4A_288/2011; 4A_290/2011: mangelhafte Information der GV vor Sanierungsharmonika verletzt OR 732a — Anfechtbarkeit (amtl. Publ.)

OR 732a hat fol­gen­den Wortlaut:

1 Wird das Aktienkap­i­tal zum Zwecke der Sanierung auf null her­abge­set­zt und anschliessend wieder erhöht, so gehen die bish­eri­gen Mit­glied­schaft­srechte der Aktionäre mit der Her­ab­set­zung unter. Aus­gegebene Aktien müssen ver­nichtet werden.
2 Bei der Wieder­erhöhung des Aktienkap­i­tals ste­ht den bish­eri­gen Aktionären ein Bezugsrecht zu, das ihnen nicht ent­zo­gen wer­den kann.

Im vor­liegen­den Urteil hat­te das BGer zunächst den Begriff des Sanierungszwecks iSv OR 732a I zu prüfen. Das BGer hält zunächst fest, dass die Sanierungs­bedürftigkeit allein einen Kap­i­talschnitt auf Null nicht per se zu ein­er Mass­nahme mit Sanierungszweck macht. Aus der Lehre zu OR 725 leit­et das BGer sodann Fol­gen­des ab:

Will der Ver­wal­tungsrat, dem die Vor­bere­itung erforder­lich­er Sanierungs­mass­nah­men obliegt […], eine “Har­moni­ka” zum Zwecke der Sanierung durch­führen, muss diese fol­glich entwed­er die Über­schul­dung direkt beseit­i­gen oder es müssen gle­ichzeit­ig weit­ere Sanierungs­mass­nah­men in Angriff genom­men wer­den. Diese müssen zusam­men mit der Kap­i­taler­höhung vernün­ftige Aus­sicht­en auf eine nach­haltige Sanierung der Gesellschaft geben […].

Der Sanierungszweck der Har­moni­ka set­zt also voraus, dass diese alleine oder im Ver­bund mit anderen Mass­nah­men vernün­ftige Aus­sicht­en auf eine (nach­haltige) Sanierung gibt.

Die GV muss dementsprechend informiert wer­den, soll sie eine Har­moni­ka als isolierte Mass­nahme beschliessen. Reicht die Har­moni­ka alleine nicht aus, muss der VR die GV über die weit­eren Mass­nah­men des Sanierungskonzepts informieren. Tut er dies — wie im vor­liegen­den Fall — nicht, kann die GV nicht beurteilen, ob die Har­moni­ka einen Sanierungszweck aufweist, und die Aktionäre kön­nen nicht (informiert) entschei­den, ob sie ihr Bezugsrecht ausüben wollen.

Darin liegt eine unzuläs­sige Beschränkung des Bezugsrechts nach OR 732a II. Sie führt, wie das BGer weit­er fes­thält, nicht zur Nichtigkeit, aber zur Anfecht­barkeit des entsprechen­den GV-Beschlusses (OR 706 I).

Vor­liegend war der GV-Beschluss kor­rekt ange­focht­en wor­den. Dem Durch­führungs­beschluss des VR war damit die Grund­lage ent­zo­gen. Damit ist er nichtig:
Man­gels ein­er entsprechen­den Ermäch­ti­gung durch einen gülti­gen Erhöhungs­beschluss der GV lei­det der vor­liegend ange­focht­ene Durch­führungs­beschluss des Ver­wal­tungsrats der Beklagten an einem schw­er­wiegen­den Man­gel und erweist sich als nichtig gemäss Art. 714 OR.