Revision des DSG: Entwurf und Botschaft veröffentlicht

Das schweiz­erische Daten­schutzge­setz (DSG) befind­et sich zur Zeit in Revi­sion; wir haben dazu wieder­holt berichtet. Nach­dem die Vernehm­las­sung zum Voren­twurf anfangs April 2017 endete, hat der Bun­desrat heute nun den Entwurf des DSG mit weit­eren Doku­menten veröf­fentlicht (vgl. Medi­en­mit­teilung):

Eine Gegenüber­stel­lung des Entwurfs mit dem Voren­twurf und dem gel­tenden DSG ist hier abruf­bar.

Das Par­la­ment wird den Entwurf nun zu berat­en haben. Der Bun­desrat hofft aber, das neue DSG auf August 2018 in Kraft set­zen zu können.

Der Voren­twurf war im Vernehm­las­sungsver­fahren in vie­len Punk­ten teils heftig kri­tisiert wor­den. Gegen­stand beson­ders schar­fer Kri­tik waren die vorge­henen Sank­tio­nen, die sich nicht als Ver­wal­tungs­bussen gegen fehlbare Unternehmen, son­dern als Straf­sank­tio­nen gegen ver­ant­wortliche Mitar­beit­er richt­en soll­ten. Der Bun­desrat will an diesem Sys­tem fes­thal­ten, hat den Bussen­rah­men aber auf CHF 250’000 gesenkt und die Tatbestände als Vor­satzde­lik­te aus­gestal­tet. Straf­bar ist fern­er nur die Ver­let­zung bes­timmter Mitwirkungspflicht­en gegenüber dem EDÖB, der Infor­ma­tions- und Auskun­ft­spflicht, der Pflicht­en bei Aus­lands­bekan­nt­gabe und Auf­trags­bear­beitung und der Daten­sicher­heit­san­forderun­gen. Nicht straf­bar sind weit­er­hin eine Ver­let­zung der all­ge­meinen Bear­beitungs­grund­sätze und – neu – der Pflicht­en im Zusam­men­hang mit ein­er Daten­schutz-Fol­gen­ab­schätzung und mit Daten­schutzver­let­zun­gen (“breach notification”).

Auf den ersten Blick und noch ohne Berück­sich­ti­gung der Botschaft zeigt sich anson­sten fol­gen­des Bild:

Einige in der Vernehm­las­sung nicht oder kaum bestrit­tene Punk­te wur­den über­nom­men, etwa die Beschränkung der “Per­so­n­en­dat­en” auf natür­liche Per­so­n­en (Art. 4 lit. a E‑DSG) oder die Kom­pe­tenz des Bun­desrats zur Beurteilung der Angemessen­heit des aus­ländis­chen Rechts (Art. 13 Abs. 1).

Einiges ist neu:

  • Bear­beit­er kön­nen neu einen unab­hängi­gen, fachkundi­gen, inter­nen oder auch exter­nen “Daten­schutz-Berater” bes­tim­men, was Erle­ichterun­gen im Fall ein­er Daten­schutz-Fol­gen­ab­schätzung mit sich bringt.
  • Her­steller von Daten­bear­beitungssys­te­men oder ‑pro­gram­men kön­nen ihre Sys­teme, Pro­duk­te und Dien­stleis­tun­gen zer­ti­fizieren lassen.
  • Der Entwurf sieht Über­gangs­bes­tim­mungen vor. So müssen fort­dauernde Bear­beitun­gen erst zwei Jahre nach Inkraft­treten angepasst sein, und die neuen Infor­ma­tion­spflicht­en greifen eben­falls erst nach zwei Jahren (Art. 62 ff.).

Einige Bestimmungen wurden in ihrer Handhabung erleichtert:

  • Es sind einige Meldepflicht­en gegenüber dem EDÖB ent­fall­en oder durch Infor­ma­tion­spflicht­en auf Anfrage erset­zt wor­den, so etwa bei der Daten­bekan­nt­gabe ins Aus­land (Art. 14 Abs. 2; was bleibt, ist die Pflicht zur Mit­teilung nicht genehmigter oder anerkan­nter Klauseln zur Bekan­nt­gabe in unsichere Drittstaaten);
  • Der Bun­desrat kann weit­ere Garantien fes­tle­gen, die eine Daten­bekan­nt­gabe ins Aus­land erlauben (Art. 13 Abs. 3).
  • Die Bekan­nt­gabe ins Aus­land im Zusam­men­hang mit einem Ver­trag ist neu auch dann möglich, wenn der Ver­trag nicht mit der betrof­fe­nen Per­son, aber in deren Inter­esse geschlossen wurde oder wer­den soll (Art. 14 Abs. 1 lit. b).
  • Auf­trags­bear­beit­er brauchen nach wie vor die Zus­tim­mung für Unter­aufträge, doch muss diese nicht mehr schriftlich erfolgen.
  • Die beson­deren Pflicht­en bei automa­tisierten Einze­lentschei­dun­gen (Art. 19) ent­fall­en neu, wenn die Entschei­dung mit einem Ver­trag zusam­men­hängt und für die betrof­fene Per­son pos­i­tiv aus­fällt, und wenn die betrof­fene Per­son in die automa­tisierte Entschei­dung aus­drück­lich eingewil­ligt hat.
  • Die Reak­tions­frist des EDÖB nach Mel­dung ein­er Fol­gen­ab­schätzung wurde auf zwei Monate verkürzt (Art. 21 Abs. 2; wenn auch mit der Möglichkeit ein­er Ver­längerung auf drei Monate), und sie ist nicht verpflich­t­end, wenn ein Daten­schutzber­ater kon­sul­tiert wurde.

Einiges wurde präzisiert und – aus Sicht der Wirtschaft – korrigiert oder verbessert:

  • Das DSG ist bei Ver­fahren nicht mehr anwend­bar (Art. E Abs. 2).
  • Eine Daten­schutz­fol­gen­ab­schätzung ist etwa nur noch bei “hohen” Risiken verpflich­t­end (Art. 20 Abs. 1), wobei neu in ein­er nicht abschliessenden Aufzäh­lung konkretisiert wird, wann ein hohes Risiko vor­liegt (Art. 20 Abs. 2). Eine Daten­schutz-Fol­gen­ab­schätzun­gen ist fern­er u.a. dann nicht mehr verpflich­t­end, wenn ein bes­timmter Ver­hal­tenskodex einge­hal­ten wird.
  • Die Pflicht zur Mel­dung von Ver­let­zun­gen (“breach noti­fi­ca­tion”) bet­rifft nur noch Ver­let­zun­gen der Daten­sicher­heit, nicht mehr jede unbefugte Daten­bear­beitung. Der Inhalt der Mel­dung an den EDÖB wurde zudem umschrieben, und die Mel­dung ist nur noch bei hohem Risiko erforder­lich (Art. 22).
  • Die Def­i­n­i­tion des “Pro­fil­ing” wurde kor­rigiert (Art. 4 lit. f): nur die automa­tisierte Bear­beitung von Per­so­n­en­dat­en ist erfasst.
  • Der Gegen­stand der Doku­men­ta­tion­spflicht wurde konkretisiert (Art. 11 Abs. 2).
  • Ver­hal­tenskodizes (im Voren­twurf noch als „Empfehlun­gen der guten Prax­is“ beze­ich­net) wer­den nicht mehr vom EDÖB, son­dern auss­chliesslich von Beruf-und Wirtschaftsver­bän­den erar­beit­et. Allerd­ings hat der EDÖB neu die Auf­gabe, „Leit­fä­den und Arbeitsin­stru­mente“ zu erar­beit­en (Art. 52 Abs. 1 lit. g). Zudem verzichtet der Entwurf darauf, die All­ge­meinen Rechts­fol­gen zu definieren, wenn ein Ver­hal­tenskodex einge­hal­ten wird.
  • Die Pflicht zur Infor­ma­tion über die Iden­tität von Auf­trags­bear­beit­ern, ein Parade­beispiel des „swiss fin­ish“, wurde gestrichen (Art. 17).
  • Die Infor­ma­tion­spflicht gilt bei pri­vat­en Bear­beit­ern nicht, wenn sie son­st gegen Geheimhal­tungspflicht­en ver­stossen müssten (Art. 18 Abs. 1 lit. c).
  • Medi­en kön­nen sich auch bei der Infor­ma­tion­spflicht auf die beim Auskun­ft­srecht vorge­se­henen Aus­nah­men berufen (Art. 18 Abs.  1 lit. d).
  • Mel­dun­gen von Daten­schutzver­let­zun­gen dür­fen in Strafver­fahren ohne Ein­willi­gung des Meldepflichti­gen nicht mehr ver­wen­det wer­den (Art.  22 Abs. 6).
  • Beson­dere Auskun­ft­spflicht­en beste­hen nur noch bei automa­tisierten Einzelfal­l­entschei­dun­gen, nicht mehr bei Entschei­dun­gen all­ge­mein (Art. 23 Abs. 2 lit. f). Der Bun­desrat erhält zudem wieder die Kom­pe­tenz, Aus­nah­men von der Kosten­losigkeit vorzuse­hen (Art. 23 Abs. 6), und die Auskun­ft darf ver­weigert wer­den, wenn das Auskun­fts­ge­such offen­sichtlich unbe­grün­det oder queru­la­torisch ist (Art. 24 Abs. 1 lit. c).
  • Der ver­wirrende Umgang mit dem Pro­fil­ing im Sys­tem der Recht­fer­ti­gungs­gründe wurde bere­inigt (Art. 26).
  • Ein Anspruch auf Berich­ti­gung beste­ht nicht bei ent­ge­gen­ste­hen­den geset­zlichen Vorschriften (Art. 28 Abs. 1 lit. a).

Einige Unstimmigkeiten sind geblieben:

  • Pri­va­cy by design” soll weit­er­hin schon ab der Pla­nung von Daten­bear­beitun­gen gel­ten (Art. 6 Abs. 1). Das kann allerd­ings nur gel­ten, wenn dabei konkret auch Dat­en bear­beit­et wer­den; andern­falls ist das DSG nicht anwend­bar. Her­steller sind daher trotz des Wort­lauts nicht verpflichtet, dieses Prinzip anzuwenden.
  • Die Beurteilung der Angemessen­heit aus­ländis­chen Rechts durch den Bun­desrat begrün­det nach wie vor eine Fik­tion, nicht eine Ver­mu­tung (Art. 14 Abs. 2).
  • Die Bekan­nt­gabe ins Aus­land kann weit­er­hin nicht durch ein über­wiegen­des pri­vates Inter­esse gerecht­fer­tigt wer­den (Art. 14 Abs. 2).
  • Die Freis­tel­lung all­ge­mein­er Infor­ma­tion (zum Beispiel durch Medi­en) von den Anforderun­gen an die Bekan­nt­gabe ins Aus­land gilt nur für „automa­tisierte Infor­ma­tions- und Kom­mu­nika­tions­di­en­ste“ (Art. 15). Ob dies auch für Print-Pub­lika­tio­nen gilt, die weit­ge­hend automa­tisiert ver­sandt wird, ist offen, wäre der Sache nach aber richtig.
  • Ein­sicht und Löschung von Dat­en ver­stor­ben­er Per­so­n­en („Lex Face­book“) wird nach wie vor im DSG geregelt (Art. 16), obwohl Ver­stor­bene keine Daten­sub­jek­te sind.
  • Die Beschränkung der Infor­ma­tion­spflicht und des Auskun­ft­srechts durch Beru­fung auf über­wiegende Pri­vat­in­ter­essen bleibt aus­geschlossen, wenn Per­so­n­en­dat­en an Dritte weit­ergegeben wer­den (Art. 18 Abs. 3 lit. c; Art. 24 Abs. 2 lit. a), wohl aus Angst, dass Drit­tbekan­nt­gaben beson­ders riskant sind (falls das stimmt, hätte es auch im Rah­men ein­er Inter­essen­ab­wä­gung berück­sichtigt wer­den kön­nen). Immer­hin müssen die Infor­ma­tion und die Auskun­ft nicht mehr nachge­holt wer­den, wenn der Grund für die Ver­weigerung oder Ein­schränkung entfällt.
  • Eine „automa­tisierte Einze­lentschei­dung“ liegt weit­er­hin immer dann vor, wenn eine automa­tisierte Entschei­dung mit ein­er Rechts­folge ver­bun­den ist; eine Qual­i­fizierung fehlt insoweit nach wie vor (Art. 19 Abs. 1).

Einige Unstimmigkeiten, Unklarheiten oder Hindernisse sind neu:

  • Die Vorkehren zur Daten­sicher­heit müssen es neu “ermöglichen”, “Ver­let­zun­gen der Daten­sicher­heit zu ver­mei­den” (Art. 7 Abs. 2).
  • Die Bekan­nt­gabe ins Aus­land gestützt auf eine Ein­willi­gung ist nur noch zuläs­sig, wenn diese Ein­willi­gung aus­drück­lich erfol­gt (Art. 14 Abs. 1 lit. a).
  • Es scheint neu fin­giert zu wer­den, dass ein Pro­fil­ing hochriskant ist, so dass stets eine Fol­gen­ab­schätzung durchzuführen ist (Art. 20 Abs.  2 lit. b).
  • Die Beru­fung auf ein beson­deres, über­wiegen­des pri­vates Inter­esse ist für Kred­i­tauskun­fteien nur noch möglich, wenn die betr­e­f­fend­en Dat­en nicht älter sind als 5 Jahre (Art. 27 Abs. 2 lit. c).
  • Die Infor­ma­tions- und Auskun­ft­spflicht­en operieren neu mit ein­er Gen­er­alk­lausel (neben den Min­destangaben), was im Fall ein­er Busse trotz der Beschränkung auf Vor­satzde­lik­te Fra­gen im Zusam­men­hang mit der genü­gen­den Bes­timmtheit aufw­er­fen wird.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurden Erleichterungen vorgesehen:

  • Das Oppor­tu­nität­sprinzip wurde für ger­ingfügige Daten­schutzver­let­zun­gen ver­ankert (Art. 43 Abs. 2). Gle­ichzeit­ig wurde die Anzeigepflicht bei Ver­stössen (Art. 45 VE) gestrichen. Fern­er wird aus­drück­lich fest­ge­hal­ten, dass sich der EDÖB auf eine Ver­war­nung beschränken darf, falls der Bear­beit­er während der Unter­suchung die erforder­lichen Mass­nah­men getrof­fen hat, um das Daten­schutzrecht wieder einzuhalten.
  • Beschw­er­den gegen vor­sor­gliche Mass­nah­men wer­den nicht mehr ex lege auf­schiebende Wirkung haben.
  • Im Amt­shil­fever­fahren wird Geheimnisträgern vor ein­er Infor­ma­tions­bekan­nt­gabe an eine aus­ländis­che Behörde i.d.R. Gele­gen­heit gegeben, dazu Stel­lung zu nehmen (Art. 49 Abs. 3).
  • Dafür kann der EDÖB neu Gebühren erheben (Art. 53).