Das Bundesgericht äusserte sich in diesem Urteil zur Präklusionswirkung eines Vorverfahrens. Es entschied, dass keine solche Wirkung mit Verwirkungsfolge eintritt, wenn in einem nachfolgenden Verfahren ein Anspruch geltend gemacht wird, der thematisch derart eng mit dem im Vorverfahren beurteilen Anspruch zusammenhängt, dass der Anspruch des Zweitverfahrens als “Verteidigungsmittel” in den Erstprozess hätte eingebracht werden können.
Hintergrund war die Bankbeziehung zwischen der A. Ltd und der Bank B. AG. Da es im Konto der A. Ltd zu einer Unterdeckung kam, erliess die Bank B. AG einen Margin Call (Forderug zusätzlicher Sicherheiten), welchem die A. Ltd keine Folge leistete. Daraufhin kündigte die Bank B. AG die Bankbeziehung, stellte die von der A. Ltd gehaltenen Positionen glatt und liquidierte die verbleibenden Positionen. Anschliesslich klage die Bank B. AG gegen die A. Ltd auf Bezahlung des verbleibenden Negativsaldos. Die A. Ltd liess sich im gesamten Verfahren nicht vernehmen, woraufhin sie zur Bezahlung des von der Bank B. AG verlangten Betrags verurteilt wurde (nachfolgend “Erstverfahren”). Rund ein Jahr später klagte die A. Ltd gegen die Bank B. AG auf Schadenersatz aus Vertragsverletzung (nachfolgend “Zweitverfahren”). Nachdem die Bank B. AG die Einrede der abgeurteilten Sache erhob, trat das Handelsgericht Zürich gestützt auf Art. 59 Abs. 2 lit. e ZPO auf die Klage nicht ein. Das Bundesgericht hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur weiteren Behandlung an die Vorinstanz zurück.
Nachdem das Bundesgericht zunächst seine im Zusammenhang mit der materiellen Rechtskraft sowie der Identität von Streitgegenständen ergangene Rechtsprechung in Erinnerung rief (E. 3.2–3.3), verwarf es die Erwägung des Handelsgericht (E. 4.1), wonach Klageidentität vorliege, indem die A. Ltd mit ihrer Klage der Bank B. AG die Ereignisse im Zusammenhang mit der Liquidierung der Positionen erneut aufwerfe. Es liege, so das Bundesgericht, keine Klageidentität vor, da im Erstverfahren die Bank B. AG die Durchsetzung ihres vertraglichen Anspruchs auf Ausgleichung der Unterdeckung geltend gemacht habe, während im Zweitverfahren die A. Ltd Ersatz des Schadens verlange, der ihr daraus entstanden sei, dass die Bank B. AG in (angeblich) vertragswidriger Weise keine marktgerechten/fairen Preise angeboten habe (E. 5.1).
Ebenso habe, so das Bundesgericht weiter, der Einwand der Bank B. AG, wonach ihr Liquidationsrecht nicht geschützt und ihre Klage abgewiesen worden wäre, wenn dies in Verletzung ihrer Vertragspflichten erfolgt wäre, nichts mit der Identität der Klageanträge zu tun. Vielmehr gehe es der Bank B. AG darum, dass das von ihr im Erstverfahren erstrittene Urteil nicht dadurch zunichte gemacht werde, indem die A. AG im Zeitverfahren Angriffs- beziehungsweise Verteidigungsmittel vorbringe, die zum Streitgegenstand des Erstverfahrens gehört hätten (E. 5.2).
Hinsichtlich der Frage dieser Präklusionswirkung des Ersturteils erinnerte das Bundesgericht daran, dass einzig das Dispositiv des Ersturteils in Rechtskraft erwachse, nicht aber Feststellungen zu präjudiziellen Rechtsverhältnissen und zu sonstigen Neben- und Vorfragen sowie weitere Rechtsfolgen, die sich aus dem Inhalt des Ersturteils mit logischer Notwendigkeit ergeben mögen. Nicht alles, womit sich das Gericht im Erstprozess beschäftigt habe (oder hätte beschäftigen sollen), werde materiell rechtskräftig. Damit in Zusammenhang stehe der Dispositionsgrundsatz (Art. 58 Abs. 1 ZPO), der es verbiete, den Parteien Entscheidungen aufzudrängen, die sie gar nicht verlangt hätten. Ob im Erstverfahren vorfrageweise und implizit “(mit-)entschieden” worden wäre, dass sich die Bank B. AG bei der Glattstellung der Positionen der A. Ltd vertragskonform verhalten hatte, sei deshalb nicht relevant. Die materielle Rechtskraft erstrecke sich nicht auf den “Entscheid” über diese Vorfrage. Ebenso sei die Klage der A. AG nicht unzulässig, wenn die Streitsache “thematisch” zum Erstverfahren “passe” und es “im Kern” um Ähnliches gehe. Eine Ausnahme gelte, so das Bundesgericht, einzig im Fall der Verrechnung (E. 5.3.2).
Weiter erwog das Bundesgericht, dass sich grundsätzlich keine Partei zur Durchsetzung eigener Ansprüche — sei es verrechnungs- oder widerklageweise oder sonstwie — zwingen zu lassen brauche. Vielmehr mache die A. Ltd mit dem eingeklagten Schadenersatzanspruch einen eigenständigen Anspruch geltend. Der Einwand der Bank B. AG, die behauptete Vertragswidrigkeit ihres Verhaltens dürfe im Zweitverfahren zufolge der Res-iudicata-Wirkung nicht geltend gemacht werden, könnte somit höchstens dann in Betracht fallen, wenn sie, was vorliegend nicht zutraf, eine negative Feststellungsklage erhoben hätte, dass sie im Zusammenhang mit der behaupteten Vertragswidrigkeit keine Haftung treffe. Zwar bringe die Bank B. AG vor, im Erstverfahren den Vorwurf, keine marktkonformen Preise gestellt zu haben, und folglich den im nun eingeklagten Schadenersatzanspruch ausdrücklich zum Thema gemacht zu haben. Diese Ausführungen — so die damals säumige Beschwerdeführerin darauf reagiert hätte — hätten indes, so das Bundesgericht, einzig Teil der Urteilsbegründung sein können. Darauf erstrecke sich die Rechtskraft nicht (E. 5.3.3).
Im Übrigen setze Präklusion von Tatsachen voraus, dass sie im Erstverfahren hätten erheblich sein können. Es könne einer Partei im Zweitprozess nicht vorgehalten werden, sie hätte eine Tatsache oder einen Einwand im Erstprozess bei sonstiger Präklusion einbringen müssen, wenn das betreffende Verteidigungsmittel im Erstprozess nichts zur Sache getan hätte, mithin irrelevant gewesen wäre. Die Bank B. AG habe denn auch selbst ausgeführt, dass “einzig entscheidend” sei, dass die A. Ltd trotz Unterdeckung keine weitere Deckung beigebracht habe; auf die Vertragskonformität des Verhaltens der Bank B. AG betreffend das Angebot zur Glattstellung der Optionen komme es mit anderen Worten nicht an. Dementsprechend habe das Handelsgericht im Ersturteil darauf mit keinem Wort Bezug genommen. Der Einwand der A. Ltd, die Bank B. AG habe pflichtwidrig Optionspreise gestellt, hätte am Ausgang des Erstprozesses — so selbst die Bank B. AG im damaligen Verfahren — nichts geändert, sei doch allein die eingetretene Unterdeckung massgebend gewesen (E. 5.3.4).