4A_560/2013 (amtl. Publ.): Prüfung einer Schiedseinrede im Binnenverhältnis

Mit Entscheid 4A_560/2013 vom 30. Juni 2014 set­zte sich das Bun­des­gericht mit ein­er Schied­seinrede auseinander.

Mit Vere­in­barung vom 17. Dezem­ber 2007
(“Kon­sor­tialver­trag”) schlossen sich die B. AG, der Bauleit­er A., das Inge­nieur­büro C., die D. AG
sowie die E. AG zu einem Kon­sor­tium zusammen.
Die let­zte Seite des
Kon­sor­tialver­trags enthält unter der Über­schrift “Zif­fer XI
Schluss­bes­tim­mungen” eine Klausel mit fol­gen­dem Wortlaut:

Für den vor­liegen­den Ver­trag ist auss­chliesslich schweiz­erisches Recht anwend­bar. Gerichts­stand ist Meilen. 

Stre­it­igkeit­en unter den
Gesellschaftern über den vor­liegen­den Ver­trag wie auch über Werkverträge, die
das Kon­sor­tium mit den Gesellschaftern abschliesst,
wer­den nach Möglichkeit unter Auss­chluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schieds­gericht erledigt. Die Parteien,
unter denen Mei­n­ungsver­schieden­heit beste­ht, sollen
sich in der Monats­frist auf einen Einzelschied­srichter oder ein
Schieds­gericht eini­gen. Erst wenn eine solche Eini­gung nicht möglich oder der
Entscheid des Schieds­gerichts nicht akzep­tiert wird,
kann das zuständi­ge Gericht angerufen
werden.

A. erhob am Bezirks­gericht Meilen Klage gegen seine vier Mit­ge­sellschafter. Die Beklagten erhoben die Schied­seinrede. Das Bezirks­gericht Meilen trat auf die
Klage nicht ein mit dem Argu­ment, dass Zif­fer XI des
Kon­sor­tialver­trages eine gültige Schied­sklausel enthalte, in welch­er der klare Wille der Parteien zum Aus­druck komme, über Streitigkeiten
unter den Gesellschaftern über den Kon­sor­tialver­trag oder über Werkverträge,
welche das Kon­sor­tium mit den Gesellschaftern
abschliesst, ein Schieds­gericht entschei­den zu
lassen.

Gegen diesen Entscheid erhob der
Kläger Beru­fung an das Oberg­ericht des Kantons
Zürich, das die Beru­fung abwies. Der Kläger erhob daraufhin Beschw­erde in Zivilsachen.

Das Bun­des­gericht erk­lärte, dass bei­de Parteien beim Abschluss des
Kon­sor­tialver­trags ihren Sitz in der Schweiz hat­ten, wom­it vor­liegend die Regeln
über die interne Schieds­gerichts­barkeit zur Anwendung
gelan­gen gemäss Art. 353 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 176 Abs. 1 IPRG. Der Ver­trag datiert aus der Zeit vor Inkraft­treten der ZPO am 1. Jan­u­ar 2011. Gemäss Art. 407
Abs. 1 ZPO beurteilt sich im Bin­nen­ver­hält­nis die Gültigkeit von Schiedsvere­in­barun­gen,
die vor Inkraft­treten des Geset­zes geschlossen wur­den,
nach dem für sie gün­stigeren Recht. Sowohl die Vorin­stanz wie auch das Bezirks­gericht gin­gen unange­focht­en und zutr­e­f­fend davon
aus, dass die formellen Anforderun­gen der ZPO an eine Schiedsvere­in­barung gegenüber den­jeni­gen des früheren kan­tonalen Rechts gün­stiger sind, und prüften
dementsprechend das Vor­liegen ein­er Schiedsvere­in­barung und deren Auswirkung auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte nach Mass­gabe der
ZPO.

Nach Art. 61 ZPO lehnt das angerufene staatliche
Gericht seine Zuständigkeit ab
, wenn die Parteien über eine
schieds­fähige Stre­it­sache eine Schiedsvere­in­barung getrof­fen haben (Art. 61 Ingress), es sei denn, (i) die beklagte Partei habe sich vor­be­halt­los auf das Ver­fahren ein­ge­lassen (lit. a), (ii) das Gericht stelle fest, dass die Schiedsvere­in­barung offen­sichtlich ungültig oder nicht erfüll­bar sei (lit. b), (iii) oder das Schieds­gericht könne 
nicht bestellt wer­den
aus Grün­den, für
welche die im Schiedsver­fahren beklagte Partei offen­sichtlich einzuste­hen hat (lit.
c).

Unter ein­er Schiedsvere­in­barung ist
eine Übereinkun­ft zu ver­ste­hen, mit der sich zwei oder mehrere bes­timmte oder bes­timm­bare Parteien
eini­gen, eine oder mehrere, beste­hende oder kün­ftige Streitigkeiten
verbindlich unter Auss­chluss der ursprünglichen staatlichen Gerichtsbarkeit
einem Schieds­gericht nach Mass­gabe ein­er unmit­tel­bar oder mit­tel­bar bes­timmten rechtlichen Ord­nung zu unter­stellen. Entschei­dend ist, dass der Wille der Parteien zum Aus­druck kommt, über bes­timmte Stre­it­igkeit­en ein pri­vates Schieds­gericht unter
Auss­chluss der staatlichen Gerichts­barkeit verbindlich entschei­den zu lassen. Dabei muss sich der Wille,
auf die staatlichen Gerichte zu verzicht­en, nach bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung klar und unzwei­deutig aus
der
Parteivere­in­barung ergeben.

Gemäss Art. 61 Ingress ZPO lehnt das staatliche Gericht
seine Zuständigkeit nur dann ab, wenn die Parteien eine Schiedsvere­in­barung abgeschlossen haben und diese sich auf
eine schieds­fähige Stre­it­sache bezieht. Diese in Art. 61 Ingress ZPO genan­nten Ele­mente sind in einem ersten Schritt mit voller
Kog­ni­tion zu prüfen
. Erst wenn eine Schiedsvereinbarung
über einen schieds­fähi­gen Stre­it­ge­gen­stand i.S. von
Art. 61 Ingress ZPO vor­liegt, ist in einem zweit­en Schritt nach Art. 61 lit. b ZPO zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarung 
offen­sichtlich ungültig oder nicht erfüll­bar
ist.  Dieser Wort­laut lehnt sich an jenen von Art. 7 lit. b IPRG an, wobei diese Bes­tim­mung im Unter­schied zu Art. 61 lit.
b ZPO das Wort “offen­sichtlich” nicht enthält. Mit dem Kriterium
der Offen­sichtlichkeit in Art. 61 lit. b ZPO wollte der Geset­zge­ber die bun­des­gerichtliche Recht­sprechung zu Art. 7 lit. b IPRG kod­i­fizieren, wonach das staatliche Gericht die Schiedsvere­in­barung mit ein­er bloss
sum­marischen Prü­fung
auf eine Hin­fäl­ligkeit, Unwirk­samkeit oder
Uner­füll­barkeit hin über­prüfen soll. Die sum­marische Prü­fung nach Art. 61 lit. b ZPO bezieht sich namentlich auf die inhaltliche Trag­weite der Schiedsvere­in­barung sowie auf pathol­o­gis­che Schiedsvere­in­barun­gen, d.h. solche, aus denen zwar die
verbindliche Unter­stel­lung ein­er Stre­it­entschei­dung unter ein privates
Schieds­gericht her­vorge­ht, die aber Bes­tim­mungen enthal­ten, die
unvoll­ständig, unklar oder wider­sprüch­lich sind.

Das Bun­des­gericht prüfte in der Folge, ob die Parteien eine Schiedsvere­in­barung getrof­fen hat­ten. Die fragliche Klausel in Zif­fer XI
des Kon­sor­tialver­trages enthält zunächst eine Rechtswahl (“Für den vor­liegen­den Ver­trag ist auss­chliesslich schweiz­erisches Recht anwend­bar”). Weit­er enthält sie
eine Gerichts­stand­sklausel (“Gerichts­stand ist Meilen”), welche eindeutig
und unbe­d­ingt ist. Danach wird bes­timmt, “nach
Möglichkeit” soll­ten Stre­it­igkeit­en unter Auss­chluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schieds­gericht erledigt wer­den. Zu
diesem Zweck sollen sich die Parteien bei Mei­n­ungsver­schieden­heit­en “innert Monats­frist auf einen
Einzelschied­srichter oder ein Schieds­gericht” eini­gen. Erst wenn eine “solche
Eini­gung nicht möglich oder der Entscheid
des Schieds­gerichts nicht akzep­tiert” werde, könne “das zuständi­ge Gericht angerufen werden”.

Es ergibt sich
bere­its aus dem Wort­laut, dass die Parteien damit (noch) keine Schiedsvere­in­barung abgeschlossen haben, son­dern lediglich
“nach Möglichkeit” ver­suchen wollen, einen Einzelschied­srichter oder ein
nicht näher definiertes Schieds­gericht einzuset­zen
. Die Parteien wollen also
ver­suchen, bei Mei­n­ungsver­schieden­heit­en eine konkrete
Schiedsvere­in­barung über­haupt erst abzuschliessen.
Selb­st wenn sie mit dem zweit­en Halb­satz (“oder der Entscheid des Schieds­gerichts nicht akzep­tiert wird”) den Fall eines Rechtsmit­tels an die staatlichen Gerichte regeln woll­ten, haben sie mit dem ersten Halb­satz ins Auge gefasst,
dass eine ein­vernehm­liche Bestel­lung des
grund­sät­zlich bevorzugten — aber noch nicht vere­in­barten — Schiedsgerichts
nicht möglich sein kön­nte, und für diesen Fall die Anrufung des zuständigen
(staatlichen) Gerichts aus­drück­lich vor­be­hal­ten. Sie haben dabei ent­ge­gen der Ansicht der Vorin­stanz und der Beschwerdegegner
nicht erk­lärt, das staatliche Gericht solle ein
Schieds­gericht bestellen, son­dern sie haben erk­lärt, es
könne das staatliche Gericht angerufen
werden.

Die Vorin­stanz hat fol­glich den
Text in Zif­fer XI Abs. 2 des Kon­sor­tialver­trages ver­trauen­sthe­o­retisch falsch
aus­gelegt, wenn sie darin bere­its einen Kon­sens über
den Verzicht auf die staatliche und die Ein­set­zung ein­er privaten
Gerichts­barkeit sah. Es fehlt an ein­er klaren und unzwei­deuti­gen
Wil­lenserk­lärung der Parteien
, Stre­it­igkeit­en aus ihrem Konsortialvertrag
unter Auss­chluss der staatlichen Gerichts­barkeit ein­er verbindlichen Beurteilung durch ein Schieds­gericht zu unterstellen.
Damit liegt keine Schiedsvere­in­barung i.S.v. Art. 61 Ingress ZPO vor; eine sum­marische Prü­fung der
Klausel unter dem Aspekt von Art. 61 lit. b ZPO erübrigt sich.

Das Bun­des­gericht zog deshalb den Schluss, dass die Beschw­erde sich als begrün­det erwiesen habe. Das Bun­des­gericht hob daher den ange­focht­e­nen Entscheid auf und wies die Sache an die Vorinstanz
zu neuer Entschei­dung zurück.