4A_36/2012: Nespresso vs. MediaMarkt/Ethical Coffee Co.: nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil; technische Notwendigkeit

Die bekan­nten Nespres­so-Kapseln wer­den nicht nur von Den­ner konkur­ri­ert — dazu BGE 137 III 324 und unsere früheren Beiträge:

Auch Media­Markt vertreibt (von Eth­i­cal Cof­fee Co. hergestellte) Kaf­feekapseln, die mit dem Nespres­so-Sys­tem kom­pat­i­bel sind (vgl. dazu die Berichter­stat­tung der Presse). Nespres­so hat­te gegen ECC und Media­Markt ein vor­sor­glich­es Ver­bot des Verkaufs (etc.) dieser Kapseln erre­icht. Dage­gen gelangten ECC und Media­Markt ans BGer.

Das BGer tritt auf die Beschw­erde ein, weil ECC und Media­Markt ein nicht leicht wiedergutzu­machen­der, rechtlich­er Nachteil i.S.v. BGG 93 I a dro­hte. Das pro­vi­sorische Ver­bot könne nicht nur – anders als bei einem auf dem Markt bere­its ver­ankerten Unternehmen – zu einem finanziellen Schaden führen. Das Ver­bot, ein Pro­dukt erst zu lancieren, könne die Beschw­erde­führerin­nen in ihrer wirtschaftlichen Entwick­lung generell beein­trächti­gen:

 En rai­son de l’in­ter­dic­tion qui lui a été sig­nifiée, il est en effet lim­ité de façon générale dans son développe­ment économique par rap­port à l’autre par­tie avec laque­lle il est en con­cur­rence; il risque ain­si, par rap­port à celle-ci, de per­dre des parts de marché. Dans ce con­texte, on voit mal com­ment ce con­cur­rent (les sociétés ECC) pour­rait être indem­nisé à l’is­sue de la procé­dure (notam­ment au moyen de dom­mages-intérêts), même si celle-ci devait lui être favorable […].

Aus dem gle­ichen Grund sind auch die Begrün­dungsan­forderun­gen mit Bezug auf den erforder­lichen Nachteil niedriger:

En l’e­spèce, la moti­va­tion est toute­fois fournie par les par­ties qui sont empêchées, suite aux mesures pro­vi­sion­nelles admis­es par l’au­torité can­tonale, de lancer leur pro­duit sur le marché en rai­son d’un con­cur­rent. Le préju­dice irré­para­ble résulte de cette sit­u­a­tion par­ti­c­ulière de con­cur­rence et donc, en quelque sorte, de la nature de la cause (cf. supra con­sid. 1.3.1).

In der Sache hat­te Nespres­so das Mass­nah­me­begehren auf ihre For­m­marke für ihre Kapseln gestützt:

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Die Beschw­erde­führerin­nen haben dage­gen einge­wandt, diese Form mache das Wesen der Ware aus bzw. sei tech­nisch notwendig und daher schutzun­fähig i.S.v. MSchG 2 b.Im Mass­nah­mev­er­fahren genügt dafür Glaub­haft­machung. Das KGer VD hat­te die Frage der Schutzfähigkeit let­ztlich zu Unrecht gar nicht geprüft. Es war vielmehr davon aus­ge­gan­gen, dass die Marke ja einge­tra­gen sei, und ausser­dem habe sie sich im Verkehr durchgesetzt.

Ersteres ist jedoch kein Argu­ment, und Let­zteres ist nur bei Gemeingut i.S.v. MSchG 2 a rel­e­vant, aber nicht bei MSchG 2 b, wie das BGer hier wieder­holt. Der Ein­wand der Beschw­erde­führerin­nen wäre beson­ders deshalb sorgfältig zu prüfen gewe­sen, weil die Kapseln ursprünglich durch Patente geschützt waren, deren zeitliche Begren­zung nicht ein­fach dadurch umgan­gen wer­den dür­fen, dass die Erfind­ung anschliessend durch eine For­m­marke zeitlich unbe­gren­zt geschützt wird:

Le lég­is­la­teur entendait récom­penser l’in­ven­teur pour son activ­ité nova­trice en lui accor­dant le mono­pole de la com­mer­cial­i­sa­tion pen­dant une durée lim­itée à vingt ans; après l’ex­pi­ra­tion de ce délai, il a voulu que l’in­ven­tion tombe dans le domaine pub­lic et que la libre con­cur­rence puisse à nou­veau jouer son rôle. Cette volon­té du lég­is­la­teur ne saurait être éludée, lorsque l’in­ven­tion se matéri­alise dans un objet, en faisant ensuite inscrire celui-ci comme une mar­que de forme en trois dimen­sions (art. 1 al. 2 LPM) avec cette con­séquence que la pro­tec­tion d’une mar­que peut se renou­vel­er indéfin­i­ment de dix ans en dix ans (art. 10 al. 1 et 2 LPM). […] S’il n’est pas pos­si­ble de fab­ri­quer une cap­sule de forme dif­férente pour la même util­i­sa­tion (absence de forme alter­na­tive) ou si une autre forme présen­terait des incon­vénients empêchant une con­cur­rence effi­cace, il faudrait en déduire que la pro­tec­tion de la cap­sule Nespres­so comme mar­que est exclue par l’art. 2 let. b LPM.

Tech­nisch notwendig ist eine bes­timmte Form immer dann, wenn keine alter­na­tive For­mge­bung möglich ist, die ausser­halb des Schutzbere­ichs der fraglichen Form stünde. Es ist m.a.W. nicht erforder­lich, dass über­haupt keine Alter­na­tive denkbar ist. Wenn eine Form fern­er tech­nisch notwendig ist, dann kann auch nicht auf dem Umweg über das UWG Schutz der Form erre­icht wer­den; das UWG greift erst – aber immer­hin – dann ein, wenn die Art und Weise des Gebrauchs der betr­e­f­fend­en Form auf­grund zusät­zlich­er Umstände unlauter ist.

Schliesslich hat­te das KGer VD zu Unrecht darauf verzichtet, für die FragE. der tech­nis­chen Notwendigkeit ein tech­nis­ches Gutacht­en einzu­hole. Damit hat­te es entsch­ieden “sans dis­pos­er d’au­cun élé­ment de preuve sérieux”. Das BGer hebt den Entscheid des KGer VD deshalb auf.