Das Bundesgericht hat in einem für die amtliche Sammlung vorgesehenen Grundsatzurteil erneut entschieden, dass in der Schweiz auch Sans-Papiers und abgewiesene Asylbewerber ein Recht auf Eheschliessung haben (Urteil 5A_814/2011 vom 17. Januar 2012; frz.). Damit bestätigt es einen wenige Wochen zuvor gefällten und bereits publizierten Entscheid (Urteil 2C_349/2011 vom 23. November 2011 = BGE 137 I 351; frz.).
Danach darf abgewiesenen Asylbewerbern und Sans-Papiers die Heirat in der Schweiz nicht systematisch verweigert werden. Hierfür bedarf es allerdings zwei wichtiger Voraussetzungen: Einerseits dürfen keine Indizien für einen Missbrauch, d.h. eine Scheinehe, vorliegen. Und andererseits muss feststehen, dass die ausländische Person nach dem Eheschluss die Bedingungen für einen nunmehr rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz erfüllt.
Die NZZ fasst den Entscheid wie folgt zusammen:
Für illegal anwesende Ausländer ist es laut Bundesgericht grundsätzlich Sache der Fremdenpolizeibehörden, dem Recht auf Eheschluss und dem Gebot der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und den Betroffenen gegebenenfalls für das Eheverfahren eine provisorische Aufenthaltsbewilligung auszustellen. […] Umgekehrt gibt es nach Ansicht des Bundesgerichts keinen Grund, den Aufenthalt einer Person zwecks Heirat zu verlängern, wenn sie die Schweiz danach trotzdem verlassen müsste.
Die Regeste des im Urteil zitierten BGE 137 I 351 lautet:
Vom Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens kann nur bei Vorliegen eines “offensichtlichen” Rechtsanspruches auf eine Aufenthaltsbewilligung abgewichen werden (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 3.1). Kann der Zivilstandsbeamte die Trauung eines ausländischen Verlobten mangels Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts in der Schweiz nicht vollziehen (Art. 98 Abs. 4 ZGB und Art. 67 Abs. 3 ZStV), so ist die Migrationsbehörde gehalten, letzterem im Hinblick auf die Heirat einen provisorischen Aufenthaltstitel auszustellen, sofern keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch vorliegen und klar erscheint, dass der Betroffene — einmal verheiratet — aufgrund seiner persönlichen Situation die Zulassungsvoraussetzungen in der Schweiz erfüllen wird (analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 2 AuG); diese Auslegung erlaubt die Beachtung von Art. 12 EMRK und Art. 14 BV in Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers (E. 3.4–3.7) und steht mit dem Grundsatz der Ausschliesslichkeit bzw. des Vorranges des Asylverfahrens im Einklang (E. 3. 8).