2C_245/2018: Beginn der Verwirkungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 VG; Zurechnung von Wissen deliktisch handelnder Organe

Im Zusam­men­hang mit der Liq­ui­da­tion ein­er beru­flichen Vor­sorgeein­rich­tung reichte die Sam­mel­s­tiftung A. beim eid­genös­sis­chen Finanzde­parte­ment (EFD) gegen die Schweiz­erische Eidgenossen­schaft ein Schadenser­satzbegehren ein. Das Begehren wurde damit begrün­det, dass das Bun­de­samt für Sozialver­sicherun­gen seine Auf­sicht­spflicht­en ver­let­zt habe, weshalb der unrecht­mäs­sige Abschluss von Ver­mö­genswerten nicht bemerkt und ver­hin­dert wor­den sei.

Das EFD wies das Schadenser­satzbegehren der Stiftung vol­lum­fänglich ab. Die dage­gen erhobene Beschw­erde wies das Bun­desver­wal­tungs­gericht ab. Es hat­te erwogen, dass der Schadenser­satzanspruch ver­wirkt gewe­sen sei. Gegen dieses Urteil erhob die Stiftung Beschw­erde ans Bun­des­gericht. Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde gut und wies die Sache zu neuer Entschei­dung an die Vorin­stanz zurück (Urteil 2C_245/2018 vom 21. Novem­ber 2018).

Das Bun­des­gericht hat­te ins­beson­dere zu beurteilen, wann die Sam­mel­s­tiftung vom Schaden Ken­nt­nis erhal­ten hat­te (E. 2.1, 5 und 5.1). Die Vorin­stanz hat­te dazu im Wesentlichen erwogen, zwei Stiftungsräte und Geschäfts­führer der Sam­mel­s­tiftung seien wegen mehrfach­er qual­i­fiziert­er Verun­treu­ung verurteilt wor­den. Ihnen sei die unrecht­mäs­sige und zweck­widrige Ver­wen­dung der Vor­sorgegelder von Anfang an bekan­nt gewe­sen. Ihr Wis­sen sei der Sam­mel­s­tiftung zuzurech­nen, sodass die Ver­wirkung allfäl­liger Schadenser­satzansprüche einge­treten sei (E. 5.3).

Das Bun­des­gericht erkan­nte dage­gen, die rel­a­tive Ver­jährungs­frist beginne mit dem Zeit­punkt, in dem der Geschädigte tat­säch­lich Ken­nt­nis vom Schaden habe, und nicht mit dem­jeni­gen, in dem er bei Anwen­dung der nach den Umstän­den gebote­nen Aufmerk­samkeit aus­re­ichende Ken­nt­nis vom Schaden hätte erlan­gen kön­nen (E. 5.1 sowie 7.1, 7.3 und 7.5).

Eine Sam­mel­s­tiftung müsse sich als juris­tis­che Per­son grund­sät­zlich auch das delik­tis­che Ver­hal­ten ihrer Organe anrech­nen lassen. Voraus­ge­set­zt sei aber immer­hin, dass das Organ in Wahrnehmung sein­er Organ­tätigkeit und nicht als Pri­vat­per­son gehan­delt habe. Die Tätigkeit des Organs müsse in den Rah­men der Organkom­pe­ten­zen fall­en. Die Anrech­nung des Wis­sens (Wis­sensvertre­tung) als Aus­fluss der Organ­vertre­tung finde deshalb ihre Gren­zen im Zweck der juris­tis­chen Per­son. Die Vertre­tungs­macht der Organe beziehe sich nicht auf Recht­shand­lun­gen, die völ­lig ausser­halb des Zwecks der juris­tis­chen Per­son ste­hen oder diesem ger­adezu wider­sprechen wür­den (zum Ganzen E. 6.1). Bei ein­er blossen Sorgfalt­spflichtver­let­zung inner­halb des Rah­mens des Stiftungszwecks sei deshalb das Han­deln und Wis­sen der Stiftung­sor­gane noch der Stiftung zuzurech­nen (E. 6.7.4).

Im vor­liegen­den Fall sei durch recht­skräftige Stra­furteile belegt, dass die bei­den Stiftungsräte wegen mehrfachen qual­i­fizierten Verun­treu­un­gen zum Nachteil der Sam­mel­s­tiftung zu Frei­heitsstrafen verurteilt wor­den seien. Wenn sub­stantielle Teile des Stiftungsver­mö­gens durch strafrechtlich rel­e­vante Verun­treu­un­gen der Vor­sorgeein­rich­tung ent­zo­gen wür­den, um sich oder andere zu bere­ich­ern, könne dies nicht mehr als vom Stiftungszweck gedeckt betra­chtet wer­den. Delik­tis­che Hand­lun­gen, die sich direkt gegen die Stiftung richt­en, lägen völ­lig ausser­halb des Stiftungszwecks und kön­nten daher nicht der Beschw­erde­führerin zugerech­net wer­den. Das Wis­sen der verurteil­ten Stiftungsräte könne daher der Stiftung auch nicht im Hin­blick auf den Beginn der rel­a­tiv­en Ver­wirkungs­frist ent­ge­genge­hal­ten wer­den (zum Ganzen E. 6.7.5).