5A_146/2021: Teilurteil über Vorsorgeausgleich

Im Urteil 5A_146/2021 vom 13. Okto­ber 2021 äusserte sich das Bun­des­gericht zur Frage, ob nach bere­its erfol­gtem Teil­urteil im Schei­dungspunkt auch ein Teil­urteil über den Vor­sorgeaus­gle­ich möglich ist.

Die Beschw­erde­führerin beschw­erte sich gegen ein solch­es Teil­urteil und rügte, der Grund­satz der Ein­heit des Schei­dung­surteils nach Art. 283 ZPO sei ver­let­zt.  Das Schei­dungs­gericht hätte über den Vor­sorgeaus­gle­ich in einem Urteil zusam­men mit den übri­gen Schei­dungsneben­fol­gen urteilen sollen.

Da das Schei­dungs­gericht im Laufe des bun­des­gerichtlichen Ver­fahrens über die übri­gen Schei­dungsneben­fol­gen urteilte, wurde der Rechtsstre­it gegen­stand­s­los. Im Zusam­men­hang mit der Verteilung der Prozesskosten äusserte sich das Bun­des­gericht jedoch zum mut­masslichen Prozes­saus­gang.  Es erwog, der in Art. 283 ZGB enthal­tene Grund­satz der Ein­heit des Schei­dung­surteils gelte nicht abso­lut. Gewisse Aus­nah­men seien bere­its im Gesetz vorge­se­hen (Art. 281 Abs. 3 sowie Art. 282 Abs. 2 und 3 ZPO) und das Bun­des­gericht habe unter gewis­sen Umstän­den einen Anspruch auf Teil­urteil im Schei­dungspunkt anerkan­nt. Der vor­liegende Fall lasse sich wed­er in die bish­erige Recht­sprechung noch das Gesetz einord­nen. Er sei beson­ders, da das Schei­dungsver­fahren bere­its seit Okto­ber 2011 hängig sei und die Ehe der Parteien mit Teil­urteil vom Jan­u­ar 2019 recht­skräftig geschieden wurde. Der Beschw­erdegeg­n­er habe mit­tler­weile das 65. Alter­s­jahr zurück­gelegt und damit Anspruch auf Alter­sleis­tun­gen erwor­ben. Auf­grund ein­er im Juli 2019 ange­ord­neten Sper­rung der Vor­sorgegelder habe er diese man­gels Zus­tim­mung der Beschw­erde­führerin aber nicht als Kap­i­talleis­tung beziehen kön­nen. Der Beschw­erdegeg­n­er sei unbe­strit­ten auf die Auszahlung sein­er Guthaben angewiesen, um seinen finanziellen Pflicht­en nachzukom­men. Das Urteil über die weit­eren Schei­dungsneben­fol­gen sei im Zeit­punkt des Teil­urteils über den Vor­sorgeaus­gle­ich unbe­strit­ten nicht abse­hbar gewe­sen und hätte auch keine Auswirkung auf den Vor­sorgeaus­gle­ich gezeit­igt. Die Höhe des Vor­sorgeaus­gle­ichs sei von kein­er Partei bestrit­ten gewe­sen. Es erscheine daher fraglich, welch­es Inter­esse die Beschw­erde­führerin an ein­er strik­ten Durch­set­zung des Grund­satzes der Ein­heit haben könne. In dieser Kon­stel­la­tion erscheine in sum­marisch­er Beurteilung ein Teil­urteil über den Vor­sorgeaus­gle­ich nicht bundesrechtswidrig.

Das Urteil ist zu begrüssen. Der Sachver­halt zeigt ein­drück­lich: In gewis­sen Kon­stel­la­tio­nen muss es möglich sein, in einem Teil­urteil über den Vor­sorgeaus­gle­ich zu entschei­den. Es ist jew­eils im Einzelfall zu prüfen, welche Gründe für und welche gegen ein Teil­urteil über den Vor­sorgeaus­gle­ich sprechen und die auf dem Spiel ste­hen­den Inter­essen der Parteien sind gegeneinan­der abzuwä­gen. Vor­liegend fiel die Inter­essen­ab­wä­gung klar zu Gun­sten des Beschw­erdegeg­n­ers aus. Der Beschw­erdegeg­n­er war auf die Kap­i­ta­lauszahlung sein­er Vor­sorgegelder angewiesen, die Höhe des Vor­sorgeaus­gle­ichs war zwis­chen den Parteien unum­strit­ten und von den übri­gen, noch nicht spruchreifen, Schei­dungs­fol­gen unab­hängig. Dass sich die Beschw­erde­führerin in dieser Kon­stel­la­tion hin­ter dem for­mal­rechtlichen Argu­ment “Ein­heit des Schei­dung­surteils” ver­steck­te, gren­zt, wie das Bun­des­gericht zu Recht anmerkt, an Rechtsmiss­brauch. Recht­sausübung trotz fehlen­dem schutzwürdi­gen Inter­esse ver­di­ent keinen Rechtss­chutz. Vor diesem Hin­ter­grund wäre auch ein Nichtein­tretensentscheid — bere­its im Beru­fungsver­fahren — denkbar gewesen.