5A_82/2012: Persönlichkeitsverletzung durch Rassismusvorwurf (amtl. Publ.)

Der Text der Medi­en­mit­teilung des Bun­des­gerichts zu diesem Urteil:

Per­sön­lichkeitsver­let­zung durch Rassismusvorwurf

Wer sich ohne weit­ere Wer­tung gegen die Ver­bre­itung des Islam in der Schweiz
äussert, ist kein Ras­sist. Das Bun­des­gericht urteilt daher, dass ein Poli­tik­er, der
wegen ein­er Äusserung dieses Inhalts des “ver­balen Ras­sis­mus” bezichtigt
wurde, in sein­er zivil­rechtlich geschützten Per­sön­lichkeit wider­rechtlich verletzt
wor­den ist.

An der Kundge­bung für die Volksini­tia­tive “Gegen den Bau von Minaret­ten” vom
5. Novem­ber 2009 in Frauen­feld hielt Ben­jamin Kasper, Präsi­dent der JSVP Thurgau,
eine Rede. Er führte unter anderem aus, “dass es an der Zeit ist, der Aus­bre­itung des
Islams Ein­halt zu gebi­eten
.” Die Schweiz­er Leitkul­tur, welch­er das Christentum
zugrunde liegt, dürfe sich nicht von anderen Kul­turen ver­drän­gen lassen. Ein symbolisches
Zeichen wie das Minarettver­bot sei daher ein Aus­druck für den Erhalt der
eige­nen Identität.
Die GRA Stiftung gegen Ras­sis­mus und Anti­semitismus ver­fasste auf ihrer im Internet
frei zugänglichen Web­site einen Bericht über die Ver­anstal­tung. Die Rede von Benjamin
Kasper veröf­fentlichte sie unter der Rubrik und mit dem Kom­men­tar “Ver­baler
Ras­sis­mus
”.
Auf Zivilk­lage von Ben­jamin Kasper hin entsch­ied das Oberg­ericht des Kantons
Thur­gau, dass Ben­jamin Kasper durch die Beze­ich­nung des Textes als “ver­baler
Ras­sis­mus” wider­rechtlich in sein­er Per­sön­lichkeit ver­let­zt wurde.
Die GRA Stiftung gegen Ras­sis­mus und Anti­semitismus hat gegen die Verurteilung
wegen Per­sön­lichkeitsver­let­zung eine Beschw­erde in Zivil­sachen beim Bundesgericht
ein­gere­icht. Dieses weist die Beschw­erde in seinem Urteil vom 29. August 2012 ab.
Denn das blosse Aufzeigen ein­er Ver­schieden­heit zwis­chen zwei Indi­viduen oder
Grup­pen stellt noch keinen Ras­sis­mus dar. Ras­sis­mus begin­nt dort, wo der Unterschied
gle­ichzeit­ig eine Abw­er­tung der Opfer bedeutet und das Her­vorheben von Unter­schieden let­ztlich nur ein Mit­tel ist, die Opfer neg­a­tiv darzustellen und deren Würde zu
mis­sacht­en
. In sein­er Rede hat Ben­jamin Kasper das Eigene (“Chris­ten­tum”) dem
Frem­den (“Islam”) gegenübergestellt, von diesem abge­gren­zt und das Eigene als
schutz- und vertei­di­gungswürdig beze­ich­net. Daraus ergibt sich wed­er eine pauschale
Her­ab­set­zung der Ange­höri­gen des Islam noch eine grund­sät­zliche Geringschätzung
von Mus­li­men. Mit der Kom­men­tierung der Äusserun­gen als “Ver­baler Ras­sis­mus” hat
die GRA Stiftung gegen Ras­sis­mus und Anti­semitismus die zivil­rechtlich geschützte
Ehre von Ben­jamin Kasper wider­rechtlich ver­let­zt
.