4A_418/2024: Die Schutzschrift (Art. 270 ZPO) und das Vorgehen bei einer superprovisorischen Anordnung einer vorsorglichen Massnahme

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 4A_418/2024 vom 20. Dezem­ber 2024 zeigte das Bun­des­gericht die erforder­lichen gerichtlichen Ver­fahren­shand­lun­gen bei einem Gesuch um super­pro­vi­sorische Anord­nung ein­er vor­sor­glichen Mass­nahme auf, wenn eine Schutzschrift nach Art. 270 ZPO hin­ter­legt wurde. Das im konkreten Fall zuständi­ge Bun­despatent­gericht wies ein Mass­nah­me­begehren ab. Das Bun­despatent­gericht erwog, gestützt auf die Aus­führun­gen in der Schutzschrift, dass eine Ver­let­zung des der Gesuch­stel­lerin zuste­hen­den Anspruchs nicht glaub­haft gemacht sei. Die Schutzschrift stellte das Bun­despatent­gericht der Gesuch­stel­lerin erst mit dem abweisenden Entscheid zu, worin die Gesuch­stel­lerin eine Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs erblickte.

Wesentliche Erwägungen

Das Bun­des­gericht gibt in diesem Entscheid einen «Fahrplan» vor, mit dem das auch im Mass­nah­mev­er­fahren gel­tende unbe­d­ingte Rep­likrecht (E. 4.1) gewahrt wer­den kann:

Wenn eine Schutzschrift hin­ter­legt und ein super­pro­vi­sorisches Mass­nah­mege­such gestellt wor­den sei, müsse das Gericht in einem ersten Schritt anhand dieser bei­den Eingaben über das Super­pro­vi­so­ri­um entschei­den, ohne dass es zuvor die Eingaben der jew­eili­gen Gegen­partei zuzustellen habe (E. 4.5).

Der zweite Schritt hängt gemäss dem Bun­des­gericht davon ab, ob das Gericht eine Mass­nahme super­pro­vi­sorisch ver­fügt oder nicht.

Ist das Gesuch offen­sichtlich unzuläs­sig oder offen­sichtlich unbe­grün­det, ohne dass das Gericht die Schutzschrift zu kon­sul­tieren brauche, könne es das Gesuch ablehnen (Art. 253 ZPO). Sobald die Ablehnung des Super­pro­vi­so­ri­ums jedoch gestützt auf die Schutzschrift erfol­gt, müsse das Gericht zum kon­tradik­torischen Ver­fahren überge­hen und prüfen, ob die Mass­nah­men, wenn nicht super­pro­vi­sorisch, immer­hin vor­sor­glich ange­ord­net wer­den könne. Die Schutzschrift allein dürfe aber keine Basis für eine sofor­tige Abweisung des gesamten Mass­nah­me­begehrens sein. Das Gericht müsse der Gesuchs­geg­ner­in die Möglichkeit geben, zum Gesuch Stel­lung zu nehmen – die Schutzschrift erset­ze diese Stel­lun­gahme nicht. Aus prak­tis­chen Grün­den empfehle es sich, die Schutzschrift erst zusam­men mit der Stel­lung­nahme der Gesuchs­geg­ner­in an die Gesuch­stel­lerin zu senden, die dann ihrer­seits ihr Rep­likrecht ausüben könne (zum Ganzen E. 4.5.1).

Ver­fügt das Gericht trotz der Vor­brin­gen in der Schutzschrift die anbegehrte Mass­nahme super­pro­vi­sorisch, könne der Gesuch­stel­lerin die Schutzschrift mit dem Entscheid zugestellt wer­den, da diese auf­grund der Gutheis­sung des Gesuchs nicht belastet ist. Die Schutzschrift erset­ze aber die in Art. 265 Abs. 2 ZPO vorgeschriebene Stel­lung­nahme nicht. Das Gericht habe daher bei der Anord­nung der super­pro­vi­sorischen Mass­nahme gle­ichzeit­ig zu ein­er unverzüglichen Ver­hand­lung zu laden oder die Gesuchs­geg­ner­in zur schriftlichen Stel­lung­nahme aufzu­fordern (zum Ganzen E. 4.5.2).

Conclusio

Da das Bun­despatent­gericht das gesamte Mass­nah­me­begehren abgewiesen hat­te, ohne dass sich die Gesuch­stel­lerin zur Schutzschrift äussern kön­nte, hat sie deren Anspruch auf rechtlich­es Gehör ver­let­zt (E. 4.6), weshalb der Entscheid ungeachtet der Erfol­gsaus­sicht­en in der Sache selb­st aufge­hoben wurde (E. 4.7).