4A_58/2020: Interne Schiedsgerichtsbarkeit / Anfechtung eines Schiedsspruchs, in welchem dem Schiedskläger, der die gesamten Kosten des Schiedsverfahrens vorgeschossen hat, ein Rückgriffsrecht gegen den Schiedsbeklagten gegeben wird, der seinen Teil des Vorschusses nicht bezahlt hat

Das Bun­des­gericht befasste sich im Entscheid 4A_58/2020 vom 3. Juni 2020 mit der Anfech­tung eines Teilschiedsspruchs, in welchem dem Schied­skläger, der die gesamten Kosten des Schiedsver­fahrens vorgeschossen hat, ein Rück­griff­s­recht gegen den Schieds­beklagten gegeben wird, der seinen Teil des Vorschuss­es nicht bezahlt hat.

B. (Kläger, Beschw­erdegeg­n­er) leit­ete im Feb­ru­ar 2015 ein Ad-hoc Schiedsver­fahren gegen A. (Beklagter, Beschw­erde­führer) ein. Das Ad-hoc Schieds­gericht erliess am 23./25./27. Mai 2016 den Kon­sti­tu­ierungs­beschluss. In Zif­fer 11 hiess es:

Das Schieds­gericht bes­timmt die von den Parteien zu leis­ten­den Ver­fahren­skosten­vorschüsse mit je hälftiger Vorschusspflicht jed­er Partei (Art. 378 ZPO) und entschei­det im Schiedsspruch über die Höhe und Tra­gung der Gerichts- und Parteikosten (Art. 384 ZPO). Für die Kosten des Schieds­gerichts sind die Bes­tim­mungen gemäss Anhang 1 mass­gebend, für die Parteientschädi­gung die Bes­tim­mungen des Jus­tizre­gle­ments (JR) vom 30. Novem­ber 2010 (SGF 130.11).

Mit Ver­fü­gung vom 27. Mai 2016 forderte das Schieds­gericht von den Parteien einen Gericht­skosten­vorschuss von je Fr. 30’000.– ein. B. bezahlte diesen Betrag. A. erk­lärte, er sei wed­er bere­it noch in der Lage, den Kosten­vorschuss zu bezahlen. Er begehrte, es sei B. anzu­bi­eten, auch den beklagtis­chen Kosten­vorschuss einzuzahlen.
Mit Ver­fü­gung vom 5. Sep­tem­ber 2016 wurde B. unter Hin­weis auf Art. 378 ZPO ein­ge­laden, auch den geg­ner­ischen Anteil des Gericht­skosten­vorschuss­es in Höhe von Fr. 30’000.– zu bezahlen. In der Folge bezahlte B. auch diesen Teil des Vorschusses.

Mit Schied­sklage vom 31. Jan­u­ar 2018 ver­langte B. unter anderem, A. sei zu verurteilen, ihm “im Rah­men eines Teilschiedsspruchs den Kosten­vorschuss des Schieds­gerichts von CHF 30’000.–” zu bezahlen, neb­st Zins zu 5 % seit 31. Okto­ber 2016.

Mit Zwis­ch­enentscheid vom 31. Okto­ber 2019 bejahte das Schieds­gericht seine Zuständigkeit zur Beurteilung der Schied­sklage. Mit Teilentscheid vom 23. Dezem­ber 2019 verurteilte das Schieds­gericht A., B. den Betrag von Fr. 30’000.– neb­st Zins zu 5 % seit 31. Okto­ber 2016 zu bezahlen. A. erhob dage­gen Beschwerde.

Das Bun­des­gericht erk­lärte, dass gemäss Art. 378 Abs. 1 Satz 1 ZPO das Schieds­gericht einen Vorschuss für die mut­masslichen Ver­fahren­skosten ver­lan­gen und die Durch­führung des Ver­fahrens von dessen Leis­tung abhängig machen könne, was mit Ver­fü­gung vom 27. Mai 2016 geschehen sei. Es stellte klar, dass es vor­liegend nicht um einen solchen Entscheid über die Leis­tung eines Kosten­vorschuss­es gehen würde. Im Stre­it ste­he vielmehr ein (Teil-) Schiedsspruch, in dem dem Schied­skläger, der die gesamten Kosten vorgeschossen hat­te, ein Rück­griff­s­recht gegen den Schieds­beklagten gegeben wurde, der seinen Teil des Vorschuss­es nicht bezahlt hat­te. Im ange­focht­e­nen Entscheid wurde der Schieds­beklagte vor­be­halt­los zur Zahlung von Fr. 30’000.– an den Schied­skläger verurteilt. Dage­gen stünde die Beschw­erde an das Bun­des­gericht offen, woran nichts ändern würde, dass das Schieds­gericht im End­schiedsspruch über die defin­i­tive Höhe und Verteilung der Ver­fahren­skosten entschei­den werde.

Das Bun­des­gericht erläuterte, dass wenn eine Partei den von ihr ver­langten Vorschuss nicht leis­ten würde, die andere Partei die gesamten Kosten vorschiessen oder auf das Schiedsver­fahren verzicht­en könne (Art. 378 Abs. 2 ZPO). Entschei­de sie sich dafür, die gesamten Kosten vorzuschiessen, stelle sich die Frage, ob ihr ein sofor­tiges Rück­griff­s­recht gegen die säu­mige Partei zuste­hen würde und — falls ja — in welch­er Form das Schieds­gericht darüber entschei­de (ins­beson­dere: [Teil-]Schiedsspruch oder vor­sor­gliche Mass­nahme). Darüber wür­den die Parteien im vor­liegen­den Ver­fahren streiten.

Das Schieds­gericht habe im ange­focht­e­nen Entscheid einen solchen Rück­griff­sanspruch bejaht und zudem aus­ge­führt, darüber sei in Form eines Teilschiedsspruchs zu befind­en. Es hielt dafür, die Parteien hät­ten sich mit der Schiedsvere­in­barung impliz­it verpflichtet, die Kosten des Schieds­gerichts anteilsmäs­sig vorzu­fi­nanzieren. Diesen Anspruch könne der Schied­skläger gegenüber dem Schieds­beklagten (der diese Vor­fi­nanzierung nicht leiste) durch­set­zen, unbe­se­hen darum, wer die Ver­fahren­skosten endgültig zu tra­gen habe. Es han­dle sich hier­bei um zwei ver­schiedene Streitgegenstände.

Der Beschw­erde­führer warf dem Schieds­gericht unter anderem ver­schiedene offen­sichtliche Rechtsver­let­zun­gen im Sinne von Art. 393 lit. e ZPO vor. Das Bun­des­gericht erläuterte, dass gemäss Art. 393 lit. e ZPO gegen den Schiedsspruch vorge­bracht wer­den könne, er sei im Ergeb­nis willkür­lich, weil er auf offen­sichtlich akten­widri­gen tat­säch­lichen Fest­stel­lun­gen oder auf ein­er offen­sichtlichen Ver­let­zung des Rechts oder der Bil­ligkeit beruhen würde. Mit offen­sichtlich­er Ver­let­zung des Rechts sei indes nur eine Ver­let­zung des materiellen Rechts gemeint und nicht eine solche des Ver­fahren­srechts. Vor­be­hal­ten blieben Prozess­fehler, die den ver­fahren­srechtlichen Ordre pub­lic ver­let­zen würden.

Der Beschw­erde­führer brachte vor, das Schieds­gericht habe zu Unrecht die Schiedsvere­in­barung “als schul­drechtliche Grund­lage für die Rück­er­stat­tungspflicht” herange­zo­gen und gestützt darauf auf einen klag­baren Anspruch des Beschw­erdegeg­n­ers auf Bezahlung von Fr. 30’000.– geschlossen. Das Bun­des­gericht erläuterte, dass die Frage nach der Recht­snatur der schiedsver­fahren­srechtlichen Vorschusspflicht — materiell- oder prozess­rechtlich — und die damit zusam­men­hän­gende, hier im Zen­trum ste­hende Frage, ob ein klag­bar­er Anspruch auf Erstat­tung des zu viel geleis­teten Gericht­skosten­vorschuss­es beste­hen würde, in der Dok­trin umstrit­ten sei. Das Bun­des­gericht bemerk­te jedoch, das Schieds­gericht scheine sich mit sein­er Lösung auf die Mehrheit der Autoren stützen zu können.

Gemäss Bun­des­gericht brauche darauf aber nicht weit­er einge­gan­gen zu wer­den. Denn nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung zu Art. 393 lit. e ZPO han­dle es sich auch bei der Verteilung der Partei- und Gericht­skosten um eine Frage des Ver­fahren­srechts — und nicht um eine solche des materiellen Rechts -, die einzig unter dem Blick­winkel des (prozes­sualen) Ordre pub­lic über­prüft wer­den könne. Ob ein Schieds­gericht vorgängig in einem sep­a­rat­en Teilschiedsspruch über die Erstat­tung des Gericht­skosten­vorschuss­es entschei­den oder ob es im End­schiedsspruch über die Kosten­ver­legung befind­en würde, könne mit Blick auf die bun­des­gerichtliche Kog­ni­tion keinen Unter­schied machen. Es gehe in bei­den Fällen um die Anwen­dung prozes­sualer Regeln und es könne in diesem Zusam­men­hang keine Rolle spie­len, ob eine Schiedspartei ihrer schiedsver­traglichen Verpflich­tung zur Leis­tung der vom Schieds­gericht ver­fügten Kosten­vorschüsse direkt gegenüber dem Schieds­gericht nachkomme oder mit­tel­bar über die Erstat­tung an die Gegen­partei, die an ihrer Stelle die Kosten­vorschusspflicht gegenüber dem Schieds­gericht erfüllt habe. Nach­dem aber der Beschw­erde­führer keine Ver­let­zung des Ordre pub­lic moniert habe, könne auf seine Kri­tik nicht einge­treten werden.

Unbe­helflich seien schliesslich die Ein­wände des Beschw­erde­führers, die er gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zin­sen auf den Rück­er­stat­tungs­be­trag vor­ge­tra­gen habe. Auch in diesem Rügekom­plex bean­stande der Beschw­erde­führer in der Sache primär eine Ver­let­zung prozes­sualer Regeln. Abge­se­hen davon habe er nicht aufgezeigt, inwiefern es im vor­liegen­den Fall im Ergeb­nis ger­adezu offen­sichtlich unhalt­bar sein soll, ihn zur Zahlung von Zin­sen auf einen Betrag zu verpflicht­en, den er ent­ge­gen der (auf Art. 378 ZPO gestützten) Zif­fer 11 des Kon­sti­tu­ierungs­beschlusses nicht bezahlt habe und der vom Beschw­erdegeg­n­er vorgeschossen wurde, diesem fol­glich in der Zwis­chen­zeit nicht zur Ver­fü­gung stand.

Das Bun­des­gericht kam dementsprechend zum Schluss, dass die Beschw­erde keine zuläs­si­gen und hin­re­ichend begrün­de­ten Rügen enthal­ten habe, weshalb es nicht auf sie eintrat.