Gesetzesänderungen per 1. Januar 2023
Infolge der Aktienrechtsrevision, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist (vgl. Beitrag von Martin Rauber vom 3. Februar 2022), und des Inkraftretens der Revision des Bankengesetztes wurde das Sanierungsrecht wie folgt revidiert (vgl. Botschaft BBl 2017 399, S. 462 ff. sowie S. 632 ff.):
- Streichung von Art. 725a OR (Konkursaufschub)
- Einführung eines Frühwarnsystems (nArt. 725 ff. OR)
- Änderung folgender Bestimmungen im SchKG:
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- nArt. 173a Abs. 2 SchKG
Das Gericht kann den Entscheid über den Konkurs auch von Amtes wegen aussetzen, wenn Anhaltspunkte für eine unmittelbare Sanierung oder für das Zustandekommen eines Nachlassvertrags bestehen; es überweist die Akten dem Nachlassgericht. - nArt. 173b Abs. 2 SchKG
Der Konkurszuständigkeit der FINMA unterstehen nur Schuldner, die über die erforderliche Bewilligung der FINMA verfügen.
- nArt. 173a Abs. 2 SchKG
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- nArt. 285 Abs. 4 SchKG
Nicht anfechtbar sind ferner andere Verbindlichkeiten, die mit Zustimmung des Sachwalters während der Stundung eingegangen wurden. - nArt. 295 Abs. 4 SchKG
Auf die Geschäftsführung des Sachwalters sind die Artikel 8, 8a, 10, 11, 14, 17–19, 34 und 35 sinngemäss anwendbar. - nArt. 319 Abs. 1 SchKG
Mit der Vollstreckbarkeit der Bestätigung des Nachlassvertrags mit Vermögensabtretung erlöschen das Verfügungsrecht des Schuldners und die Zeichnungsbefugnis der bisher Berechtigten. - nArt. 319 Abs. 4 SchKG
Die Liquidatoren vertreten die Masse vor Gericht. Artikel 242 gilt sinngemäss.
- nArt. 285 Abs. 4 SchKG
Zu aktuellen Informationen über Gesetzänderungen, die das SchKG tangieren, siehe auch die News aus Bern der SchKG Vereinigung.
Zu den Pflichten des Verwaltungsrats gemäss nArt. 725 ff. OR, siehe u.a. Glanzmann, Pflichten des Verwaltungsrats im neuen Sanierungsrecht.
Pro Memoria: Eine erste Revision i.Z.m. der Aktienrechtsrevision erfolgte bereits 2020 (Art. 293a Abs. 2 SchKG, vgl. Botschaft BBl 2017 399, S. 634 f.).
Geplante Gesetzesänderungen per 1. Januar 2024
(Inkrafttreten nur teilweise bestätigt)
Die Bestimmungen des Verischerungsaufsichtsgesetzes (VAG) werden per 1. Januar 2024 revidiert. Neu kann ein Versicherungsunternehmen im Insolvenzfall saniert werden (vgl. u.a. nArt. 51a VAG und nArt. 52a ff. VAG).
Im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung der Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung werden Art. 64a KVG und Art. 93 SchKG revidiert (Inkrafttreten noch nicht bestätigt).
Geplante Gesetzesänderungen per 1. Januar 2025
(Inkrafttreten nur teilweise bestätigt)
Die ZPO-Revision (siehe Referendumsvorlage) tritt per 1. Januar 2025 in Kraft. U.a. wurden Art. 145 Abs. 4 ZPO und Art. 56 SchKG zu den Gerichts- und Betreibungsferien geändert:
- nArt. 145 Abs. 4 ZPO
Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Stillstand der Fristen sind für alle Klagen nach dem SchKG, die vor einem Gericht einzureichen sind, anwendbar. Sie sind für die Beschwerde vor der Aufsichtsbehörde nicht anwendbar. - nArt. 56 Abs. 4 SchKG
Für die Klagen nach diesem Gesetz, die vor einem Gericht einzureichen sind, sind ausschliesslich die Bestimmungen der ZPO über den Stillstand der Fristen anwendbar.
Es handelt sich um “last minute” Änderungen, die an der Sondersession des Nationalrats vom 10. Mai 2022 (zweite Sitzung) nur zwei Mal erwähnt wurden.
Christian Lüscher:
“Les articles 145 alinéa 4 CPC et 56 alinéa 2 de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP), adoptés par 19 voix contre 2 et aucune abstention, concernent, de manière symétrique, la coordination de la suspension des délais entre le CPC et la LP. Actuellement, personne n’est en mesure de répondre de manière fiable à la question de savoir si des suspensions de délai entre la notification d’une décision accordant la mainlevée provisoire et le dépôt d’une action en libération de dette s’appliquent; il en est de même pour le dépôt d’une action judiciaire en contestation d’une revendication dans la saisie. Il y a même des doutes pour un recours CPC contre une décision admettant ou rejetant une requête de mainlevée définitive, certains auteurs et tribunaux envisageant d’appliquer la LP.
Le système préconisé par la commission vise à simplifier les règles et à créer deux catégories logiques: d’un côté, les actes destinés à un tribunal qui sont soumis au CPC en matière de suspension, de l’autre côté, les actes destinés à un office des poursuites ou à une autorité de surveillance LP, qui sont eux soumis à la LP, c’est-à-dire aux articles 56 à 63 LP.
Concrètement et de manière extrêmement simple, on appliquera le CPC lorsqu’on s’adresse à un juge et la LP lorsqu’on s’adresse à une autorité administrative ou de surveillance.”
Philipp Matthias Bregy:
“Bei Artikel 145 Absatz 4 ZPO und Artikel 56 Absatz 2 SchKG haben wir realisiert, dass es bei zivilrechtlichen Verfahren und betreibungsrechtlichen Verfahren bezüglich der Fristen Unklarheiten gibt, insbesondere auch bezüglich des Fristenstillstands. Alle, die in dieser Domäne tätig sind, wissen, dass solche Verfahren oftmals parallel und gleichzeitig laufen und sich gegenseitig beeinflussen. Ihre Kommission hat eine einfache Formulierung gewählt: Alles, was nach den Regeln der ZPO erfolgt, hat auch diese Stillstandsfristen zu berücksichtigen. Alles, was nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs erfolgt, hat diese Regeln zu berücksichtigen. Das schafft aus unserer Sicht in dieser Situation eine klare Verbesserung.”
Bedeutet dies, dass die Betreibungsferien im Rechtsöffnungsverfahren nicht mehr gelten sollen? Beim Rechtsöffnungsgesuch handelt es sich aber nicht um eine “Klage”… Siehe die Meinung von Staehelin/von Mutzenbecher, Die Revision der ZPO vom 17. März 2023, in: SJZ-RSJ 16–17/2023 | S. 815 ff. (S. 823) zu dieser Frage.
Unklar ist auch, ob die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Geltung der Gerichtsferien während bereits eingeleiteten SchKG Gerichtsverfahren (im ordentlichen und vereinfachten Verfahren) und Rechtsmittelverfahren weiterhin gelten sollte (vgl. BGE 143 III 149, E. 4.2 und E. 2.4.1.2, sowie BGE 149 III 179, E. 4.2: Die Gerichtsferien gelten für bereits eingeleitete SchKG Gerichtsverfahren inkl. Rechtsmittelfristen, unabhängig davon, ob eine Betreibungshandlung vorliegt oder nicht).
Weitere Gesetzesänderungen, die voraussichtlich per 1. Januar 2025 in Kraft treten (jedoch noch nicht bestätigt):
- Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses (Änderung des Obligationenrechts, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzes, des Strafregistergesetzes und des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer) das u.a. zu folgenden wichtigen Änderungen führt:
- nArt. 727a Abs. 2 und 2bis OR
- nArt. 928b Abs. 3 OR
- wichtige Änderung: Art. 43 Ziff. 1 und 1bis SchKG werden aufgehoben
- nArt. 222a SchKG
- nArt. 230 Abs. 2 SchKG
- Art. 112 Abs. 4 DBG