen darf. Die Recht­sprechung zur Einkom­men­spfän­dung, wo das Bun­des­gericht einen Ein­griff in das Exis­tenzmin­i­mum für Unter­halts­forderun­gen aus dem let­zten Jahr vor Zustel­lung des Zahlungs­be­fehls zulässt (vgl. BGE 116 II 10 E. 2), hil­ft nicht weit­er. Die Schuld­ner­an­weisung bet­rifft in der Regel nicht bere­its zurück­liegende, son­dern zukün­ftige Unterhaltsbeiträge.