In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_808/2024 vom 24. Juli 2025 setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob im Fall eines schweizweiten Arrests im Rahmen der Arrestprosequierung durch Fortsetzung der Betreibung das Betreibungsamt Oberland/BE gegenüber dem Betreibungsamt Genf den rechtshilfeweisen Vollzug der Pfändung betreffend die in Genf verarrestierten Vermögenswerte anordnen kann, wenn die Arrestprosequierungsbetreibung bei dem Betreibungsamt Oberland/BE eingeleitet wurde. Zum Zeitpunkt der Betreibungseinleitung war der Schuldner im Betreibungskreis des Betreibungsamtes Oberland/BE wohnhaft. Er verlegte jedoch vor der Zustellung der Pfändungsankündigung seinen Wohnsitz ins Ausland.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass beim schweizweiten Arrest zur Arrestprosequierung eine Betreibung genügt, und dass die Betreibung beim ordentlichen Betreibungsort zwecks Arrestprosequierung eingeleitet werden kann. Dabei stellte die fehlende Angabe des Lead-Betreibungsamtes im Arrestbefehl im konkreten Fall kein Hindernis für die Prosequierung durch Fortsetzung der Betreibung am anfänglichen ordentlichen Betreibungsort dar, da die Prosequierung beim schweizweiten Arrest durch ein einziges Fortsetzungsbegehren erfolgen kann. Die nachträgliche Anordnung des Lead-Betreibungsamts durch das Arrestgericht ist zwar gestützt auf Art. 334 ZPO möglich, jedoch im konkreten Fall nicht zwingend, um die Zuständigkeit des Betreibungsamtes am ordentlichen Betreibungsort zu bejahen, bei welchem die Arrestprosequierungsbetreibung und deren Fortsetzung verlangt wurden.
Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
B (Gläubigerin) stellte beim Tribunal de première instance des Kantons Genf ein Arrestbegehren über gegen ihren ehemaligen Ehemann A (Schuldner); sie stützte sich dabei auf den Entscheid der Cour de justice des Kantons Genf vom 31. August 2021. Das Tribunal de première instance des Kantons Genf bewilligte den Arrest am 9. Dezember 2021 und richtete den Arrestbefehl an die Betreibungsämter Genf, Oberland/BE und Zürich 1.
Das Betreibungsamt Genf vollzog den Arrest am 9. Dezember 2021 und erliess am 3. Februar 2022 die Arresturkunde.
Das Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, vollzog den Arrest bezüglich der Objekte in seinem Betreibungskreis am 10. Dezember 2021 und stellte am 5. Januar 2022 die Arresturkunde aus. Der Arrestvollzug des Betreibungsamts Zürich 1 vom 10. und 17. Dezember 2021 wurde mangels Arrestobjekten wieder aufgehoben.
B prosequierte den Arrest mit Schreiben vom 21. Dezember 2021 einzig beim Betreibungsamt Berner Oberland, Dienststelle Oberland West (Arrestprosequierungsbetreibung), am Wohnsitz des Arrestschuldners in U/BE. Der Zahlungsbefehl vom 26. Januar 2022 wurde A am 1. Februar 2022 zugestellt.
In der Zwischenzeit meldete sich A per 9. August 2022 in der Gemeinde U/BE ab und verliess die Schweiz angeblich am 5. August 2022.
Am 15. August 2024 vollzog das Betreibungsamt Oberland/BE (nach mehreren Beschwerdeverfahren) eine Pfändung. Da es nicht genügend pfändbare Vermögenswerte feststellte, gelangte es mit Schreiben (“Rechtshilfeauftrag Ergänzungspfändung”) vom gleichen Tag an das Betreibungsamt Genf und forderte dieses auf, die bei ihm (in Genf) gestützt auf den Arrestbefehl verarrestierten Vermögenswerte einzupfänden und die notwendigen Vorkehren zu treffen.
Gegen den Rechtshilfeauftrag vom 15. August 2024 erhob A am 12. September 2024 Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen des Kantons Bern. Mit Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 12. November 2024 wurde die Beschwerde abgewiesen. Dagegen erhob A mit Eingabe vom 25. November 2024 Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht, welche das Bundesgericht mit Urteil vom 24. Juli 2025 abwies, soweit es darauf eintrat.
Arrestprosequierung am ordentlichen Betreibungsort bei Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland
Zunächst rief das Bundesgericht seine Rechtsprechung zur Arrestprosequierung am ordentlichen Betreibungsort in Erinnerung (E. 3.4.1):
“Der revidierte Art. 272 Abs. 1 SchKG erlaubt die Arrestbewilligung alternativ zum Ort, wo sich die Vermögensgegenstände befinden, auch am Betreibungsort. Am (Wahl-) Recht des Gläubigers, nach Arrestbewilligung die Prosequierung durch Betreibung am Wohnsitz des Arrestschuldners vorzunehmen (…), hat sich durch das neue Arrestrecht nichts geändert (…). Mit der Betreibung am ordentlichen Betreibungsort (wie Wohnsitz, Art. 46 SchKG i.V.m. Art. 52 SchKG) können und konnten seit jeher sämtliche Arreste zugleich prosequiert werden (…).”
Sodann setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob eine Betreibung am Wohnsitz des Schuldners fortgesetzt werden kann, wenn dieser nach Einleitung der Arrestprosequierungsbetreibung aber vor Zustellung der Pfändungsankündigung den Wohnsitz ins Ausland verlegt hat. Es erwog, dass bei Wohnsitzverlegung ins Ausland (vor Zustellung der Pfändungsankündigung) die Betreibung in der Schweiz fortgesetzt werden kann, wenn ein anderer Betreibungsort — wie hier ein Arrestort beim Betreibungsamt Oberland/BE — besteht (Wechsel des Betreibungsstands) (E. 3.5.2).
in diesem Fall erfasst die Betreibung lediglich verarrestiertes Vermögen (E. 3.5.3):
“Soweit der Beschwerdeführer den Begriff “Ergänzungspfändung” im Titel der angefochtenen Verfügung kritisiert, geht er fehl: Aus dem angefochtenen Entscheid geht unmissverständlich hervor, dass sich die “Ergänzung” der Pfändung einzig auf das in Genf verarrestierte Vermögen beziehen soll, und nicht eine Ergänzung der Pfändung mit Bezug auf sämtliches (auch nicht verarrestiertes) Vermögen des Schuldners durchgeführt werden soll, wie dies (als eigentliche Ergänzungspfändung) nur bei einer Betreibung am Wohnsitz möglich wäre (…). Ob der Einbezug des in Genf verarrestierten Vermögens des Schuldners in die Pfändung der an einem anderen Arrestort (hier: Betreibungsamt Oberland/BE) fortgesetzten Betreibung von vornherein ausgeschlossen ist (wie der Beschwerdeführer meint), ist im Folgenden prüfen.”
Prosequierung mehrerer Arreste an einem einzigen Arrestort
In der Folge setzte sich das Bundesgericht mit dem Einwand des Schuldners auseinander, die Gläubigerin könne nicht mit einer Betreibung am Arrestort mehrere Arreste prosequieren, weshalb das Urteil des Obergerichts bereits im Ansatz unrichtig sei. Laut Bundesgericht trifft es zwar zu, dass im Fall, dass in verschiedenen Betreibungskreisen mehrere Arreste erwirkt worden sind, ohne dass eine Betreibung am Wohnort des Schuldners vorliegt, gemäss BGE 54 III 228 zur Arrestprosequierung an jedem Arrestort eine Betreibung angehoben werden muss (E. 3.6.1).
Diese Rechtsprechung ist jedoch seit der Arrestrevision von 2009/2011 überholt und der schweizweite Arrest kann an einem einzigen Arrestort prosequiert werden (E. 3.6.2):
“Wenn — wie im vorliegenden Fall — ein Arrestbefehl (beim Arrestgericht Genf) erwirkt wurde, ist mit der Konzeption des schweizweiten Arrests nicht vereinbar, weiterhin eine separate Betreibung an jedem der Arrestorte in der Schweiz zu verlangen. Kann der Gläubiger an einen einzigen Ort Vermögenswerte in der ganzen Schweiz verarrestieren lassen, so ist ihm folgerichtig die Prosequierung an einem Ort zu gestatten, wie das Obergericht zutreffend erkannt hat und es der Lehre entspricht (…). Insoweit kann der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Rechtslage, wie sie vor der Einführung des schweizweiten Arrestes galt, nichts für sich ableiten.”
Bei welchem der Arrestorte muss der Arrestgläubiger die Betreibung fortsetzen?
Daraufhin untersuchte das Bundesgericht die Frage, bei welchem der Arrestorte der Arrestgläubiger (zur Fortsetzung der Betreibung) vorzugehen hat.
In einem ersten Schritt stellte es fest, dass eine einheitliche Arrestprosequierungsbetreibung wahlweise am Wohnsitz des Schuldners prosequiert werden kann (E. 3.7.1):
“Das Bundesgericht hat im Jahre 2013 festgehalten, dass eine einheitliche Betreibung nicht wahlweise, sondern nur im Gerichtskreis des Arrestgerichts möglich wäre (…). (…). Allerdings ging es in jenem Fall um einen Schuldner ohne anfänglichen Wohnsitz in der Schweiz. Dass ein Gläubiger die Wahl hat, den Arrest durch Betreibungseinleitung am Wohnsitz des Schuldners zu prosequieren, steht fest (…) und wird durch das betreffende Urteil nicht in Frage gestellt. Sodann handelt es sich um ein obiter dictum des Bundesgerichts, das getroffen worden war, bevor (mit BGE 148 III 138) die Zulässigkeit des Lead-Betreibungsamtes zur Koordinierung des Arrestvollzugs bestätigt wurde.”
In einem zweiten Schritt erwog das Bundesgericht, dass die Bestimmung eines Leads-Betreibungsamtes gemäss BGE 148 III 138 für alle anschliessenden Verfahrensschritte die Konzentration an einem Ort sicherstellen soll (E. 3.7.2).
In einem letzten Schritt erwog das Bundesgericht, dass die Fortsetzung der Betreibung bei einem schweizweiten Arrest durch ein einziges Fortsetzungsbegehren erfolgen kann, selbst wenn noch kein Lead-Betreibungsamt bezeichnet wurde (E. 3.7.3).
“(…). Zwar wird die Auffassung vertreten, dass im Fall, in welchem Arrestbefehle an verschiedene Betreibungsämter zugestellt wurden, obschon das Arrestgericht ein Lead-Betreibungsamt bezeichnen und den rechtshilfeweisen Arrestvollzug anordnen muss, die Fortsetzungsbegehren ebenfalls an alle Betreibungsämter gerichtet werden müssen, ansonsten der Arrestbeschlag dahinfalle (…). Diese Auffassung ist zu eng. Die Verweigerung der Prosequierung durch ein einziges Fortsetzungsbegehren lässt sich vor dem Hintergrund der Arrestrechtsrevision von 2009/2011 bzw. der Einführung eines einheitlichen schweizerischen Vollstreckungsraumes nicht rechtfertigen. Die Prosequierung kann beim schweizweiten Arrest durch ein einziges Fortsetzungsbegehren erfolgen (…). Die nachträgliche Anordnung des Lead-Betreibungsamts durch das Arrestgericht ist zudem gestützt auf Art. 334 ZPO (z.B. auf Ersuchen des oder der Betreibungsämter) möglich (…).
Muss ein Lead-Betreibungsamt zwingend bezeichnet werden, um die Pfändung an einem anderen Arrestort zu vollziehen bzw. rechtshilfeweise vollziehen zu lassen?
Schliesslich setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob eine nachträgliche Anordnung durch das Arrestgericht Genf zwingend ist, um die Zuständigkeit des Betreibungsamtes Oberland/BE, die Pfändung zu vollziehen bzw. rechtshilfeweise vollziehen zu lassen, zu bejahen.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es im konkreten Fall nicht gerechtfertigt war, einem Arrestgläubiger die Fortsetzung der Betreibung am Ort, wo Vermögenswerte des Schuldners verarrestiert und die Betreibung am ordentlichen Betreibungsstand eingeleitet wurde, zu verwehren, nur weil das Lead-Betreibungsamt nicht bestimmt ist. Gemäss Bundesgericht bleibt die Betreibung mit diesem Arrestort genügend verbunden, um die Fortsetzung zu erlauben. Die Frage, ob unabhängig von Vorgaben des Arrestgerichts in einem solchen Fall das zuständige Betreibungsamt am Wohnsitz (Oberland/BE) die Funktion als Lead-Amt beim Arrestvollzug übernimmt, weil es das Arrestverfahren mit allfälligen gegen den Schuldner gerichteten Vollstreckungsverfahren zu koordinieren hat (…), liess das Bundesgericht ausdrücklich offen, da es im vorliegenden Fall bereits um die Fortsetzung der Betreibung bzw. die Pfändung ging (E. 3.8.1).
Schliesslich hielt das Bundesgericht fest, dass eine nachträgliche Bestimmung bzw. Bestätigung durch das Arrestgericht in der Phase des Pfändungsvollzugs, dass das Betreibungsamt Oberland/BE als Lead-Betreibungsamt fungiere, im konkreten Fall nicht notwendig war (E. 3.8.2):
“(…) Das Lead-Betreibungsamt hat zwar grundsätzlich auch im Stadium der Pfändung den Lead (…). Der Beschwerdeführer übergeht jedoch, dass die Zulässigkeit des schweizweiten Arrestvollzuges bezweckt, den schweizweiten Vollstreckungsraum zu verwirklichen, und diesen im Pfändungsvollzug nicht verhindern soll. Das Obergericht hat zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass es “konsequenterweise möglich” sein müsse, Arrestgegenstände, die im Zuständigkeitsbereich anderer Betreibungsämter verarrestiert worden sind, (hier vom Betreibungsamt Oberland/BE) rechtshilfeweise pfänden zu lassen. Der Wechsel der Art des Betreibungsstandes vom Schuldnerwohnsitz zum Arrestort (…), steht dem hier nicht entgegen. Es besteht insoweit kein Hindernis, damit die Beschwerdegegnerin (Arrestgläubigerin) das Fortsetzungsbegehren beim Betreibungsamt Oberland/BE stellen konnte, und zwar — wie von ihr unstrittig beantragt — auch mit Wirkung für die in Genf verarrestierten Vermögenswerte, so dass das Betreibungsamt Oberland/BE die Pfändung vollziehen bzw. rechtshilfeweise vollziehen lassen durfte.”