6B_684/2010: Urkundenfälschung durch Revisionsstelle

Revi­sor X bestätigte der Y‑AG in seinen jährlichen Revi­sions­bericht­en, dass deren Buch­führung Gesetz und Statuten entspreche, obwohl er – so die Sachver­halt­szusam­men­fas­sung des OGer ZH – in Ver­let­zung sein­er Beruf­spflicht­en u.a. eine (Über-)Prüfung von Bestand und Bonität der (Haupt-)Debitoren bzw. Bestand der Kred­i­toren unter­liess und dadurch zumin­d­est in Kauf nahm, dass nicht den Tat­sachen entsprechende Bilanzen und Erfol­gsrech­nun­gen als über­prüft beze­ich­net wur­den. Die von X gegen die Verurteilung wegen mehrfach­er Urkun­den­fälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB ein­gelegte Beschw­erde hat­te keinen Erfolg; das Bun­des­gericht erken­nt eben­falls auf Falschbeurkun­dung und bestätigt mit Urteil vom 15. Novem­ber 2010 (6B_684/2010) den Schuld­spruch der Vorin­stanz.

Um die Tatbe­stand­salter­na­tive ein­er Falschbeurkun­dung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 Var. 4 StGB) zu erfüllen, muss eine qual­i­fizierte schriftliche Lüge abgegeben wor­den sein, die nur anzunehmen ist, wenn eine erhöhte Glaub­würdigkeit der Urkunde und ein beson­deres Ver­trauen des Adres­sat­en vor­liegen. Dies ist der Fall, wenn all­ge­mein gültige objek­tive Garantien die Wahrheit der Erk­lärung gegenüber Drit­ten gewährleis­ten, wie sie u.a. in der Prü­fungspflicht ein­er Urkundsper­son oder in geset­zlichen Vorschriften (z.B. die Bilanzvorschriften in Art. 958 ff. OR) zu sehen sind, die ger­ade den Inhalt bes­timmter Schrift­stücke näher fes­tle­gen (BGE 132 IV 12 E. 8.1 S. 15; 129 IV 130 E. 2.1 S. 134 […]).

Diese Voraus­set­zun­gen für die Annahme ein­er Falschbeurkun­dung kön­nen – so das Bun­des­gericht – grund­sät­zlich auch Revi­sions­berichte erfüllen:

3.1.4 Dem Revi­sions­bericht wird im Rah­men der Falschbeurkun­dung in Bezug auf die inhaltliche Prü­fung der Buch­führung und Jahres­rech­nung unbe­strit­ten­er­massen erhöhte Glaub­würdigkeit zuerkan­nt (Urteil 6B_772/2008 vom 6. März 2009 E. 4.4 […]). Es kommt ihm deshalb beson­dere Bedeu­tung zu, weil die Revi­sion­sstelle den Eigenkap­i­tal­ge­bern nicht zuste­hende Ein­sichts- und Kon­troll­rechte in finanziellen Belan­gen erset­zt. Die Rech­nung­sprü­fung dient schliesslich auch dem Schutz der Gläu­biger (BGE 132 IV 12 E. 9.3.3 S. 20 […]).

Die Frage, ob ein Revi­sions­bericht im Einzelfall als unwahre Urkun­den zu qual­i­fizieren ist, muss in erster Lin­ie nach den zivil­rechtlichen Regeln über die Berichter­stat­tung nach Art. 728 Abs. 1 aOR beurteilt wer­den (vgl. auch E. 3.3.1 f. mit Ver­weis auf Urteil 6B_772/2008 vom 6. März 2009 E. 4.3):

3.3.3 Nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung ist die Revi­sion­sstelle im Rah­men der Buch­prü­fung verpflichtet, die aus­gewiese­nen Gesellschaft­sak­tiv­en auf ihren tat­säch­lichen Bestand zu unter­suchen. Die Prü­fung der Bilanzwahrheit erstreckt sich dabei nicht nur auf das Anlage- und Umlaufver­mö­gen, son­dern auch auf die Forderun­gen (BGE 112 II 461 E. 3c S. 462; bestätigt in BGE 116 II 533 E. 5b S. 541 f. […]). Zum Prü­fungsvorge­hen selb­st erwäh­nt das Gesetz nichts. Ein Nicht­be­fol­gen der in den Grund­sätzen zur Abschlussprü­fung der Treu­hand-Kam­mer […] und im Revi­sion­shand­buch der Schweiz […] bzw. Schweiz­er Hand­buch der Wirtschaft­sprü­fung […] wiedergegebe­nen Prü­fungsmeth­o­d­en und Vorge­hensvorschläge wird jedoch in aller Regel eine Sorgfalt­spflichtver­let­zung der Revi­sion­sstelle darstellen […]. Der Grund­satz der Wesentlichkeit gilt auch bezüglich der Frage, wie detail­liert eine Prü­fung zu erfol­gen hat ([…]. Ob z.B. gewisse Rech­nungsposten lück­en­los oder nur stich­proben­weise geprüft wer­den sollen, hängt von den Umstän­den ab, namentlich auch von der finanziellen Sit­u­a­tion der Gesellschaft, der Qual­ität der inter­nen Kon­trolle, der Fehler­an­fäl­ligkeit des entsprechen­den Prüf­feldes und der bish­eri­gen Erfahrung der Revi­sion­sstelle mit der zu unter­suchen­den Gesellschaft […].

Im vor­liegen­den Fall kommt das Bun­des­gericht zu dem Schluss, dass die Bestä­ti­gun­gen in den Revi­sions­bericht­en des X unwahr gewe­sen seien und damit eine Falschbeurkun­dung vorliegt:

3.4.4 […] die Fälle, in denen zwar eine Abschlussprü­fung durchge­führt wur­den, diese aber den Anforderun­gen von Art. 728 Abs. 1 OR nicht genügt, weil z.B. gewisse Prü­fungs­ge­gen­stände unberück­sichtigt blieben, [sind] in ihrer rechtlichen Würdi­gung den sog. Gefäl­ligkeits­bericht­en gleichzusetzen […]

Der Vor­satz des X hat das Bun­des­gericht bejaht, weil er als langjähriger, erfahren­er Revi­sor die für seine Tätigkeit gel­tenden Geset­zesvorschriften und Standesregeln gekan­nt und zumin­d­est in Kauf genom­men hat, dass der fak­tis­che Beherrsch­er der Y‑AG (einem “Ein-Mann-Betrieb” ohne interne Kon­trollmech­a­nis­men) insofern eine Besser­stel­lung erfahren habe, als er wed­er allfäl­lige Rechts­fol­gen gemäss Art. 729c OR, noch in erhe­blichem Masse erk­lärungs­bedürftige Vor­be­halte in den jew­eili­gen Revi­sions­bericht­en zu gewär­ti­gen gehabt habe […].