Das vorliegende, zur amtl. Publ. vorgesehene Urteil des BGer betraf den Vorwurf der Geldwäscherei gegen die Schweizerische Post. Die Post hatte einem Kunden aus einem Verbrechen stammende Mittel in bar ausgezahlt. Gegen die involvierten Mitarbeiter der Post selbst wurde kein Strafverfahren geführt (weder gegen den Mitarbeiter der Compliance-Abteilung, der für die Auszahlung
grünes Licht gegeben hatte, noch gegen die Mitarbeiterin, welche die
Auszahlung vorgenommen hatte). Die Erstinstanz war zu einem Schuldspruch gestützt auf Art. 102 Abs. 2 i.V.m. Art. 305bis StGB gelangt; das OGer SO zu einem Freispruch.
Strittig war die Auslegung von Art. 102 Abs. 2 StGB (originäre Verantwortlichkeit des Unternehmens). Diese ist von der subsidiären Verantwortlichkeit nach Abs. 1 zu unterscheiden:
[…] Der Vorwurf an die Unternehmung richtet sich bei der subsidiären Haftbarkeit (Ersatzhaftung) nicht auf die Begehung der Anlasstat, sondern auf das Organisationsdefizit, welches die Zurechnung der Anlasstat zu einer natürlichen Person als Täter verhindert (Art. 102 Abs. 1 StGB). […].
Bei der konkurrierenden Haftung lautet der Vorwurf dahin, dass die Desorganisation im Unternehmen bewirkt hat, dass eine der genannten Katalogtaten verübt werden konnte. Die Bestimmung statuiert in diesem Bereich eine Deliktsverhinderungspflicht […]
In beiden Fällen ist jedoch vorausgesetzt, dass im Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks eine Straftat begangen wurde. Dafür muss nachgewiesen werden, dass die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Ohne dies entfällt die Strafbarkeit des Unternehmens — andernfalls ergäbe sich eine reine Kausalhaftung, die der Gesetzgeber ausdrücklich nicht wollte.
Das gilt auch bei der originären Haftung: Hier tritt die Strafbarkeit des Unternehmens neben jene des Individualtäters und ist von dieser unabhängig, so dass sie die Strafbarkeit des Unternehmens nicht entfällt, wenn der Individualtäter nicht ermittelt oder nicht bestraft wird. Dennoch setzt auch die originäre Haftung voraus, dass eine Anlasstat begangen wurde und dass zwischen dieser und dem Organisationsdefizit ein Zusammenhang besteht.
Im vorliegenden Fall war die Schweizerische Post deshalb freizusprechen: Als Anlasstat kam hier nur die Barauszahlung in Frage. Die beteiligten Personen erfüllten aber nicht den subjektiven Tatbestand der Geldwäscherei. Damit blieb als Gegenstand des Vorwurfs lediglich ein
Organisationsdefizit, was für sich keine
Verantwortlichkeit nach Art. 102 Abs. 2 StGB begründet.