1C_533/2017: Mehrbelastung des Verhaltensstörers bei Haftungsbefreiung des Zustandsstörers (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 11. Juni 2018 beschäftigte sich das BGer mit der Verteilung der Kosten für die Sanierung ein­er mit Chro­mat verun­reinigten Parzelle in der Gemeinde Unter­siggen­thal. Im Jahr 2016 ver­fügte das Departe­ment Bau, Verkehr und Umwelt des Kan­tons Aar­gau (BVU), dass die notwendi­gen Kosten von ins­ge­samt CHF 4’884’697’50 für die Unter­suchung, Überwachung und Sanierung des belasteten Stan­dorts “Deponie H., Unter­siggen­thal” sowie die kün­ftig notwendi­gen Kosten für die Erfol­gskon­trolle zu 23,695 % der Erbenge­mein­schaft B. als Zus­tandsstörerin, zu 1,305 % der I. AG als weit­er­er Zus­tandsstörerin und zu 75 % der A. Immo­bilien AG als Ver­hal­tensstörerin aufer­legt wür­den. Das von allen Parteien angerufene Ver­wal­tungs­gericht entliess die I. AG aus der Haf­tung und erhöhte die Haf­tungsquote der A. Immo­bilien AG auf 76,305 %. Gegen diesen Entscheid gelangten die A. Immo­bilien AG und die Erbenge­mein­schaft B. an das BGer, welch­es die Beschw­erde der Erbenge­mein­schaft B. teil­weise gutheisst.

Im Urteil äussert sich das BGer erst­mals zur in der Lit­er­atur umstrit­te­nen Frage, ob die Haf­tungs­be­freiung des Zus­tandsstör­ers (keine Ken­nt­nis der Belas­tung bei Anwen­dung der gebote­nen Sorgfalt) zu ein­er entsprechen­den Mehrbe­las­tung des Ver­hal­tensstör­ers führe oder ob dieser Anteil auf das zuständi­ge Gemein­we­sen zu über­wälzen sei (Aus­fall­haf­tung). Das BGer sagt dazu folgendes:

[…] der Verur­sachungsan­teil des blossen Stan­dort­in­hab­ers [lässt sich] nicht nach den üblichen Kri­te­rien (Art der Verur­sachung, Ver­schulden, Gewicht des Verur­sachungs­beitrags, Inten­sität der Kausal­ität) bes­tim­men, da er keinen eige­nen Beitrag zur Entste­hung der Belas­tung geleis­tet hat. Kann er sich nach Art. 32d Abs. 2 Satz 3 USG befreien, wider­spricht es somit nicht dem Verur­sacher­prinzip, die Kosten unter den Ver­hal­tensverur­sach­ern zu verteilen. Eine analoge Anwen­dung von Art. 32d Abs. 3 USG auf diesen Fall ist somit abzulehnen […]. (E. 5.2.)

Fol­glich hat das BGer am Umstand, dass der A. Immo­bilien AG als einziger Ver­hal­tensverur­sacherin der Kos­tenan­teil der I. AG aufer­legt wurde, nichts auszuset­zen. Die Beschw­erde der A. Immo­bilien AG weist es ab.

Die der Erbenge­mein­schaft B. aufer­legte Haf­tungsquote von 25 % hält das BGer für exzes­siv, da nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den könne, dass den Erben aus der Belas­tung oder der Sanierung ein Ver­mö­gensvorteil in Höhe min­destens ihres Kos­tenan­teils zuge­flossen sei. Das BGer heisst die Beschw­erde der Erbenge­mein­schaft B. fol­glich teil­weise gut und reduziert die Haf­tungsquote auf 10 %. Die Haf­tungsquote der A. Immo­bilien AG erhöht sich fol­glich auf 90 %.