4A_240/2016: Zulässigkeit des pactum de palmario (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht stellte klar, dass ein pactum de pal­mario, d.h. eine Vere­in­barung, mit welch­er das einem Anwalt in jedem Fall geschuldete Hon­o­rar bei erfol­gre­ich­er Man­dats­führung erhöht wird, grund­sät­zlich zuläs­sig ist, sofern fol­gende Gren­zen einge­hal­ten werden:

  • Das Ver­bot des (reinen) Erfol­gshon­o­rars dürfe nicht mit ein­er ger­ingfügi­gen erfol­gsun­ab­hängi­gen Entschädi­gung unter­laufen wer­den; der Recht­san­walt müsse unab­hängig vom Ver­fahren­saus­gang ein Hon­o­rar erzie­len, welch­es nicht nur seine Selb­stkosten decke, son­dern ihm auch einen angemesse­nen Gewinn ermögliche (mit Ver­weis auf BGer 2A.98/2006, E. 2.2);
  • Das vom Erfolg abhängige Hon­o­rar dürfe im Ver­hält­nis zum in jedem Fall geschulde­ten Hon­o­rar nicht so hoch sein, dass die Unab­hängigkeit des Anwalts beein­trächtigt sei und die Gefahr ein­er Über­vorteilung beste­he. Auf die Fes­tle­gung ein­er fix­en Ober­gren­ze verzichtet das Bun­des­gericht. Klar über­schrit­ten sei die Gren­ze jeden­falls, falls das erfol­gsab­hängige Hon­o­rar höher sei als das erfolgsunabhängige;
  • Für den Abschluss des pactum de pal­mario beste­he eine zeitliche Gren­ze: Es dürfe nur zu Beginn des Man­datsver­hält­niss­es oder nach Beendi­gung des Rechtsstre­its abgeschlossen wer­den, nicht aber während des laufend­en Mandats.

Dem Ver­fahren lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Der Beschw­erde­führer (Klient) hat­te am 20. Mai 2008 den Beschw­erdegeg­n­er (Recht­san­walt) mit der Wahrung sein­er Inter­essen betraut. Am 18. Juni 2009 schlossen die Parteien einen schriftlichen Man­datsver­trag, worin sie einen Stun­de­nansatz von CHF 700 und eine Erfol­gs­beteili­gung des Recht­san­walts von 6 % vere­in­barten. Nach Abschluss des Man­dats stellte der Beschw­erdegeg­n­er eine Rech­nung über CHF 1’054’053.90 (Stun­den­hono­rar CHF 585’116.40 und Erfol­gshon­o­rar CHF 468’937.50). Der Beschw­erde­führer bezahlte die Rech­nung im Umfang von CHF 560’000, woraufhin der Recht­san­walt den Rest­be­trag gerichtlich einforderte.

Das Bezirks­gericht Zürich wies die Klage ab, ins­beson­dere weil es die Hon­o­rarvere­in­barung als sit­ten­widrig i.S.v. Art. 20 OR qual­i­fizierte. Das Oberg­ericht erachtete demge­genüber die Hon­o­rarvere­in­barung als gültig und sprach dem Recht­san­walt — nach Vor­nahme divers­er Kürzun­gen — noch ein Betrag von CHF 294’127.40 zu.

Das Bun­des­gericht hies die Beschw­erde des Klien­ten gut und wies die Klage des Recht­san­walts ab. Es ver­wies ein­lei­t­end auf die Prax­is vor und nach Inkraft­treten des BGFA, gemäss welch­er das pactum de quo­ta litis, wonach das gesamte Hon­o­rar eines Anwalts in einem Anteil am allfäl­li­gen Prozess­gewinn beste­ht, ver­boten ist, und die Zuläs­sigkeit des pactum de pal­mario unter­schiedlich beurteilt wurde (E. 2.5). Es ver­wies sodann auf die herrschende Lehre, die das pactum de pal­mario unter Ver­weis auf BGer 2A.98/2006, E. 2.2, als zuläs­sig erachtet, sofern der Anwalt unab­hängig vom Ver­fahren­saus­gang ein Hon­o­rar erhält, welch­es nicht nur seine Selb­stkosten deckt, son­dern ihm auch einen angemessen Gewinn ermöglicht (E. 2.6.1). Auch gemäss Art. 19 der Standesregeln des Schweiz­erischen Anwaltsver­bands ist das pactum de quo­ta litis unzuläs­sig, ein pactum de pal­mario jedoch erlaubt (E. 2.6.2). Inter­na­tion­al beste­he sodann die Ten­denz zur Zuläs­sigkeit von Erfol­gshon­o­raren (E. 2.6.3 mit Ver­weis auf Deutsch­land, Frankre­ich, Ital­ien und Österreich).

Mass­gebend ist die Ausle­gung von Art. 12 lit. e BGFA und dabei die Frage, ob die Pas­sage “als Ersatz für das Hon­o­rar” den voll­ständi­gen Ersatz des Hon­o­rars durch eine Beteili­gung am Prozess­gewinn ver­bi­etet oder jede Beteili­gung am Prozess­gewinn uner­laubt ist:

  • Das Bun­des­gericht kam, nach­dem es die drei Sprach­fas­sun­gen ver­glich, zum Schluss, dass die Ausle­gung des Wort­lauts der Bes­tim­mung für die Zuläs­sigkeit eines pactum de pal­mario spreche. Zwar weise die franzö­sis­che Fas­sung von Art. 12 lit. e BGFA darauf hin, dass jede Vere­in­barung, welche das Hon­o­rar vom Ergeb­nis der anwaltlichen Bemühun­gen abhängig mache, und damit auch ein pactum de pal­mario, unzuläs­sig sei. Allerd­ings sei eine solche Ausle­gung nicht mass­gebend (E. 2.7.1–2.7.2).
  • Die Mate­ri­alien zu Art. 12 lit. e BGFA wür­den, so das Bun­des­gericht weit­er, die Frage der Zuläs­sigkeit des pactum de pal­mario nicht beant­worten. In der Botschaft werde das pactum de pal­mario, anders als das pactum de quo­ta litis, nicht erwäh­nt. Sodann sei das pactum de pal­mario vor Inkraft­treten des BGFA zwar in den meis­ten Kan­to­nen ver­boten, in anderen aber unter gewis­sen Bedin­gun­gen zuläs­sig gewe­sen (E. 2.7.3).
  • Hin­sichtlich des Zwecks von Art. 12 lit. e BGFA rief das Bun­des­gericht in Erin­nerung, dass ein Ver­bot von Erfol­gshon­o­raren im All­ge­meinen die Ver­mei­dung der Gefahr bezwecke, dass der Recht­suchende durch seinen Anwalt, der die Prozes­saus­sicht­en bess­er beurteilen könne als er, über­vorteilt werde. Zudem solle ein solch­es Ver­bot ver­hin­dern, dass der Recht­san­walt seine Unab­hängigkeit ver­liere, weil er wegen der Erfol­gsabrede am Prozessergeb­nis per­sön­lich inter­essiert sei. Ein Ver­bot des pactum de pal­mario sei, so die Schlussfol­gerung des Bun­des­gerichts, nicht erforder­lich, wohl aber das Set­zen gewiss­er Schranken (E. 2.7.4). Damit werde der Zweck von Art. 12 lit. e BGFA und ins­beson­dere die Wahrung der Unab­hängigkeit des Anwalts sichergestellt sowie der Gefahr der Über­vorteilung ent­geg­net. Dies auch vor dem Hin­ter­grund, dass eine Beschränkung oder ein Ver­bot von Erfol­gshon­o­raren in die Wirtschafts­frei­heit (Art. 27 BV) des Anwalts ein­greife und deshalb den Anforderun­gen von Art. 36 BV genü­gen, ins­beson­dere ver­hält­nis­mäs­sig sein müsse (E. 2.7.5).

Im vor­liegen­den Fall erachtete das Bun­des­gericht die let­zte der ein­lei­t­end genan­nten Voraus­set­zun­gen als nicht gegeben: Die Parteien hät­ten erst am 18. Juni 2009 und damit erst rund ein Jahr nach Man­dat­süber­nahme (20. Mai 2008) eine Erfol­gs­beteili­gung vere­in­bart. Der Abschluss des pactum de pal­mario während des laufend­en Man­dats ver­let­ze deshalb Art. 12 lit. e BGFA und die Vere­in­barung des Erfol­gshon­o­rars sei somit nichtig (E. 2.7.6; E. 2.8).