Im zur Publikation vorgesehenen Urteil 5A_440/2024 vom 31. März 2025 setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob Darlehen, die von nahestehenden Gläubigern an eine notleidende Gesellschaft gewährt wurden, im Konkurs der Gesellschaft nachrangig zu behandeln sind. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Darlehensforderungen erst dann nachrangig zu behandeln sind, wenn die Forderungseingabe der nahestenden Gläubiger rechtsmissbräuchlich ist. Solange eine Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht überschuldet ist, erscheinen die Darlehensgewährung und die spätere Geltendmachung der Forderung im Konkurs nicht als offenbar rechtsmissbräuchlich. Ferner kommt ein konkludenter Rangrücktritt erst in Betracht, wenn den Erklärungen der Parteien Anhaltspunkte für einen entsprechenden mutmasslichen Willen zu entnehmen sind. Ansonsten ist nicht davon auszugehen, dass der Darlehensgeber mit einem ihn belastenden Rangrücktritt zugunsten Dritter einverstanden ist.
Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die F AG Bauunternehmung (nachfolgend “F AG” oder “Gesellschaft”) und die A AG standen (weitgehend) im Eigentum von B, C, D und E. B, C, D und E waren zusammen mit einer weiteren Person Verwaltungsräte der A AG. C, D und E waren auch im Verwaltungsrat der F AG vertreten. Im Verlauf der Jahre 2016, 2017 und 2018 gewährten die A AG, B, C, D und E der F AG Darlehen. Über die F AG wurde mit Entscheid vom 30. April 2018 der Konkurs eröffnet. In der Folge meldeten die A AG, B, C, D und E (nachfolgend “Gläubiger”) Forderungen aus Darlehen, Miete und Arbeit im Konkurs über die F AG an. Mit Kollokationsverfügung des Gläubigerausschusses vom 22. August 2019 wurden die angemeldeten Forderungen nicht wie verlangt zugelassen.
Mit Eingabe vom 10. September 2019 erhoben die Gläubiger eine Kollokationsklage nach Art. 250 Abs. 1 SchKG gegen die Konkursmasse der F AG beim Regionalgericht Maloja und beantragten, die angemeldeten Forderungen seien in der dritten (und zu einem Teil in der ersten) Klasse zu kollozieren. Mit Entscheid vom 22. März 2022 entschied das Regionalgericht u.a., dass ein Teil der angemeldeten Forderungen als rangrücktrittsbelastete Forderungen dritter Klasse zu kollozieren ist. Dagegen erhoben die Gläubiger Berufung, die das Kantonsgericht Graubünden mit Entscheid vom 27. Mai 2024 (eröffnet am 5. Juni 2024). Das Kantonsgericht Graubünden erwog u.a. Folgendes (E. 3):
- Der vorliegende Fall entspreche nicht der in (zum massgeblichen Zeitpunkt geltenden) aArt. 725 Abs. 2 OR geregelten Konstellation, in welcher Gesellschaftsgläubiger vertraglich im Rang hinter die anderen Gläubiger zurücktreten. Zu entscheiden sei, wie Abhilfe geschaffen werde, wenn nahestehende Personen einer finanziell angeschlagenen Gesellschaft durch Gewährung von Darlehen ermöglichen, weiter am Wirtschaftsleben teilzunehmen, ohne dass die Situation der Gesellschaft dadurch grundsätzlich verbessert wird.
- Nach zutreffender Ansicht sei es geboten, die Forderungen der nahestehenden Personen in einer solchen Konstellation als nachrangig zu behandeln. Dies gelte allerdings nur, wenn die Gesellschaft bei Gewährung der Darlehen überschuldet gewesen sei. Liege keine Überschuldung vor, sei es grundsätzlich zulässig, dass Gesellschaften ihre Geschäftstätigkeit mit Hilfe von Gesellschafterdarlehen fortsetzten.
- Die Erstinstanz habe angeordnet, dass die Forderungen der Beschwerdeführer als rangrücktrittsbelastete Forderungen zu kollozieren seien. Das sei — gehe man davon aus, dass Nachrangigkeit und Überschuldung ein Junktim seien — nur zulässig, wenn die Bauunternehmung im Zeitpunkt der Darlehensgewährung überschuldet gewesen sei. Dass die finanzielle Lage des Baugeschäfts nachweislich sehr schlecht gewesen sei, reiche für die Anordnung der Nachrangigkeit nicht aus. Die Beschwerdeführer hätten mit der Berufung beanstanden können und — um die erstinstanzlich angeordnete Nachrangigkeit abzuwenden — beanstanden müssen, dass die mehrfach behauptete Überschuldung nicht nachgewiesen worden sei und die Vorinstanz deshalb die Forderung der Beschwerdeführer nicht als rangrücktrittsbelastete Forderung im dritten Rang hätte kollozieren dürfen. Weil die Beschwerdeführer in der Berufung aber gerade nicht vortrügen, die Überschuldung als Voraussetzung für die angeordnete Nachrangigkeit fehle, bleibe es beim erstinstanzlichen Entscheid.
- Die an sich zutreffende Bemerkung der Beschwerdeführer, die Erstinstanz habe nicht von einem vertraglichen Rangrücktritt ausgehen können, sei etwas anderes als die nicht vorgebrachte Rüge, die Nachrangigkeit hätte ohne feststehende Überschuldung nicht angeordnet werden dürfen.
Mit Eingabe vom 3. Juli 2024 erhoben die Gläubiger Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht und beantragten, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und ihre Forderungen in der dritten Klasse (ohne Rangrücktritt) zu kollozieren; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Mit Urteil vom 31. März 2025 hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Gläubiger gut, hob das Urteil der Vorinstanz auf und kollozierte die in Frage stehenden als Forderungen dritter Klasse. Die Sache wurde zur Neuregelung der Kosten des kantonalen Verfahrens an das Obergericht des Kantons Graubünden zurückgewiesen.
Keine Anschlussbeschwerde vor Bundesgericht, aber…
In prozessualer Hinsicht erwog das Bundesgericht, dass eine Anschlussbeschwerde vor Bundesgericht zwar nicht statthaft ist, “doch kann ein Beschwerdegegner in seiner Antwort auf die Beschwerde alle Beschwerdegründe geltend machen, um allfällige Fehler der kantonalen Entscheidung zu rügen, die ihm im Falle einer abweichenden Beurteilung der Sache durch das Bundesgericht nachteilig sein könnten (…). Er unterliegt dabei den gleichen Begründungs- und Rügeanforderungen wie die beschwerdeführende Partei” (E. 2.3).
Begründungsanforderungen
Die Konkursmasse der F AG machte vor Bundesgericht geltend, dass die Begründung der Beschwerde unzureichend sei (E. 4.2). Das Bundesgericht erwog, dass die Beschwerde den Begründungsanforderungen genügt (E. 4.3.1):
“Der Beschwerde lässt sich ohne Weiteres entnehmen, dass der Vorinstanz vorgeworfen wird, einerseits festgestellt zu haben, dass der Eintritt einer Überschuldung nicht geklärt sei, andererseits bei der Rechtsanwendung aber vom Vorliegen einer Überschuldung ausgegangen zu sein. Die Beschwerdeführer beanstanden mithin widersprüchliche Sachverhaltsannahmen innerhalb des angefochtenen Entscheids. Dass die Vorinstanz den Beschwerdeführern entgegengehalten hat, die fehlende Überschuldung nicht dargelegt zu haben, ändert — entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin — nichts an der Entscheidrelevanz der Überschuldung. Der Rangrücktritt setzt nach den Erwägungen der Vorinstanz eine Überschuldung voraus. Bei fehlender Überschuldung fehlt demnach die sachverhaltliche Grundlage für einen Rangrücktritt. Die Beschwerdeführer weisen (unter dem Titel “Keine Überschuldung”) darauf hin, das Kantonsgericht habe selber zutreffend festgehalten, dass die Erstinstanz sich nicht auf das massgebende Kriterium — die Überschuldung — berufen konnte und dies zur Anordnung der Kollokation in der dritten Klasse hätten führen müssen, da eine Überschuldung nicht bewiesen sei. Auch wenn die Beschwerdeführer nicht auf die rechtlichen Erwägungen zum Rangrücktritt eingehen (sondern diese bestätigen), setzen sie sich daher hinreichend mit dem angefochtenen Entscheid auseinander. Daran ändert auch der Verweis der Beschwerdegegnerin auf die Feststellung eines konkludenten bzw. “ungeschriebenen” Rangrücktritts im erstinstanzlichen Entscheid nichts. Die erste Instanz, deren Entscheid ohnehin nicht Anfechtungsobjekt des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet, hat die Forderungen der Berufungskläger aufgrund der prekären finanziellen Situation der Gesellschaft aus rechtlichen Gründen — mithin nicht wegen eines tatsächlich erklärten Rangrücktritts — als nachrangig behandelt.”
Berechtigte Willkürrüge: Eine Überschuldung im Zeitpunkt der Darlehensgewährung war nicht erstellt
In diesem Zusammenhang kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die von den Gläubigern erhobene Wilkürrüge, die auf eine Rüge der Verletzung von Art. 57 ZPO hinauslief, begründet ist (E. 4.3.2):
- Aus den vorinstanzlichen Feststellungen ergibt sich, dass weder die Überschuldung der Gesellschaft noch deren Zeitpunkt geklärt bzw. belegt worden sind.
- Soweit die Beschwerdegegnerin vorträgt, das erstellte Tatsachenfundament lasse eine Überschuldung als überaus wahrscheinlich erscheinen und bei der Überschuldung handle es sich um einen Rechtsbegriff, ändert das nichts daran, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Überschuldung nach diesen Feststellungen nicht erstellt sind.
- Die Vorinstanz hält den Beschwerdeführern indessen entgegen, sie hätten beanstanden müssen, dass die Überschuldung nicht nachgewiesen worden sei und die Erstinstanz ihre Forderungen deshalb nicht als rangrücktrittsbelastete Forderungen im dritten Rang hätte kollozieren dürfen.
- Abgesehen von offensichtlichen Mängeln beschränkt sich die Überprüfung durch die Berufungsinstanz zwar darauf, die Beanstandungen zu beurteilen, welche die Parteien in ihren schriftlichen Begründungen (Art. 311 Abs. 1 und Art. 312 Abs. 1 ZPO) gegen das erstinstanzliche Urteil erheben (…). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Berufungsinstanz von ihren eigenen Sachverhaltsfeststellungen oder ihrer im Urteil geäusserten Rechtsauffassung abweichen darf mit der Begründung, eine Partei habe keine entsprechenden Rügen vorgetragen. Wenn die Vorinstanz festgestellt hat, dass die Überschuldung nicht erstellt ist, hätte sie das Recht auf diesen Sachverhalt anwenden müssen.
- In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz erwogen, dass die Forderungen bei fehlender Überschuldung (ohne Rangrücktritt) in der dritten Klasse zu kollozieren gewesen wären. Da die Vorinstanz selber von dieser Rechtslage bei fehlender Überschuldung ausgegangen ist und genügend Anlass zur Prüfung der Rechtsfrage gesehen hat, kann sie den Beschwerdeführern nicht entgegenhalten, hierzu keine Ausführungen gemacht zu haben, zumal sie das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte (Art. 57 ZPO).
Der beanstandete Mangel war für das Bundesgericht relevant für den Ausgang des Verfahrens. weshalb sich die Willkürrüge auch in der Sache als begründet erwies. Das Bundesgericht erwog, dass der Rechtsanwendung in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen ist, und dass eine Überschuldung der Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht erstellt war.
Kollokation von Darlehen, die von nahestehenden Personen gewährt wurden
Zeitpunkt des Entscheids über den Rangrücktritt
Zunächst rief das Bundesgericht in Erinnerung, dass über den Rangrücktritt bei der Kollokation und nicht erst bei der Verteilung zu entscheiden ist (E. 5.1).
Der Rangrücktritt im Schweizer Recht
Das Bundesgericht stellte fest, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Darlehen nahestehender Personen im Konkurs nachrangig zu behandeln sind, im schweizerischen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist. Mit dem Rangrücktritt befasste sich im Zeitpunkt der vorliegend strittigen Darlehensgewährung einzig aArt. 725 Abs. 2 OR (der nun durch Art. 725b Abs. 4 Ziff. 1 OR ersetzt wurde). Beim in dieser Bestimmung geregelten Rangrücktritt handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Gläubiger und der Gesellschaft. Das Bundesgericht präzisierte jedoch, dass es bei der vorliegenden Fragestellung um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Darlehensforderung unabhängig von einem entsprechenden Willen des Gläubigers im Konkurs mit einem Rangrücktritt belastet ist (E. 5.4).
Kollozierung von Darlehen nahestehender Personen an notleidende Gesellschaften
Beim Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs
In der Folge setzte sich das Bundesgericht mit der Kollozierung von Darlehen nahestehender Personen an notleidende Gesellschaften auseinander und stellte fest, dass solche Darlehen in der Literatur als problematisch erachtet werden, da sie der Gesellschaft die weitere Teilnahme am Wirtschaftsleben ohne wirkliche Sanierung ermöglichen , wodurch Gläubiger bereits bestehender und neuer Forderungen geschädigt werden können. Um dieser Problematik zu begegnen, wird zum Teil vorgeschlagen, kapitalersetzende Darlehen nahestehender Personen unter bestimmten Voraussetzungen in Eigenkapital umzuqualifizieren. Für einen anderen Teil der Lehre sind solche Forderungen unter bestimmten Voraussetzungen als nachrangig, d.h. den Forderungen der dritten Klasse (vgl. Art. 219 Abs. 4 SchKG) nachgehend zu behandeln. Das Bundesgericht stellte fest, dass unterschiedliche Auffassungen auch bezüglich der dogmatischen Begründung und der Voraussetzungen einer Umqualifizierung bzw. nachrangigen Behandlung von Darlehen nahestehender Personen bestehen (E. 5.5).
In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte das Bundesgericht es abgelehnt, Aktionärsdarlehen in Kapitaleinlagen umzuqualifizieren, da diese Betrachtungsweise dem geltenden schweizerischen Recht fremd sei (E. 5.6). Die Frage, ob Aktionärsdarlehen unter bestimmten Voraussetzungen hinter die anderen Forderungen zurückzutreten hätten, weil von einem konkludenten Rangrücktritt auszugehen sei, liess es zudem offen. In einem Entscheid hielt das Bundesgericht weiter fest, dass auch Forderungen von Aktionären gegenüber der eigenen Gesellschaft als Fremdkapital zu behandeln und — unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs — von dieser entsprechend zu erfüllen sind (E. 5.6).
Daraufhin prüfte das Bundesgericht, ob und inwiefern das Verbot des offenen Rechtsmissbrauchs auf die Frage der Kollozierung Darlehensforderungen nahestehender Personen Anwendung findet. In diesem Zusammenhang setzte sich das Bundesgericht mit Lehre und kantonaler Rechtsprechung auseinander (E. 5.7.2):
“Ein Teil der Literatur und der kantonalen Rechtsprechung bejaht einen Rechtsmissbrauch in der Form widersprüchlichen Verhaltens, wenn ein Gesellschafter der notleidenden Gesellschaft ein Darlehen zur Weiterführung der Geschäftstätigkeit gewährt, dann aber im Konkurs auf der Kollokation seiner Forderung besteht (…). Unterschiedliche Auffassungen bestehen bezüglich der Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch gegeben ist: Nach einer Auffassung ist dies der Fall, wenn ein aussenstehender Dritter den Kredit nach Umfang, Ausgestaltung und Zeitpunkt nicht zu den gleichen Bedingungen gewährt hätte (sog. “Drittmannstest”) oder wenn das Darlehen in einem Zeitpunkt gewährt worden ist, in welchem nur noch die Leistung einer Kapitaleinlage sanierende Wirkung entfaltet hätte (sog. “Sanierungstest”;…). Eine andere Meinung nimmt Rechtsmissbrauch an, wenn ein Aktionär oder eine Konzerngesellschaft einer im Sinn von aArt. 725 Abs. 1 OR (vgl. für das geltende Recht Art. 725a Abs. 1 OR) unterkapitalisierten Gesellschaft in Kenntnis der Unterkapitalisierung ein neues Darlehen gewährt, ohne dass gleichzeitig die dort geforderten Sanierungsschritte unternommen werden (…). Nach einer weiteren Auffassung ist darauf abzustellen, ob die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung überschuldet war (…).”
Das Bundesgericht stellte fest, dass die Frage, ob die Forderungseingabe eines der Gesellschaft nahestehenden Darlehensgebers im Konkurs als rechtsmissbräuchlich beurteilt wird oder nicht, sich auf die Konkursdividende der anderen Gläubiger auswirkt, weshalb für die Bejahung eines Rechtsmissbrauchs vorauszusetzen ist, dass der nahestehende Gläubiger durch die Darlehensgewährung bei diesen schutzwürdiges Vertrauen begründet und in der Folge durch die Anmeldung der Forderung zur Kollokation enttäuscht (E. 5.7.3).
Gemäss Bundesgericht besteht jedoch abgesehen von der Überschuldung keine gesetzliche Grundlage, auf die sich ein schutzwürdiges Vertrauen der Gläubiger darauf, dass sich eine Gesellschaft nicht in finanziellen Schwierigkeiten befindet, stützen könnte. Solange eine Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht überschuldet ist, erscheinen die Darlehensgewährung und die spätere Geltendmachung der Forderung im Konkurs daher nicht als offenbar rechtsmissbräuchlich (E. 5.7.3):
“Gemäss aArt. 725 Abs. 1 OR beruft der Verwaltungsrat unverzüglich eine Generalversammlung ein und beantragt ihr Sanierungsmassnahmen, wenn die letzte Jahresbilanz zeigt, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist. Gemäss dem ersten Satz von aArt. 725 Abs. 2 OR muss eine Zwischenbilanz erstellt und diese einem zugelassenen Revisor zur Prüfung vorgelegt werden, wenn begründete Besorgnis einer Überschuldung besteht. Diese Bestimmungen regeln, was in den betreffenden Situationen vorzukehren ist, sie vermögen bei den Gläubigern — auch wenn diese auf ein pflichtgemässes Verhalten der Organe der Gesellschaft vertrauen dürfen — jedoch kein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, dass bei einer am Rechtsverkehr teilnehmenden Gesellschaft zumindest die Hälfte des Aktienkapitals gedeckt ist bzw. keine begründete Besorgnis zur Überschuldung besteht …). Schutzwürdiges Vertrauen, dass sich eine Gesellschaft nicht in finanziellen Schwierigkeiten befindet, wird insbesondere auch nicht dadurch begründet, dass ihr eine nahestehende Person ein Darlehen gewährt, das eine aussenstehende Person nicht gewähren würde (Drittmannstest) oder dass das Darlehen in einem Zeitpunkt gewährt worden ist (Sanierungstest), in welchem nur noch die Leistung einer Kapitaleinlage sanierende Wirkung entfaltet hätte (…). Solange eine Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht überschuldet ist, erscheinen die Darlehensgewährung und die spätere Geltendmachung der Forderung im Konkurs daher nicht als offenbar rechtsmissbräuchlich. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich im Nachhinein auch dann feststellen, ob die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung überschuldet war, wenn pflichtwidrig keine Zwischenbilanz erstellt worden ist (…).”
Im konkreten Fall kam das Bundesgericht zum Schluss, dass sich die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung zwar in einer gefährdeten finanziellen Lage befand und dass die Gläubiger darum wussten. Gemäss Bundesgericht war es auch erstellt, dass eine aussenstehende Drittperson die Darlehen in dieser Form nicht gewährt hätte. Gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen stand jedoch fest, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht überschuldet war und verneinte daher das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs (E. 5.7.4):
“Dass sich die Gesellschaft in einer schwierigen finanziellen Situation befand und dass eine aussenstehende Drittperson die Darlehen in dieser Form nicht gewährt hätte, reicht nicht aus, um die Darlehensgewährung und die spätere Anmeldung der Forderung zur Kollokation als missbräuchlich erscheinen zu lassen (vgl. E. 5.7.3). Auch die Übertragung mehrerer Liegenschaften auf die Beschwerdeführerin 1 und der damit verbundene Vermögensabfluss im Jahr 2015 lässt die Kollokation der später, in den Jahren 2016, 2017 und 2018, gewährten Darlehen nicht ohne Weiteres als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen. Die Beschwerdegegnerin bringt vor, das Kriterium der Überschuldung sei ungeeignet, da es für den nahestehenden Gläubiger viele Gründe geben könne, einen Konkurs zu verzögern, beispielsweise um — wie im vorliegenden Fall behauptet — die Verdachtsfrist einer Pauliana (Art. 285 ff. SchKG) auszusitzen. Die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr als solche vermag jedoch — wie gesagt — bei fehlender Überschuldung keinen für ein widersprüchliches Verhalten erforderlichen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Im Ergebnis ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs daher nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Nachrangigkeit der angemeldeten Forderungen von einer Überschuldung der Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung abhängig gemacht hat.”
Bei einem konkludenten Rangrücktritt
In der Folge setzte sich das Bundesgericht mit der weiteren Frage auseinander, ob ein konkludente Rangrücktritt vorliegt, was es konkreten Fall verneinte. Soweit den Erklärungen keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden mutmasslichen Willen zu entnehmen sind, ist gemäss Bundesgericht nicht davon auszugehen, dass der Darlehensgeber mit einem ihn belastenden Rangrücktritt zugunsten Dritter einverstanden ist. (E. 5.8.2–5.8.4):
“5.8.2 Bei einem konkludent bzw. implizit vereinbarten Rangrücktritt handelt es sich um einen Vertrag zwischen dem Darlehensgläubiger und der Gesellschaft (…). Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR bestimmt sich der Inhalt des Vertrags nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien. Die empirische oder subjektive Auslegung hat gegenüber der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung Vorrang (…). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 97 und 105 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen ist (…). Wenn der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (…). Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind (…). Das Gericht hat auch den vom Erklärenden verfolgten Regelungszweck zu beachten, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste. Dabei ist für den Regelfall anzunehmen, dass der Erklärungsempfänger davon ausgehen durfte, der Erklärende strebe eine vernünftige, sachgerechte Regelung an (…). Das Bundesgericht überprüft die objektivierte Auslegung von Willenserklärungen als Rechtsfrage, wobei es an Feststellungen des kantonalen Gerichts über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (…).
5.8.3. Ein Rangrücktritt aufgrund eines übereinstimmenden wirklichen Willens der Parteien setzt voraus, dass ein entsprechender wirklicher Wille feststeht. Die Vorinstanz hat keinen tatsächlichen Willen der Parteien festgestellt, die Forderungen der Beschwerdeführer im Rang hinter andere Forderungen zurücktreten zu lassen. Die Beschwerdegegnerin legt ihre eigene Sicht dar und argumentiert, andere Lösungen als ein Rangrücktritt seien nicht angemessen und verletzten diverse Normen. Damit bringt sie jedoch keine den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügende Sachverhaltsrüge (…) vor. Ein Rangrücktritt kann vorliegend daher nicht auf den wirklichen Parteiwillen gestützt werden.
5.8.4. Aus den massgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz ergibt sich nicht, dass die Parteien vor oder bei Abschluss der Darlehensverträge Erklärungen zur Frage eines allfälligen Rangrücktritts abgegeben hätten. Durch den Darlehensvertrag regeln die Vertragsparteien eine Rechtsbeziehung untereinander: Der Darleiher verpflichtet sich zur Übertragung des Eigentums an einer Summe Geldes oder an anderen vertretbaren Sachen, der Borger dagegen zur Rückerstattung von Sachen der nämlichen Art in gleicher Menge und Güte (Art. 312 OR). Ein Rangrücktritt des Darlehensgebers wirkt sich zugunsten der anderen Gläubiger und damit am Vertrag nicht beteiligter Dritter aus. Soweit den Erklärungen keine Anhaltspunkte für einen entsprechenden mutmasslichen Willen zu entnehmen sind, ist nicht davon auszugehen, dass der Darlehensgeber mit einem ihn belastenden Rangrücktritt zugunsten Dritter einverstanden ist. Wäre auf der andern Seite dem Darlehensnehmer an einem Rangrücktritt gelegen, so wäre zu erwarten, dass er die Frage anspricht. An den fehlenden Anhaltspunkten für einen entsprechenden mutmasslichen Willen ändert nichts, dass ab 2016 Liquiditätsprobleme der Gesellschaft notorisch waren, ab Ende 2016 der Konkurs der Gesellschaft ein ernsthaftes Risiko gewesen ist und die Beschwerdeführer bestätigt haben, dass mittels der Darlehen die Weiterführung der Gesellschaft habe sichergestellt werden sollen. Der von der Beschwerdegegnerin angeführte Gesichtspunkt, wonach im Regelfall davon auszugehen ist, die Parteien strebten eine vernünftige, sachgerechte Regelung an, ist ein Element im Rahmen der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip, jedoch nicht allein massgeblich. Soweit die Beschwerdegegnerin im Übrigen vorbringt, ein Darlehen ohne Rangrücktritt hätte eine treuwidrige und vorsätzliche Schädigung der Gläubiger zur Folge und wäre zudem nach aArt. 725 Abs. 2 OR pflichtwidrig, stellt der angefochtene Entscheid die tatsächlichen Grundlagen für diese rechtliche Würdigung nicht fest (…). Der Rangrücktritt kann vorliegend daher auch nicht auf einen nach dem Vertrauensprinzip ermittelten mutmasslichen Parteiwillen gestützt werden.”
Keine Gesetzeslücke
Schliesslich erwog das Bundesgericht, dass keine Gesetzeslücke besteht, die zu füllen wäre (E. 5.9.3):
“Mit Blick auf die Gesetzgebungsarbeiten im Sanierungs- und Gesellschaftsrecht besteht kein Grund zur Annahme, der Gesetzgeber habe die Frage, wie Darlehen nahestehender Personen im Konkurs zu behandeln sind, übersehen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er bewusst auf eine Regelung verzichtet und das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB) als korrigierenden “Notbehelf” im Einzelfall als hinreichend betrachtet hat, um einen nahestehenden Gesellschaftsgläubiger in den Nachrang zu versetzen. Zufolge qualifizierten Schweigens bleibt somit kein Raum für eine Lückenfüllung durch das Gericht (…). Eine nachrangige Behandlung der strittigen Darlehen gestützt auf Art. 1 Abs. 2 ZGB scheidet aus.”