Im Urteil 7B_1295/2024 vom 19. März 2025 befasste sich das Bundesgericht mit dem Recht eines Beschuldigten auf telefonischen Kontakt mit seiner Verteidigung, nachdem der Häftling um Erteilung einer “Dauertelefonbewilligung” für Telefonate mit seiner Verteidigung ersucht hatte.
Die inhaftierte Person kann nach Art. 235 Abs. 4 Satz 1 StPO frei und ohne inhaltliche Kontrolle mit der Verteidigung verkehren. Bei der Verteidigung handelt es sich demnach nicht um eine “andere Person” im Sinne von Art. 235 Abs. 2 StPO, deren Kontakt mit der inhaftierten Person durch die Verfahrensleitung zu bewilligen ist. Eine (befristete) Einschränkung dieses freien Verkehrs zwischen der inhaftierten Person und ihrer Verteidigung durch die Verfahrensleitung ist nach Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO nur bei begründetem Verdacht auf Missbrauch und mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts zulässig.
Von einer eigentlichen Einschränkung des freien Verkehrs im Sinne von Art. 235 Abs. 4 Satz 2 StPO zu unterscheiden sind administrative und organisatorische Schutzvorkehren zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt, welche lediglich die Modalitäten des Verkehrs mit der Verteidigung beschlagen. Die konkrete Ausgestaltung des Verkehrs der inhaftierten Person mit ihrer Verteidigung richtet sich nach kantonalem Vollzugsrecht (vgl. Art. 235 Abs. 5 StPO), wobei aber die bundesrechtlichen Vorgaben zu wahren sind (E. 4).
Hinsichtlich des Verkehrs mit der Verteidigung besteht kein absoluter Anspruch der inhaftierten Person auf freie Wahl des Kommunikationsmittels. Indessen hat die inhaftierte Person Anspruch darauf, dass sie – wenn sie es als notwendig erachtet – Kontakt mit ihrer Verteidigung aufnehmen kann und insoweit ihre Verteidigungsrechte gegenüber einer sich in Freiheit befindenden beschuldigten Person nicht eingeschränkt werden. Dieser verfassungs- und konventionsrechtlich garantierte Anspruch auf eine effektive Verteidigung (Art. 32 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK) darf nicht faktisch durch eine (zu) restriktive Ausgestaltung der konkreten Modalitäten des freien Verkehrs unterlaufen werden (E. 6.1).
Die inhaftierte Person verfügt nur dann über gleichwertige Verteidigungsrechte wie eine sich in Freiheit befindliche beschuldigte Person, wenn sie wie eine solche über die Möglichkeit verfügt, niederschwellig, kurzfristig und – was insbesondere beim Vorliegen einer Wahlverteidigung von Bedeutung ist – kostengünstig mit ihrer Verteidigung zu kommunizieren. Aufgrund des mit Gefängnisbesuchen verbundenen (allenfalls erheblichen) Zeitaufwands der Verteidigung vermag ein Besuchsrecht für sich alleine keine gleichwertige Verteidigung zu garantieren. Der Anspruch auf freie (briefliche) Korrespondenz mit der Verteidigung vermag die mit Gefängnisbesuchen verbundenen Limitationen des Anspruchs auf freien Verkehr mit der Verteidigung zwar bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren. Indessen gewährleistet einzig die Möglichkeit des telefonischen Verkehrs mit der Verteidigung, dass die inhaftierte Person ohne die mit einem Besuch oder dem postalischen Verkehr verbundenen Wartezeiten und Schwierigkeiten rechtlichen Beistand erhalten kann (E. 6.2).
Aus dem bundesrechtlich garantierten Anspruch auf freien Verkehr mit der Verteidigung gemäss Art. 235 Abs. 4 StPO ergibt sich somit auch ein grundsätzlicher Anspruch der inhaftierten Person auf telefonischen Verkehr mit ihrer Verteidigung. Der telefonische Verkehr zwischen der inhaftierten Person und ihrer Verteidigung darf indessen immerhin insoweit beschränkt werden, als dies für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in der Haftanstalt notwendig erscheint. So muss es grundsätzlich zulässig sein, betriebsbedingt bestimmte Telefonzeiten festzulegen oder die Zahl und Dauer der Anrufe zu beschränken (E. 6.2). Die konkrete Ausgestaltung der Modalitäten des telefonischen Kontakts mit der Verteidigung obliegt in diesem Rahmen den nach Massgabe des kantonalen Rechts zuständigen Vollzugsbehörden (Art. 235 Abs. 5 StPO; E. 6.4).