Dieses Urteil bot dem Bundesgericht Gelegenheit, sich zu Gerichtsstandsvereinbarungen im Zusammenhang mit kartellrechtlichen Streitigkeiten zu äussern.
Hintergrund war (vereinfacht) die Klage einer Garage mit Sitz in der Schweiz gegen eine Autoherstellerin mit Sitz in Italien. Die beiden Parteien hatten im Zusammenhang mit Verhandlungen über den Abschluss eines Exklusivvertriebvertrags einen Letter of Intent («LOI») unterzeichnet, in welchem unter anderem festgehalten wurde, dass für sämtliche aus diesem LOI resultierende Streitigkeiten ausschliesslich ein Gericht in Italien zuständig sei (E. A). Nachdem die im LOI angestrebte vertragliche Beziehung nicht zustande kam, klagte die Garage beim Obergericht des Kantons Solothurn gegen die Autoherstellerin auf Abschluss eines Werkstattvertrags. Dabei berief sie sich auf «ihren kartellrechtlichen Anspruch der unzulässigen Verweigerung einer Geschäftsbeziehung gemäss Art. 7 Abs. 2 lit. a KG». Das Obergericht trat auf die Klage mangels örtlicher Zuständigkeit nicht ein. Es begründete dies damit, dass der auch für Widerhandlungen gegen das Kartellrecht anwendbare Deliktsgerichtstand gemäss Art. 5 Ziffer 3 LugÜ nicht zwingend sei, weshalb die Parteien im LOI die Zuständigkeit der italienischen Gerichte gültig hätten vereinbaren können (E. B). Das Bundesgericht wies die von der Garage erhobene Beschwerde ab.
Die Garage rügte zunächst erfolglos, das Obergericht hätte den Grundsatz «iura novit curia» verletzt, indem es Art. 7 Abs. 2 lit. c KG nicht von Amtes wegen angewendet und nicht geprüft hätte, ob die Gerichtsstandsvereinbarung im LOI unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung zulässig sei (E. 4.1.1). Diesbezüglich wies das Bundesgericht darauf hin, dass die Garage diesen Einwand im vorinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht hätte. Inwiefern neue Rügen erstmals vor Bundesgericht vorgebracht werden könnten, sei vorliegend nicht im Einzelnen zu klären, da eine neue Rechtsrüge im bundesgerichtlichen Verfahren in jedem Fall nur zulässig sei, wenn sie nicht auf einer unzulässigen Ausweitung des vorinstanzlich festgestellten Sachverhalts beruhe (E. 4.1.2). Die von der Garage in diesem Zusammenhang vorgebrachten Darlegungen würden indessen in den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen keine Stütze finden und die Garage habe keine entsprechenden Sachverhaltsrügen vorgebracht.
Die Garage argumentierte sodann, die Gerichtsstandsvereinbarung im LOI sei abstrakt formuliert und nehme nicht explizit Bezug auf kartellrechtliche Ansprüche. Es sei für sie nicht vorhersehbar gewesen, dass auch Streitigkeiten über solche Ansprüche von der Klausel erfasst seien. Auch mit dieser Argumentation drang die Garage indessen nicht durch. Das Bundesgericht wies mit Bezug auf die Tragweite der im LOI enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung unter anderem auf die Rechtsprechung des EuGH hin, wonach entscheidend sei, ob der Rechtsstreit für die betroffene Partei im Zeitpunkt ihrer Zustimmung zu dieser Klausel “hinreichend vorhersehbar” gewesen sei. Auch das Bundesgericht habe zum früheren Gerichtsstandsgesetz erwogen, dass sich eine Gerichtsstandsvereinbarung, die ihrem Wortlaut nach sämtliche Vertragsstreitigkeiten umfasst, auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung beziehe, wenn diese gleichzeitig eine Vertragsverletzung darstellen oder ein Zusammenhang zwischen dieser und dem Vertragsgegenstand bestehen würde (E. 4.2.4). Der Entscheid des Obergerichts sei, so das Bundesgericht weiter, im Lichte von Art. 23 Ziff. 1 LugÜ nicht zu beanstanden. Die von der Garage monierte unerlaubte Handlung (Nichtabschluss des Werkstattvertrags) hänge, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, eng mit dem LOI zusammen. Zudem sei gemäss Feststellungen des Obergerichts die Garage in Bezug auf kartellrechtliche Streitigkeiten nicht unerfahren gewesen, weshalb es für diese im Zeitpunkt der Unterzeichnung des LOI jedenfalls hinreichend vorhersehbar gewesen wäre, dass die Gerichtsstandsklausel auch auf die vorliegende, auf das Kartellgesetz gestützte (zivilrechtliche) Klage Anwendung finde. Der Entscheid des Obergerichts vertrage sich folglich mit dem in Art. 23 Ziff. 1 LugÜ verankerten Bestimmtheitserfordernis (E. 4.2.6).
Schliesslich machte die Garage geltend, die vorliegende Klage betreffe «eine äusserst komplexe Frage», deren Beantwortung «Kenntnisse der örtlichen nationalen Begebenheiten, der nationalen Volkswirtschaft sowie der Besonderheiten des Automobilgewerbes in der Schweiz» erfordere. Indem die Vorinstanz für eine solche Beurteilung auf ein italienisches Gericht verweise, verstosse sie «im Ergebnis gegen den Grundgedanken des ordre public (Art. 17 IPRG)» (E. 4.3.2). Auch damit drang die Garage nicht durch. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die Frage, ob bestimmte zwingende Bestimmungen des schweizerischen (materiellen) Rechts der Wahl ausländischer Gerichtsstände entgegenstehen würden, soweit ersichtlich nur bei Anwendbarkeit des IPRG bejaht werde. Ob nationale Bestimmungen die Gerichtswahlfreiheit im Bereich des LugÜ einschränken könnten, erscheine indessen noch fraglicher, da das LugÜ keine Art. 5 Abs. 2 IPRG entsprechende Bestimmung kenne und überdies die Regelung der «Vereinbarung über die Zuständigkeit» grundsätzlich abschliessend sei (E. 4.3.2). Letztlich liess das Bundesgericht indessen auch diese Frage offen. Denn, so das Bundesgericht, allein die Behauptung, dass der in diesem zivilrechtlichen Verfahren geltend gemachte Anspruch kartellrechtlich abgestützt werde (und einen Sachverhalt betreffe, der sich in der Schweiz zugetragen habe), begründe jedenfalls keinen «Ausnahmefall», der die parteiautonom vereinbarte Unterstellung der vorliegenden Rechtsstreitigkeit unter die italienische Gerichtsbarkeit verbieten würde. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin nicht im Einzelnen dargelegt, welcher kartellrechtlichen Bestimmung aus welchen Gründen eine derart fundamentale Bedeutung zuzumessen wäre, die ein Übergehen der LugÜ-Zuständigkeitsordnung rechtfertigte (E. 4.3.2).